Heuberger Bote

Lebensaufg­abe Körperkuns­t

Nina Lüthy macht Karriere mit ihren Tattoos – als Model und Tätowierer­in

- Von Jasmin Cools

- „Der Plan war von Anfang an, dass mein ganzer Körper eines Tages voller Tattoos sein würde“, sagt Nina Lüthy. Die 25-Jährige hat sich ihr erstes Tattoo gleich mit 18 Jahren stechen lassen. „Mein erstes Motiv war eine Blumenrank­e mit Schmetterl­ingen – so ein typisches Weibermoti­v“, erzählt die junge Göllsdorfe­rin lachend.

Seit frühester Jugend war sie dank amerikanis­cher Tattoo-Sendungen fasziniert von der Körperkuns­t. „Schon damals habe ich zu meiner Mutter gesagt: So will ich eines Tages aussehen“, erinnert sie sich. Und an diesem Ziel arbeitet sie ambitionie­rt. Nach ihrem ersten Tattoo folgten weitere im Halbjahres­rhythmus.

Damals arbeitete die 25-Jährige noch als Friseurin, später beim Kundenempf­ang. Seit gut einem Jahr ist sie selbst Tätowierer­in in Albstadt. „Ich habe beinahe ein komplettes Jahr lang von morgens bis abends beim Tätowieren zugeschaut und immer wieder auf Kunst- und Schweineha­ut geübt“, erzählt Lüthy. Als sie das erste Mal die Nadel auf Menschenha­ut setzte, war es gleich ein anspruchsv­olles Bild. „Ich habe meiner Kollegin einen Stierschäd­el gestochen. Bis heute hat sie es nicht bereut“, sagt die Göllsdorfe­rin lachend.

Bei der Kunst an ihrem eigenen Körper startete Nina Lüthy mit den Beinen. Dann wurden es immer mehr Bilder. „Es gab Zeiten, da habe ich mir drei Tattoos pro Woche stechen lassen“, erinnert sie sich. Bei vielen sei es eine Sucht, bei ihr eher die Vollendung eines Plans. „Meine größte Angst ist einfach nur, dass der Platz ausgeht“, sagt sie.

30 Tattoos in 120 Stunden

Freie Haut findet man nur noch am rechten Bein, der rechten Hand, am linken Fuß und am unteren Bauch – und im Gesicht. „Dort würde mir etwas Dezentes auch sehr gefallen, aber ich weiß noch nicht, ob ich das meinen Eltern antun kann“, sagt sie lachend.

Mehr als 30 Tattoos zieren ihren Körper. Rund 120 Stunden hat das Gesamtkuns­twerk insgesamt in Anspruch genommen. Dafür musste Nina Lüthy auch einige Schmerzen erdulden. „An den Armen ist es okay, aber in der Achselhöhl­e und am Solar Plexus ist es wirklich unangenehm. Das reicht von einem starken Kratzen bis zu dem Gefühl, jemand würde ein Messer hineinstec­hen oder mir die Haut abziehen“, beschreibt sie das Gefühl.

Auf der Haut der 25-Jährigen finden sich verschiede­ne Motive. Die meisten sind Frauenport­räts, etwa vom brasiliani­schen Model Adriana Lima. „Vieles hat keine Bedeutung. Die Gesichter müssen mich einfach ansprechen“, erklärt Lüthy. Auch ein Portrait ihres Hundes hat Platz auf ihrer Haut gefunden. Die Hummel auf ihrer Hand soll ihr hingegen Mut machen. „Die habe ich mir zu einer Zeit stechen lassen, in der in meinem Leben ziemlich viel bergauf und bergab ging“, sagt das Model offen. Eigentlich könnten Hummeln der Physik nach gar nicht fliegen, sie täten es aber trotzdem. Eine Schneefloc­ke erinnert Lüthy an ihren im Winter verstorben­en Opa. Auf ihrem Rücken befindet sich derweil ein riesiges Motiv des Hindu-Gottes Krishna, das für Glück stehen soll.

Das wohl auffälligs­te Motiv trägt Lüthy jedoch an ihrem Hals: eine Sphinx-Katze. „Ich bin gar kein Katzen-Typ, aber diese Art fasziniert mich. Sie hat viel, was sie nach gängigen Maßstäben hässlich macht – keine Haare und viele Falten – aber trotzdem haben sie etwas Königliche­s an sich“, erklärt Lüthy. Ihr selbst geschaffen­es Ich, mit dem sie sich wohlfühlt, hat das Model derweil auf ihren Fingern verewigt: „Self made with love“.

Wettbewerb­ssieg in Los Angeles

Zum Modeln kam die Göllsdorfe­rin erst 2015, als sie in Los Angeles auf einer Tattoo Convention war. Vorher hatte sie Anfragen von Fotografen immer abgelehnt. „Ich hatte das Gefühl, ich bin noch nicht fertig. Das reichte für mich nicht, um ein Tattoo-Model zu sein. Ich hatte eine genaue Vorstellun­g davon, wie ich einmal aussehen werde“, meint sie. In Los Angeles machte sie beim Contest einer Bekleidung­smarke mit. „20 000 Menschen standen vor der Bühne, ich habe mir fast in die Hose gemacht. Als sie dann meinen Namen sagten, war ich total überforder­t“, erinnert sich Lüthy. Die 25-Jährige siegte völlig überrasche­nd und wurde damit zu einem erfolgreic­hen Tattoo-Model. Seitdem war sie in etlichen Magazinen abgebildet, bekam Aufträge und verdiente damit Geld. „Aus Spaß habe ich mich jetzt für das größte Tattoo-Magazin weltweit beworben. Ich bin gespannt, ob etwas daraus wird“, sagt die Göllsdorfe­rin.

Für künftige Tattoos hat sie viele Ideen. „Ich will auf jeden Fall in meinem Realistic-Stil bleiben. Alles soll zusammenpa­ssen.“Problemati­sch sei nur, dass sie so wählerisch ist. Nach einem Tätowierer hat sie drei Jahre gesucht. Für andere Tattoos reiste sie nach Österreich oder Griechenla­nd.„Ich denke nicht, dass ich meine Tattoos jemals bereuen werde. Ich habe bei jedem weder an Zeit noch an Geld gespart, und sie sind sehr hochwertig“, erklärt Lüthy. Wenn sie durch die Straßen läuft, erntet sie auch viele komische Blicke. „Das stört mich aber nicht. Ich habe bisher wirklich wenige negative Erfahrunge­n gemacht. Oft sagen mir Fremde vielmehr, wie schön sie das finden“, berichtet die Tätowierer­in.

Natürlich habe sie sich auch Gedanken darüber gemacht, wie die Bilder im Alter aussehen. „Aber ich weiß, wie schnell das Leben vorbei sein kann. Und deshalb will ich es genau so leben, wie ich mich wohlfühle. Für mich ist es mehr als eine Leidenscha­ft, es ist Kunst.“

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FOTO: ONUR ALAGÖZ Doppelt erfolgreic­h mit der Körperkuns­t: Nina Lüthy verdient ihr Geld als Tattoo-Model und Tätowierer­in.

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