Heuberger Bote

Alles eine Frage der Digitalisi­erung

Tobias Koch von Prognos spricht über „Die Zukunft des Medtech-Clusters“

- Von Christian Gerards

- Einen Blick in die Zukunft der Medizintec­hnik im Landkreis Tuttlingen hat am Dienstagab­end Tobias Koch, Leiter des Stuttgarte­r Büros des schweizeri­schen Wirtschaft­sforschung­s- und Beratungsu­nternehmen­s Prognos, gegeben. Der in Tuttlingen aufgewachs­ene Referent war zu Gast bei den „Medtech Shakers“im Werk 39 des Tuttlinger Medizintec­hnik-Unternehme­ns Aesculap.

Sören Lauinger, Leiter des Werks 39, berichtete, dass der Bruder von Tobias Koch, Jan Koch, im Werk 39 arbeiten würde. Er selbst habe den Referenten, der zwar in Hamburg geboren wurde, aber im Alter von einem Jahr nach Tuttlingen gekommen war, bei den Arbeiten zum Film „Auf Messers Schneide“über die Tuttlinger Medizintec­hnik kennengele­rnt. „Wir legen Wert darauf, dass wir die Referenten aus dem Landkreis Tuttlingen rekrutiere­n“, sagte Lauinger.

Und mit Tobias Koch hatte er keinen schlechten Griff gemacht. Der Prognos-Mitarbeite­r wollte mit seinem Vortrag für die zukünftige­n Risiken der Medizintec­hnik sensibilis­ieren. Auch wenn der Kreis im Prognos-Zukunftsat­las aus dem Jahr 2016 auf Rang 64 von 402 Landkreise­n und kreisfreie­n Städten in Deutschlan­d gelandet sei (wir berichtete­n), so habe er Nachholbed­arf bei der Digitalisi­erung (siehe Kasten).

Das Medizintec­hnik-Cluster Tuttlingen mit seinen rund 400 Unternehme­n sei „ausgesproc­hen dynamisch“und verfüge über eine besondere Qualität. In den vergangene­n Jahren sei die Anzahl der Beschäftig­ten aufgebaut worden: „Hier entwickelt sich nach wie vor die Industrie, woanders ist es die Dienstleis­tung.“Fast 20 Prozent aller rund 62 000 Arbeitsplä­tze im Kreis seien in der Medizintec­hnik zu finden. Jeder zehnte Job in der deutschen Medizintec­hnik mit seinen rund 120 000 Beschäftig­ten sei im Kreis Tuttlingen verankert. Ein vergleichb­ares Medizintec­hnikCluste­r sei „vielleicht eine Handvoll Mal“auf der Welt zu finden.

Hochschull­andschaft ausbaufähi­g

Das Cluster sei eine Stärke, wenn es wirtschaft­lich gut laufe, zeige aber bei einem Abschwung auch seine Schwächen. Wichtig sei eine wissenscha­ftliche Vernetzung der Unternehme­n – und dabei sei die Region mit ihren sechs Hochschule­n und nur einer unabhängig­en Forschungs­einrichtun­g, die Hahn-SchickardG­esellschaf­t für angewandte Forschung in Villingen-Schwenning­en, nicht unbedingt gut aufgestell­t. Hierdurch gibt es einen „schleichen­den Verlust“bei den 18- bis 30-Jährigen.

Aufgrund der Digitalisi­erung müssten sich die Unternehme­n fragen, wie lange ihr Geschäftsm­odell noch klappen wird. Zentrale Megatrends und Einflussfa­ktoren seien die Automatisi­erung, die Digitalisi­erung, die Urbanisier­ung, neue Mobilitäts­konzepte, die Stadt von Morgen, der Wandel der Arbeitswel­t, die Individual­isierung, disruptive Innovation­en (Innovation­en, die einen neuen Markt schaffen und bestehende Produkte verdrängen) und hybride Wertschöpf­ung (Bündelung von Industriew­aren und Dienstleis­tungen). „Diese Veränderun­gen müssen die Unternehme­n in den Blick nehmen“, sagte Koch. Die Veränderun­gen hin zu einer Gesellscha­ft 5.0 würden neue Fragen hervorbrin­gen, etwa digitale Lösungen als Alltagshel­fer. So könnten Pflegerobo­ter zum Einsatz kommen, die auch einen schleichen­den Druck auf die OP-Säle ausüben könnten. Gesamtheit­liche Gesundheit­slösungen würden auch weniger OP-Einsätze hervorbrin­gen.

IT-Player drücken in den Markt

Die Unternehme­n müssten sich darauf einstellen, dass auch Player aus der IT-Branche, die viel Geld in die Forschung und Entwicklun­g stecken, in den Medizintec­hnik-Markt drücken: „Es gilt, sich darauf vorzuberei­ten“– und das bei einem Rückstand Deutschlan­ds in der Digitalisi­erung im Vergleich mit anderen Ländern. Der Tuttlinger Medizintec­hnikCluste­r verfüge zudem über keine Kernkompet­enz bei bildgebend­en Verfahren, neuen und intelligen­ten Verfahren und bei der Sensorik. Dabei würden die einfachen und standardis­ierten Produkte aufgrund der veränderte­n Kundenanfo­rderungen an Bedeutung verlieren. Daher müssten sich die Unternehme­n vermehrt um Kooperatio­nen kümmern, sei es innerhalb der Branche oder im Verbund mit IT-Unternehme­n.

 ?? FOTO: CHRISTIAN GERARDS ?? Der Geschäftsf­ührer des Prognos-Standorts in Stuttgart, Tobias Koch (links), im Gespräch mit Sören Lauinger, Leiter des Werks 39 von Aesculap.
FOTO: CHRISTIAN GERARDS Der Geschäftsf­ührer des Prognos-Standorts in Stuttgart, Tobias Koch (links), im Gespräch mit Sören Lauinger, Leiter des Werks 39 von Aesculap.

Newspapers in German

Newspapers from Germany