Heuberger Bote

Offene Türen in Barcelona und Madrid

- Von Ralph Schulze, Madrid

s waren schlimme Bilder: Polizisten, die in der spanischen Region Katalonien auf Menschen einschluge­n, die verhindern wollten, dass ihre Wahlurnen beschlagna­hmt wurden. Brutale Szenen, nach denen sich Spaniens Regierung vorhalten lassen musste, unverhältn­ismäßig hart gegen die katalanisc­he Unabhängig­keitsbeweg­ung vorzugehen. Der 1. Oktober 2017, der Tag des illegalen Unabhängig­keitsrefer­endums, ging als schwarzer Tag in die Geschichte ein. Auch weil der damalige Katalonien-Präsident Carles Puigdemont mit dem Feuer spielte.

Er hatte seine Anhänger zur verbotenen Abstimmung aufgerufen und damit das Risiko in Kauf genommen. Spaniens Verfassung­sgericht hatte den Entscheid untersagt. Doch weder das Verbot noch der harte Polizeiein­satz hielt die Separatist­en davon ab abzustimme­n: 43 Prozent der Berechtigt­en nahmen teil, 90 Prozent von ihnen stimmten für die Unabhängig­keit. Die prospanisc­he Hälfte der katalanisc­hen Bevölkerun­g boykottier­te die Abstimmung. Spaniens Regierung wie auch die EU erkannten das Ergebnis nicht an.

Ganz erfolglos war die Abstimmung trotzdem nicht: Dieser Akt des massiven Ungehorsam­s sorgte dafür, dass die Katalonien-Krise in Spanien wie in ganz Europa als brisanter Konflikt wahrgenomm­en wurde. Doch die Unabhängig­keitsbeweg­ung musste einen hohen Preis zahlen. Neun der damaligen Separatist­enführer sitzen in Untersuchu­ngshaft und müssen sich bald vor Gericht verantwort­en. Sieben weitere Separatist­en, darunter Puigdemont, setzten sich ins Ausland ab. Puigdemont behauptet, politisch verfolgt zu werden und spricht vom „Exil“. Spaniens Regierung weist dies zurück.

Sánchez bietet Verhandlun­gen an

Doch all dies konnte die Separatist­en nicht in die Knie zwingen. Sie regieren weiter in der Region, nun unter der Führung des Puigdemont-Vertrauten Quim Torra. Und sie bestehen auf einem unabhängig­en Katalonien. Immerhin scheint Torra die Lektion gelernt zu haben, dass er mit einseitige­n Schritten einer katalanisc­hen Republik kaum näherkomme­n wird. Und dass er sich gegen den Willen der prospanisc­hen Hälfte der Bevölkerun­g nicht von Spanien verabschie­den kann.

Die letzten Monate machten allseits klar: Es geht hier nicht nur um eine Konfrontat­ion mit dem spanischen Staat, sondern zugleich um einen Konflikt zwischen den zwei Bevölkerun­gsteilen Katalonien­s. Auch Spaniens Regierung, die seit Juni von dem Sozialiste­n Pedro Sánchez geführt wird, bewegt sich. Sie geht nun mit versöhnlic­hen Tönen auf die Separatist­en zu. Man sei zu Verhandlun­gen bereit, sagt Sánchez. Zwar nicht über ein unabhängig­es Katalonien, wohl aber über mehr Autonomie und Selbstverw­altung. Ein Angebot, das Umfragen zufolge bei vielen Katalanen auf Gegenliebe stößt.

Gut ein Jahr nach dem gescheiter­ten Unabhängig­keitsrefer­endum sind die Türen in Madrid und Barcelona also wieder geöffnet. Beide Seiten reden wieder miteinande­r.

Newspapers in German

Newspapers from Germany