Ausgelesen: Bücher ausmisten statt sammeln?
Wer Bücher liebt, muss aussortieren. Von Birgit Kölgen Bücher wegwerfen gleicht einer Todsünde. Von Simone Haefele
Das Aussortieren an sich birgt ja immer ein Risiko. Neulich wollte ich meiner Tochter, die in Frankreich deutsche Sprache und Geschichte unterrichtet, die 100 Jahre alte „Nesthäkchen“Serie von Else Ury zeigen. Nach dem Zweiten Weltkrieg im 1950er-Jahre-Stil neu aufgelegt. Liebste Schmöker meiner Kindheit. Leider aus meinen Kisten verschwunden wie „Der Schatz im Silbersee“in einer historischen Karl-MayAusgabe von Opa Hans. Beides wurde offenbar von mir entsorgt. Schade. Aber Tausende anderer Bücher, die ich verschenkt, zum Antiquariat getragen oder ins Altpapier geworfen habe, habe ich nie vermisst.
Es gab einige Umzüge in meinem Leben, jedes Mal wurde meine Bibliothek entschlackt und schwoll von neuem an, bis sich die Bretter bogen. Zuletzt tauschten wir ein geräumiges Haus am Waldesrand gegen eine städtische DreiZimmer-Wohnung und mussten all unsere Dinge um mehr als die Hälfte reduzieren. Anstrengend, aber eine Erleichterung. Jetzt gibt es im Wohnzimmer eine lange Bücherwand für meine schönsten Kunstkataloge und vier hohe, schmale Regale für die Belletristik. Konzentriert, nur das Beste, sinnvoll geordnet. Kaufe ich ein neues Buch, das ich behalten möchte, muss ein altes weichen. Zum Glück steht in der Nähe ein öffentlicher Schrank für Bücherspenden, nichts geht verloren.
Schade eigentlich, dass ich an dieser Stelle nicht einfach ein Bild abdrucken kann, das bekanntlich mehr sagt als tausend Worte – nämlich das Foto meines zimmerhohen, wandbreiten und doch total überfüllten Bücherregals im Wohnzimmer. Ja, ich gehöre zu jener Sorte Mensch, für die Bücher wegwerfen einer Todsünde gleicht. Und nein, ich gehöre nicht zu jener Sorte Mensch, die alles sammelt einfach um des Sammelns willen, sondern neige jenseits der literarischen Welt doch eher dazu, mal schnell was wegzuwerfen.
Aber lieb gewordene Geschichten oder geschätzte Schriftsteller in die Tonne kloppen? Geht gar nicht und lässt mein Herz bluten. Das führt bei einer Leseratte logischerweise dazu, dass im Buchregal neben der Stephen-King-Sammlung und manch anderen literarischen Fehlgriffen sogar noch dünne Reclamheftchen aus der Schulzeit stehen. Samt Sekundärliteratur, die meinen Kindern bei der Abivorbereitung noch einmal durchaus nützlich war. Apropos Kinder: Als mein Sohn auszog, adoptierte ich sofort das frei gewordene Zimmer und stellte dort – natürlich – ein großes Bücherregal auf. Der Protest meines Mannes wurde erst leiser, als ich versprach, dafür Ordnung in die bereits bestehenden Regale zu bringen und künftig keine Bücher mehr in Zweierreihen zu horten. Ist mir gelungen – bis jetzt.