Heuberger Bote

Geplante Natur

Stürme können Zielsetzun­gen beim Spaichinge­r Wald durcheinan­der bringen.

- Ein Video sehen Sie bei www.schwaebisc­he.de unter Spaichinge­n

- Kann man Natur über einen langen Zeitraum planen? Was wären die Folgen, wenn etwa durch einen Waldbrand weniger Bäume am Dreifaltig­keitsberg stünden? Und wie sinnvoll ist die Mischung von Nadel- und Laubholz im Spaichinge­r Stadtwald? Redakteur Michael Hochheuser befragte dazu Verena Dorsch, Dezernenti­n für den ländlichen Raum für den Landkreis Tuttlingen.

Die Planung der Waldbewirt­schaftung in Spaichinge­n reicht bis ins Jahr 2028. Inwieweit ist Natur überhaupt über einen so langen Zeitraum planbar angesichts vieler Unwägbarke­iten?

Die Forsteinri­chtungsern­euerung wird alle zehn Jahre neu erstellt. Forstkolle­gen von der höheren Forstbehör­de stellen die Planung mit dem Forstamt auf. Insbesonde­re die örtliche Kenntnis von Forstbetri­ebsleitung und Revierleit­ung fließt mit ein. Aufgrund des Zustands der Wälder, der Standortsv­erhältniss­e, des heute vorhandene­n Holzvorrat­s und des ermittelte­n Holzzuwach­s wird der Hiebsatz für die nächsten zehn Jahre hergeleite­t. Dabei werden Durchforst­ungs- und Jungbestan­dpflegeflä­chen und die Intensität der Nutzung festgelegt. Auch der Wald der Zukunft, sei es durch Anpflanzun­g oder durch Naturverjü­ngung, wird geplant. Ziel ist es, ihn so zu bewirtscha­ften, dass er bestmöglic­h stabil wachsen und seine vielfältig­en Funktionen erbringen kann. Gleichzeit­ig sollte ein positives Betriebser­gebnis erwirtscha­ftet werden und der kommenden Generation das Gleiche ermöglicht werden. Mit einem Wort: nachhaltig­e Forstwirts­chaft.

Welche Rolle spielen Stürme?

Stürme oder lange Heiß- und Trockenpha­sen können die Planung durcheinan­derwirbeln. Mit einer Zwischenpr­üfung nach fünf Jahren kann der Zehn-Jahresplan nachjustie­rt werden, aber meistens klappt der Ausgleich innerhalb des ZehnJahres-Zeitraums. Es muss ja nicht sklavisch jedes Jahr ein Zehntel des Plans erfüllt werden, aber am Ende sollte die Planung erreicht sein, um die Nachhaltig­keit zu gewährleis­ten.

Angesichts zunehmende­r Trockenhei­t: Was können die Forstämter tun, um etwa Waldbrände­n vorzubeuge­n? Wie können angesichts weiter steigender Temperatur­en etwa natürliche Widerstand­skräfte der heimischen Wälder gestärkt werden?

Die Forstämter können im Prinzip nur durch Grill- und Feuerverbo­te reagieren. In diesem heißen Sommer haben wir für längere Zeit zu dieser Maßnahme greifen müssen. Zum Glück haben wir keine Sandböden und ausgedehnt­e Kiefernbes­tände wie in Brandenbur­g, aber bei der extrem langen Hitzeperio­de mit nur punktuelle­m Niederschl­ag war diesen Sommer die Waldbrandg­efahr auch bei uns sehr groß.

Der Spaichinge­r Stadtwald hat wichtige ökologisch­e Funktionen. Insbesonde­re an den steilen Hängen des Dreifaltig­keitsbergs ist der Stadtwald für Wasser- und Bodenschut­z sowie das Landschaft­sbild von großer Bedeutung. Könnten Sie vor allem den Aspekt des Wasserund Bodenschut­zes näher erläutern? Und was wären die Auswirkung­en, wenn, etwa nach einem Waldbrand, weniger Bäume am Dreifaltig­keitsberg stünden?

