Seelenheil statt Kriegsdienst
Vor 1225 Jahren wurde Wehingen erstmals urkundlich erwähnt
- Genau 1225 Jahre liegt die erste urkundliche Erwähnung Wehingens zurück. Eine frühe Form der Kriegsdienstverweigerung war mitentscheidend beim Zustandekommen der Urkunde des Klosters St. Gallen. Der Wehinger Ortschronist Robert Walz weiß alles über die Historie der Gemeinde. Sein zum 1200-jährigen Ortsjubiläum erschienenes Standardwerk über Wehinger Dorfgeschichte würde er gerne fortschreiben – mit einer aktualisierten zweiten Auflage.
Vom 27. März 793 datiert die klösterliche Urkunde. Sie besagt, dass ein Graf Berthold dem Kloster Grundbesitz, unter anderem in „Wehingen“, überlassen hatte. „Dieses Überschreiben war damals gang und gebe“, erläutert Walz. Die Absicht, die dahintersteckte: Mit Grundbesitz war der Heeresbann verbunden – der besagte, dass Grafen mitsamt ihrer Dienstmänner Kriegsdienst zu leisten hatten, wenn der Kaiser in die Schlacht zog. „Durch die Übertragung seiner Güter an das Kloster musste Graf Berthold keinen Kriegsdienst leisten, behielt aber ein lebenslanges Nutzungsrecht“, erklärt der Heimatforscher.
Der finanzielle und der religiöse Aspekt
Hinzu kam der finanzielle Aspekt: Denn die Abgaben, die der Graf an die Obrigkeit zu leisten hatte, wurden ebenso auf das Kloster übertragen. „Vielfach hat der Kaiser den Klöstern diese Abgaben jedoch erlassen“, berichtet Walz. Als dritter Beweggrund kam der religiöse Aspekt ins Spiel beim blaublütigen Berthold: „Ich gebe etwas an Gott, um mir das Seelenheil zu sichern.“
Weitere Urkunden aus dem neunten Jahrhundert belegen neuerliche Besitzwechsel in karolingischer Zeit: So war Wehingen dem Kloster Reichenau zugehörig. Dies änderte sich erst anno 1355, als das Kloster Reichenau seine Wehinger Güter an das Kloster Alpirsbach verkaufte. „Klöster blieben bis ins 19. Jahrhundert Grundherren in Wehingen“, erläutert Walz. „Letzte Ablassungen und Zehntrechtszahlungen erfolgten 1871.“
Einige Jahrzehnte zuvor war Wehingen von einer Katastrophe heimgesucht worden: dem Dorfbrand am 23. Oktober 1828, vor genau 190 Jahren. Damals zählte das Heubergdorf um die tausend Einwohner. „Bis auf wenige Häuser ist alles abgebrannt“, weiß Walz. Der Brand habe dem Ort ein neues Gesicht gegeben, „es wurden zwei Karrees geschaffen“. Mit staatlicher Hilfe sei der Ort nach barocken Plänen wieder aufgebaut worden. „Mit der Bausubstanz ist man später sträflich umgegangen – man hat es nicht geschafft, diese Häuser zu erhalten“, ärgert sich der gebürtige Wehinger.
Er habe sich schon in jungen Jahren für die Ortsgeschichte interessiert. Mitte der 80er Jahre sei die Idee gereift, ein Buch über die Historie seiner Heimatgemeinde zu schreiben. „Da stecken zehn Jahre Arbeit drin“, blickt der 66-Jährige mit berechtigtem Stolz auf sein mehr als 600 Seiten dickes Werk. Gemeinsam mit dem inzwischen über 80-jährigen Wehinger Erich Mayer hat er es erschaffen, im Pfarr- und Rathausarchiv geforscht, im Stuttgarter Staatsarchiv und Diözesanarchiv Freiburg – und sogar über die Landesgrenzen hinaus: im Landesarchiv Innsbruck. Jeder, der heute etwas über die Ortsgeschichte erfahren will, blickt in das in 1000er-Auflage erschienene „Wehingen – Dorfgeschichte und -geschichten“.
Jetzt jedoch gibt es neue Erkenntnisse – und Walz hegt den Wunsch, „gewisse Dinge fortzuschreiben – irgendwann müsste man mal eine zweite Auflage machen“. Schließlich sei eine Generation herangewachsen, die wenig bis nichts wisse über die Ortsgeschichte. Ein reichhaltiger Fundus an historischen Aufnahmen sei vorhanden. Ein Kapitel wäre dann der Fronhofer Kirche gewidmet: Deren Renovierung habe neue Erkenntnisse zu Tage befördert – etwa über ihr Alter. „Dass der Bau im zwölften Jahrhundert datiert, war bislang unklar.“