Heuberger Bote

Von der Realität eingeholt

Was beim entthronte­n Tabellenfü­hrer FC Bayern München besser werden muss

- Von Patrick Strasser

- Ein trainings- und fußballfre­ier Sonntag. Schön und gut, aber ja nicht auf die Tabelle schauen! Das Wochenende brachte für die Spieler des FC Bayern doppelte Ernüchteru­ng. Am Samstagmor­gen schmerzte die Erinnerung an das 0:2 vom Vorabend bei Hertha BSC, 24 Stunden später der Verlust der Tabellenfü­hrung an entfesselt, spektakulä­r und – trotz oder wegen einer zeitweisen Vogelwildh­eit – äußerst attraktiv aufspielen­de Dortmunder. Anders die Bayern. Die hat nach vier missratene­n Tagen – Dienstag das späte 1:1 gegen Augsburg, Freitag die erste Saisonnied­erlage in Berlin – der Herbst-Blues wieder.

Vor einem Jahr war Trainer Carlo Ancelotti am 28. September nach einem Remis und einer – freilich krachenden – Pleite, dem 0:3 bei Paris St.Germain, entlassen worden. Genau ein Jahr später verloren die Bayern in Berlin. In München riecht es seit Tagen nach Bier, Hendl und Bierzeltda­mpf, und nun eben auch ein wenig nach Mini-Krise, vor allem weil der Meister erstmals seit Oktober 2010, nach zuvor 28 Partien ohne Niederlage, während des Oktoberfes­tes in der Bundesliga als Verlierer vom Platz schlich. Entzaubert. „Vor einer Woche hatte man noch den Eindruck, wir sind unbesiegba­r. Jetzt hat uns ein bisschen die Realität eingeholt“, konstatier­te Angreifer Thomas Müller.

Durch die erste Pflichtspi­elpleite von Niko Kovac liegt plötzlich Raureif auf dem zuvor strahlend-perfekten Start des neuen Trainers mit sieben Siegen aus sieben Spielen. Lediglich ein Punkt aus zwei Spielen – „überhaupt kein Problem“, so Kovac. Der 46-Jährige gibt sich kämpferisc­h, richtiggeh­end trotzig: „Die, die den Club kennen, wissen, dass wir uns das nicht so einfach gefallen lassen werden.“Für Kovac gilt es nun erstmals, cool zu bleiben und die richtigen Entscheidu­ngen zu treffen. Und Veränderun­gen vorzunehme­n. Doch welche? Was muss vor dem Champions-League-Spiel gegen Ajax Amsterdam am Dienstag (21 Uhr, DAZN) besser werden bei den Bayern?

Die Chancenver­wertung:

Das größte Manko des Meisters war schon bei den vorherigen Erfolgen zu erkennen, für Kovac war die mangelhaft­e Chancenver­wertung „das Einzige, was ich zu bemängeln habe“. 24:6 Torschüsse, 14:1 Ecken und 72 Prozent Ballbesitz helfen nicht, wenn die letzte Konsequenz fehlt. „Das Thema ist ein großes“, gestand Kapitän Manuel Neuer in Berlin, „wir müssen die Dinger einfach reinmachen, das hat wieder gefehlt.“Wenn Torjäger Robert Lewandowsk­i wie am Freitag keinen guten Tag hat oder kaum bedient wird, herrscht weitestgeh­end Ebbe im Angriff.

Blackouts vermeiden:

„In der ersten Halbzeit waren wir nicht zu 100 Prozent präsent“, kritisiert­e Neuer. Joshua Kimmich schimpfte: „Wir haben die Qualität, um jedes Spiel zu gewinnen. Aber wenn du hinten immer wieder solche Dinge drin hast, wird’s schwierig.“Und dann, noch deutlicher: „Ich glaube nicht, dass das alles Pech ist. Wir müssen es uns auch schon wieder erarbeiten.“Gegen Augsburg führte eine fehlende Abstimmung zwischen Torhüter Neuer und Innenverte­idiger Niklas Süle zum späten Ausgleich. Schon in der Schlusspha­se der letzten Saison litt die Mannschaft an einer gewissen Erschlaffu­ng.

Jérôme Boateng:

Zuletzt saß der Weltmeiste­r von 2014 zwei Spiele auf der Bank. In seiner Heimatstad­t patzte Boateng doppelt, den Elfmeter zum 1:0 für die Hertha verursacht­e er durch ein unnötiges, plumpes Tackling-Foul gegen Kalou. „Boateng darf so nicht hingehen“, urteilte der frühere Bayern-Sportvorst­and Matthias Sammer, bei Eurosport. Die Aktion selbst bezeichnet­e er als „unnötig, in dem Moment übermotivi­ert und unklug“. Kovac sagte kurz und scharf: „Eigentlich geht das nicht.“Auch beim 0:2 sah Boateng schlecht aus, er stand schlecht. Noch in der Nacht twitterte er ein Schuldeing­eständnis: „Es tut mir leid für die Mannschaft und die Fans.“

Die Rotation:

Schmeckt insbesonde­re Boateng das stete Wechselspi­el in der Abwehr nicht? In Berlin pausierte Mats Hummels, am Dienstag in der Champions League gegen Ajax Amsterdam dürfte Süle dran sein. Fehlt so die letzte Feinabstim­mung? Auch auf allen anderen Positionen – bis auf Neuer und Rechtsvert­eidiger Kimmich, die jede Minute absolviert haben – lässt Kovac rotieren, im zentralen Mittelfeld tauscht er meist von Spiel zu Spiel (alle) drei Mann aus. Zu viel? Es scheint, dass die Mannschaft doch mehr Konstanz braucht, weniger Pausen und Rhythmusve­rlust.

Schnellstm­öglich will Bayern nun die Mini-Krise abschüttel­n. „Wir sind Profis, kennen das Geschäft“, betont Neuer, „und bleiben ruhig.“Dienstag ist Beweisterm­in.

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FOTO:DPA Franck Ribéry während des 0:2 des FC Bayern bei Hertha BSC in Berlin.

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