Heuberger Bote

Seelenheil statt Kriegsdien­st

Vor 1225 Jahren wurde Wehingen erstmals urkundlich erwähnt

- Von Michael Hochheuser

- Genau 1225 Jahre liegt die erste urkundlich­e Erwähnung Wehingens zurück. Eine frühe Form der Kriegsdien­stverweige­rung war mitentsche­idend beim Zustandeko­mmen der Urkunde des Klosters St. Gallen. Der Wehinger Ortschroni­st Robert Walz weiß alles über die Historie der Gemeinde. Sein zum 1200-jährigen Ortsjubilä­um erschienen­es Standardwe­rk über Wehinger Dorfgeschi­chte würde er gerne fortschrei­ben – mit einer aktualisie­rten zweiten Auflage.

Vom 27. März 793 datiert die klösterlic­he Urkunde. Sie besagt, dass ein Graf Berthold dem Kloster Grundbesit­z, unter anderem in „Wehingen“, überlassen hatte. „Dieses Überschrei­ben war damals gang und gebe“, erläutert Walz. Die Absicht, die dahinterst­eckte: Mit Grundbesit­z war der Heeresbann verbunden – der besagte, dass Grafen mitsamt ihrer Dienstmänn­er Kriegsdien­st zu leisten hatten, wenn der Kaiser in die Schlacht zog. „Durch die Übertragun­g seiner Güter an das Kloster musste Graf Berthold keinen Kriegsdien­st leisten, behielt aber ein lebenslang­es Nutzungsre­cht“, erklärt der Heimatfors­cher.

Der finanziell­e und der religiöse Aspekt

Hinzu kam der finanziell­e Aspekt: Denn die Abgaben, die der Graf an die Obrigkeit zu leisten hatte, wurden ebenso auf das Kloster übertragen. „Vielfach hat der Kaiser den Klöstern diese Abgaben jedoch erlassen“, berichtet Walz. Als dritter Beweggrund kam der religiöse Aspekt ins Spiel beim blaublütig­en Berthold: „Ich gebe etwas an Gott, um mir das Seelenheil zu sichern.“

Weitere Urkunden aus dem neunten Jahrhunder­t belegen neuerliche Besitzwech­sel in karolingis­cher Zeit: So war Wehingen dem Kloster Reichenau zugehörig. Dies änderte sich erst anno 1355, als das Kloster Reichenau seine Wehinger Güter an das Kloster Alpirsbach verkaufte. „Klöster blieben bis ins 19. Jahrhunder­t Grundherre­n in Wehingen“, erläutert Walz. „Letzte Ablassunge­n und Zehntrecht­szahlungen erfolgten 1871.“

Einige Jahrzehnte zuvor war Wehingen von einer Katastroph­e heimgesuch­t worden: dem Dorfbrand am 23. Oktober 1828, vor genau 190 Jahren. Damals zählte das Heubergdor­f um die tausend Einwohner. „Bis auf wenige Häuser ist alles abgebrannt“, weiß Walz. Der Brand habe dem Ort ein neues Gesicht gegeben, „es wurden zwei Karrees geschaffen“. Mit staatliche­r Hilfe sei der Ort nach barocken Plänen wieder aufgebaut worden. „Mit der Bausubstan­z ist man später sträflich umgegangen – man hat es nicht geschafft, diese Häuser zu erhalten“, ärgert sich der gebürtige Wehinger.

Er habe sich schon in jungen Jahren für die Ortsgeschi­chte interessie­rt. Mitte der 80er Jahre sei die Idee gereift, ein Buch über die Historie seiner Heimatgeme­inde zu schreiben. „Da stecken zehn Jahre Arbeit drin“, blickt der 66-Jährige mit berechtigt­em Stolz auf sein mehr als 600 Seiten dickes Werk. Gemeinsam mit dem inzwischen über 80-jährigen Wehinger Erich Mayer hat er es erschaffen, im Pfarr- und Rathausarc­hiv geforscht, im Stuttgarte­r Staatsarch­iv und Diözesanar­chiv Freiburg – und sogar über die Landesgren­zen hinaus: im Landesarch­iv Innsbruck. Jeder, der heute etwas über die Ortsgeschi­chte erfahren will, blickt in das in 1000er-Auflage erschienen­e „Wehingen – Dorfgeschi­chte und -geschichte­n“.

Jetzt jedoch gibt es neue Erkenntnis­se – und Walz hegt den Wunsch, „gewisse Dinge fortzuschr­eiben – irgendwann müsste man mal eine zweite Auflage machen“. Schließlic­h sei eine Generation herangewac­hsen, die wenig bis nichts wisse über die Ortsgeschi­chte. Ein reichhalti­ger Fundus an historisch­en Aufnahmen sei vorhanden. Ein Kapitel wäre dann der Fronhofer Kirche gewidmet: Deren Renovierun­g habe neue Erkenntnis­se zu Tage befördert – etwa über ihr Alter. „Dass der Bau im zwölften Jahrhunder­t datiert, war bislang unklar.“

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REPRO: JOSEF ZISTERER Der Wehinger Marktplatz, wie er sich um 1900 darstellte.
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FOTO: MICHAEL HOCHHEUSER Robert Walz weiß nahezu alles über die Wehinger Ortsgeschi­chte.
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