Bottas bremst für Hamilton
Mercedes-Teamorder entscheidet Rennen – Titelentscheidung schon in drei Wochen?
(dpa/SID) - Selbst nach dem Mercedes-Sieggeschenk an Lewis Hamilton gab der gequält lächelnde Sebastian Vettel seinen WM-Traum nicht auf. „Es wird nicht einfacher, wenn wir weiter Punkte verlieren. Ich war nie gut in Mathe. Aber man muss kein Genie sein, um das zu erkennen“, sagte der deutsche Formel-1-Pilot nach seinem dritten Platz im Ferrari in Sotschi. Aber: „Die Möglichkeit ist aber immer noch vorhanden, ich glaube nach wie vor an die Chance.“
Nach dem heiß diskutierten Präsent der schwäbisch-britischen Silberpfeile an Hamilton, dessen Teamkollege Valtteri Bottas eingebremst wurde, kann sich Vettel seinen Traum vom fünften Championat in diesem Jahr nicht mehr aus eigener Kraft erfüllen. Vettel musste auf dem Podest mit ansehen, wie sein WM-Widersacher von Russlands Staatschef Wladimir Putin die Siegertrophäe entgegennahm. Daneben stand – frustriert – Bottas als Zweiter.
„Es ist eine komische Situation“, räumte Hamilton nach seinem fünften Erfolg in den vergangenen sechs Rennen schmallippig ein. „Valtteri ist wirklich ein Gentleman, dass er mich vorbeigelassen hat. Es gibt nicht viele Teamkollegen, die das für dich tun würden.“Hamilton sicherte sich dank der angeordneten Mithilfe den achten Sieg im 16. Saisonrennen. „Als Team haben wir ein gutes Ergebnis, aber für mich persönlich war es ziemlich schwer“, sagte Bottas. Der Finne half tatkräftig mit, dass Hamilton seinen WM-Vorsprung auf Vettel auf jetzt 50 Punkte vergrößerte. Bei noch fünf ausstehenden Grands Prix in diesem Jahr könnte der Heppenheimer selbst bei fünf Siegen maximal 35 Punkte aufholen, wenn Hamilton jeweils Zweiter würde. Rechnerisch kann die WM aus Vettels Sicht schon beim übernächsten Rennen in Austin endgültig verloren sein.
„Die zwei waren sehr schnell und haben es clever gemacht“, zeigte der Hesse sogar Verständnis für die nicht verbotene, aber mit einem bitteren Beigeschmack versehene MercedesMarschroute. In Sotschi fuhr Vettel ein fehlerfreies Rennen und blieb letztlich doch ohne Siegchance: „Platz drei war für uns das Maximum.“Nun könnte Hamilton bereits in den USA, wo er 2015 schon einmal die WM gewonnen hat, mit der argentinischen Fahrerlegende Juan-Manuel Fangio nach Titeln gleichziehen.
Nicht nur wegen dieser Rechenspiele wusste Vettel, wie wichtig der erste Kilometer nach dem Start würde. Er versuchte alles, als die roten Ampeln ausgingen, erwischte von Position drei auch den besseren Beginn als Hamilton, der die Pole am Samstag seinem Teamkollegen Bottas überlassen hatte. Gleichauf rasten die beiden WM-Rivalen kurz nebeneinander. Doch im Windschatten von Bottas katapultierte sich Hamilton wieder an Vettel vorbei, versuchte kurzzeitig, seinen finnischen Mitstreiter außen zu passieren. Hamilton riskierte aber nicht zuviel, das Rennen würde ja noch länger dauern. Als Erster kam Bottas zum Reifenwechsel, in Runde 13 von 53. Hamilton übernahm die Führung, in Runde 14 ließ Vettel neue Pneus aufziehen, Hamilton blieb weiter draußen. In Runde 15 kam auch Hamilton rein – und überraschend hinter Vettel wieder raus. In der MercedesBox haute Teamchef Toto Wolff wütend die Faust auf den Tisch. „Jungs, wie konnte das passieren?“, funkte Hamilton an den Kommandostand.
Doch der Ärger währte nicht lange. Mit Leichtigkeit schnappte sich Hamilton seinen deutschen Widersacher eine Runde später. Als auch der kurz führende Kimi Räikkönen an die Box kam, übernahm der von weit hinten gestartete Max Verstappen im Red Bull die Führung. Er musste aber noch die Reifen wechseln. So lange er draußen blieb, bremste er allerdings die Verfolger. Vettel drohte zur Gefahr für Hamilton zu werden. Zeit, für die Mercedes-Strategen einzugreifen: Ein klarer Funkspruch an Bottas mit der Aufforderung, Hamilton vorbeizulassen, und der Brite ließ den Finnen in Runde 25 locker hinter sich. Bottas bremste in Folge Vettel ein, und Hamilton konnte seinem 70. Formel-1Sieg entgegenfahren. „Wir wollten eigentlich, dass der Schnellste gewinnt, und das war heute Valtteri. Im Rennen ergab sich dann eine neue Situation“, rechtfertigte Toto Wolff die Direktive. „Wir analysieren das jetzt und schauen, was wir daraus lernen können.“