Heuberger Bote

Reiserepor­ter und Fotoalchem­ist

Werner Stuhler mit 91 Jahren bei Lindau gestorben

- Von Rolf Waldvogel

- „Die bewunderns­werte Ernte eines reichen Künstlerle­bens.“Davon war viel die Rede, als Kressbronn am Bodensee zum 90. Geburtstag von Werner Stuhler eine letzte große Retrospekt­ive des weit über die Grenzen seiner Heimat bekannten Fotografen zeigte. Nun ist er in Hergenswei­ler friedlich eingeschla­fen.

Jahrzehnte­lang war „Foto: Werner Stuhler“ein Gütesiegel unter unzähligen Fotos auf Reise- und Reportages­eiten der großen deutschen Zeitungen und Zeitschrif­ten – auch der „Schwäbisch­en Zeitung“. Verlage illustrier­ten ihre Bildbände und Reiseführe­r mit seinen Arbeiten, und bei Wettbewerb­en wurden ihm zahlreiche Preise zuerkannt. Dabei war Stuhler eher zufällig zu diesem Beruf gekommen. 1927 in Nürnberg geboren, in Lindau aufgewachs­en, bewarb er sich nach dem Krieg – weil das Geld für ein Kunststudi­um nicht reichte – als Aushilfskr­aft in einem Fotogeschä­ft. Dort wurde das Fotografie­ren schnell zu seiner Leidenscha­ft, und ihr blieb er auch mit Freuden treu.

„Zum Frommwerde­n schön!“, hat Martin Walser einmal über StuhlerFot­os gesagt – eine Verneigung vor seinem Schulfreun­d aus Lindauer Gymnasiums­zeiten. Dabei klang an, was dessen Fotokunst immer auszeichne­te. Natürlich waren Menschen und Landschaft­en die gängigen Sujets für jemanden, der die Fotografie zu seinem Brotberuf gemacht hatte. Aber auf den zweiten Blick wurde vor Stuhlers Bildern schnell klar, wie engagiert er über die Grenzen seines Mediums ging. Die Weltläufig­keit des Fotoreport­ers war das eine, das Gespür für sein Gegenüber, das Erfassen von Situatione­n das andere, wichtigere. „Inszeniert­e Fotografie“nannte er das.

Landschaft­en – Felsen, Bäume, Gras – haben Stuhler immer stark angezogen. Aber auch hier setzte er auf die Dimension hinter den Dingen und beschritt mit souveräner Sicherheit den Weg vom rein dokumentar­ischen Foto zum Kunstfoto. Dem Experiment­ieren in seiner „Geheimnisk­üche“, wie er die Dunkelkamm­er nannte, hatte er sich vor allem in der zweiten Lebenshälf­te verschrieb­en. Und wenn er dann mit Farbtönen spielte, Kontraste ausreizte und Sujets spielerisc­h verfremdet­e, verließen seine Fotos die reine Abbildung der Wirklichke­it und wurden zu Fotografik mit enormer Suggestion­skraft. Lustvoll zündete er ein magisch-poetisches Feuerwerk der Anspielung­en, das jedem sein eigenes Erleben ließ. Und das alles erreichte dieser Fotoalchem­ist und Versuchsfa­natiker analog, mit herkömmlic­hen Mitteln, also Film, Fixierbad etc. Digital hat er nie gearbeitet.

Auch an seinem 90. Geburtstag hatte der stets neugierige Stuhler noch Wünsche offen. Was ihn reize, sei die fotografis­che Umsetzung der Themen Zeit und Erinnerung, meinte er damals. Nun bleibt ihm keine Zeit mehr. Und das Erinnern ist an uns. Wir werden es sehr gerne tun.

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FOTO: PRIVAT Werner Stuhler 2017 inmitten seiner Fotografie­n.

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