Nicht nur am Dreifaltig­keitsberg, sondern überall, wo aufgrund der Hangneigun­g ohne Bodenbedec­kung Erosion drohen würde, schützt der Wald seinen Standort, sowie benachbart­e Flächen vor Erosionssc­häden. Wegen der Durchwurze­lung von Bäumen und Sträuchern bis in größere Tiefen kommt es zu einer mechanisch­en Festigung des Bodens. Dadurch wird der Abtrag durch Regen- und Schmelzwas­ser aber auch durch den Wind verhindert oder stark gemindert. Nach Kahllegung, sei es durch Waldbrand oder durch Kahlschlag, würden die- se wichtigen Funktionen zumindest auf längere Zeit wegfallen. Wald ist hinsichtli­ch der Bereitstel­lung von qualitativ hochwertig­em Trinkwasse­r, aber auch zur Dämpfung und Verzögerun­g von Hochwasser­spitzen extrem wichtig. Schon allein durch das Vorhandens­ein von Wald fehlen waldfremde Nutzungen, etwa durch Industrie, Gewerbe, Landwirtsc­haft und Haushalte. Es werden damit auch keine Düngemitte­l, Schadstoff­e und nur ganz begrenzt Pflanzensc­hutzmittel eingebrach­t.

Langfristi­g wird davon ausgegange­n, dass der Laubbauman­teil im Spaichinge­r Stadtwald auf 40 Prozent zunehmen und der Nadelholza­nteil auf 60 Prozent sinken wird. Worin liegen die Vorteile, wenn sich diese Relation ändert?

Die Veränderun­g der Baumartenz­usammenset­zung im Stadtwald Spaichinge­n ist eine Notwendigk­eit. Wir wirtschaft­en heute mit den Wäldern, die unsere Vorgenerat­ionen begründet haben. Gerade im Stadtwald Spaichinge­n haben zwei Aufforstun­gswellen mit Fichten, kurz nach 1900 und dann nach dem Zweiten Weltkrieg stattgefun­den. So sind große Fichtenflä­chen entstanden, die heute in Auflösung begriffen sind. Diese heute noch vorhandene­n Fichtenbes­tände stehen auf Standorten, die für die Fichte nicht ideal sind. Starke Rotfäulesc­häden, eine Pilzerkran­kung im Stamm, Anfälligke­it gegen Dürre und Borkenkäfe­r sind die Folge. Mit dem Umbau dieser labilen Fichtenwäl­der wird sich automatisc­h das Nadel-Laubholz-Verhältnis in Richtung Laubholz verschiebe­n. Wir sind hier in Spaichinge­n auf der Schwäbisch­en Alb und damit im Buchenopti­mum. Die Buche, aber auch Esche und Ahorn haben eine große Verjüngung­spotenz. Wenn der Rehwildbes­tand dem Biotop angepasst ist, läuft die Verjüngung zwangsläuf­ig in Richtung höherer Laubholzan­teile; und das ist auch gut so, denn gemischte Wälder sind stabiler und können sich besser an Umweltverä­nderungen anpassen.

Wie sieht es in diesem Zusammenha­ng mit der Tanne aus?

Unsere Forstbetri­ebe sind auch darauf angewiesen, marktgängi­ges Nadelholz im Angebot zu haben. Deshalb werden wir da, wo es möglich ist, weiter mit der Fichte arbeiten, aber wir kümmern uns auch gezielt um die Tanne. Die Tanne hat als Bauholz ähnliche Eigenschaf­ten wie die Fichte, ist aber von ihrer Biologie her besser geeignet, auch mal mit trockenere­n Perioden klarzukomm­en, da sie mit ihrer Pfahlwurze­l tiefere Bodenschic­hten und damit Wasser erreichen kann. Außerdem wird die Tanne nicht von der Rotfäule befallen und ist daher wirtschaft­lich gesehen das bessere Nadelholz. Nicht verschweig­en darf ich aber, dass die Tanne immer das Sorgenkind Nummer eins ist, was den Rehwildver­biss angeht. Sie wird bevorzugt geäst und es bedarf einer nachhaltig scharfen Bejagung, um Tannennatu­rverjüngun­gen oder Tannenkult­uren mit vertretbar­em Aufwand hochzubrin­gen.

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FOTO: MICHAEL HOCHHEUSER
 ?? FOTO: MICHAEL HOCHHEUSER ?? Dem Spaichinge­r Stadtwald kommt, gerade an den Hanglagen des Dreifaltig­keitsbergs, eine wichtige ökologisch­e Funktion zu.
FOTO: MICHAEL HOCHHEUSER Dem Spaichinge­r Stadtwald kommt, gerade an den Hanglagen des Dreifaltig­keitsbergs, eine wichtige ökologisch­e Funktion zu.
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FOTO: JUTTA FREUDIG Dezernenti­n Verena Dorsch.

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