Ein überraschender Blick auf die Zeit vor der Weißen Rose
Geschichtsbiografie am zweiten Literaturherbst-Abend
(sz) - Am 22. Februar 1943, vor 75 Jahren, wurden die Geschwister Hans und Sophie Scholl von den Nationalsozialisten hingerichtet. Ohne Hans Scholl hätte es die Weiße Rose nicht gegeben. Aber wie kam der damals 23-Jährige dazu, sein Leben im Kampf gegen Hitler zu riskieren? Der Berliner Dr. Robert M. Zoske zeichnet auf der Grundlage von bisher unbekannten Dokumenten ein neues, faszinierendes Bild von einem jungen Mann, dessen Freiheitsdrang seine größte, kompromisslose Leidenschaft war. Am 22. September 2018 hätte Hans Scholl seinen 100. Geburtstag gefeiert. Am Mittwoch, 10. Oktober, um 20 Uhr liest Zoske in der Stadthalle Tuttlingen aus seinem 368 Seiten starken Buch „Flamme sein! Hans Scholl und die Weiße Rose“.
„Ganz leben oder gar nicht!“, notierte der große Bruder von Sophie Scholl, und es ist erstaunlich, welche Erfahrungen sich in seinem kurzen Leben verdichten. Während er zum Fähnleinführer in der Hitlerjungend aufstieg, leitete er eine verbotene Jugendgruppe, die abenteuerliche Fahrten unternahm und verpönte Schriftsteller las. Er liebte Jungen und Mädchen, schrieb Gedichte und Erzählungen.
Als Medizinstudent interessierte er sich vor allem für Philosophie und erlebte als Sanitätssoldat das Grauen an der Front. Er war mit Künstlern und Schriftstellern befreundet, verehrte Stefan George und Thomas Mann. Autor Zoske zeigt, wie sehr dessen Rundfunkansprachen die Flugblätter der Weißen Rose beeinflussten, die Hans Scholl verfasste und zusammen mit seinen Mitstreitern verbreitete. Scholls letzte Worte: „Es lebe die Freiheit!“
Robert M. Zoske schreibt detailreich, präzise und kenntnisreich über Scholls geistige Wurzeln, seine Prägungen und seine Wendung vom Hitlerjungen zum unangepassten Schwärmer und schließlich zum Widerständler. Das fesselnd geschriebene Buch lässt Scholls Vermächtnis eindrucksvoll lebendig werden. Zoske, Dr. phil., evangelischer Theologe, war bis 2017 Pastor in Hamburg. Einem größeren Publikum ist er durch Radiosendungen zu Kunst und Religion und zahlreiche Vorträge über den Widerstand der Weißen Rose bekannt.