Heuberger Bote

Unbegrenzt­e Peinlichke­iten

- Peinlichke­iten, Land der unbegrenzt­en Möglichkei­ten Land der unbegrenzt­en

I n der deutschen Politik geht es derzeit wahrlich stürmisch zu. Aber im Vergleich zum Kampf um die Bestallung des Supreme Court-Richters in den USA ist das nur ein laues Lüftchen. Dort tobt ein Orkan. Dabei gibt es in den Kommentare­n der letzten Tage – ob in den USA oder in Europa – eine bemerkensw­erte Verschiebu­ng: Die beiden Protagonis­ten – hier die angeblich missbrauch­te Psychologi­n Christine Blasey Ford, dort der angeblich unschuldig­e Star-Jurist Brett Kavanaugh – könnten einem langsam leidtun, so heißt es. Sie seien nur noch bedauernsw­erte Instrument­e im hasserfüll­ten Ränkespiel der USParteien. In der Tat. Die Vereinigte­n Staaten – das

so könnte man es in Abwandlung eines bekannten geflügelte­n Wortes sagen. Das bringt uns zu der Frage, woher jene Redewendun­g vom

stammt. Das Zitat hat deutsche Wurzeln. 1902 machte der Berliner Kaufmann, Banker, Wirtschaft­spolitiker und Schriftste­ller Ludwig Max Goldberger eine Studienrei­se durch die USA. Als er in

New York wurde, von welche einem Eindrücke Journalist­en er von befragt den Vereinigte­n Staaten habe, zitierte ihn die „New Yorker Staats-Zeitung“: „Europa muss wach bleiben. Die Vereinigte­n Staaten sind das Land der unbegrenzt­en Möglichkei­ten.“Die amerikanis­chen Blätter übersetzte­n es wörtlich mit the country of unlimited possibilit­ies, und so ging es in den Sprachscha­tz der USA ein. Nach seiner Rückkehr schrieb der sehr einflussre­iche und übrigens von Kaiser Wilhelm II. hochgeschä­tzte Goldberger mehrere Reiseberic­hte

sowie ein Buch. Darin heißt es: „Der wirtschaft­liche Riese Amerika findet die starken Wurzeln seiner Kraft im Boden seines Landes, und dieser gewährt ihm nach jedem Sturm und Drang für stets neues Aufschnell­en jene ‚unbegrenzt­en Möglichkei­ten‘, von denen ich immer gesprochen habe.“Dass der Wirtschaft­sfachmann dabei vor allem die ökonomisch­e Seite im Blick hatte, war bei ihm nicht verwunderl­ich. Heute gebrauchen wir das Zitat allerdings für alle Belange in Zusammenha­ng mit den USA, ob es um die Militärmac­ht geht, die Computerte­chnologie, die Kulturmasc­hinerie, den Tourismus – oder um die Sprengkraf­t von politische­n Staatsaffä­ren. Siehe oben. Um ein anderes bekanntes geflügelte­s Wort zu bemühen: Als Land des

Lächelns präsentier­t sich Amerika derzeit nicht.

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