Willi Kamm aus Kreistag verabschiedet
Nachfolge für SPD-Kreisrat in jüngster Sitzung bestimmt
- Bei der Kreistagssitzung am Mittwochabend ist der SPD-Kreisrat Willi Kamm auf seinen eigenen Antrag hin verabschiedet worden. Gesundheitliche Gründe haben ihn zu diesem Schritt bewogen. Für ihn rückt Elke Schaldecker nach, denn nach dem Ergebnis der zurückliegenden Kreistagswahl ist sie die erste Ersatzbewerberin. Elke Schaldecker war bereits von 2009 bis 2014 Mitglied des Kreistages.
„Noch nie war eine Verabschiedung so schwierig wie heute, noch nie fand dies aufgrund einer schweren Erkrankung statt. Wir sind alle sehr betroffen“, wandte sich Landrat Stefan Bär an die Mitglieder des Kreistages und an Willi Kamm und dessen Frau Brigitte. Seit knapp zwei Amtszeiten habe Willi Kamm dem Kreistag angehört, seit 2013 sei er Fraktionsvorsitzender der SPD „seiner persönlichen Heimat“geworden, so der Landrat. Zehn bewegte Jahre lang habe er in den unterschiedlichsten Ausschüssen und Gremien gewirkt, und dabei unter anderem bei den Highlights wie den Start der Hochschule, die Neustrukturierung des Klinikums, den Ausbau des IFC sowie den Anbau des Landratsamtes mit auf den Weg gebracht, begleitet und unterstützt.
Kreisrat und Bürgermeister
Als Baubürgermeister der Stadt Tuttlingen habe er stets ein gemeinsames Miteinander von Stadt und Landkreis eingefordert, denn nur so könnten Themen aus seiner Sicht nach vorne gebracht werden. „Als Kreisrat haben sie über den Tellerrand hinausgeschaut und sich auch im Bereich der Kultur engagiert, sich relativ früh für den Erhalt der Musikhochschule Trossingen eingesetzt“, bemerkte Stefan Bär. Es waren aber auch gesellschaftliche und globale Themen, die den scheidenden Kreisrat umtrieben: Europa und die Donau zum Beispiel.
„Auch wenn die Themen nicht auf der Tagesordnung standen, haben sie sie doch bei jeder Sitzung erwähnt“, erklärte Stefan Bär. „Ich gebe zu, manchmal waren sie richtig anstrengend mit ihren Visionen, denen ich nicht immer folgen konnte. Manchmal mussten wir sie auch wieder auf den harten Boden der Realitäten zurückholen. Ihr inneres Feuer, ihre Überzeugung brannte aber für die jeweilige Sache und man konnte mit ihnen – im positiven Sinne - immer gut streiten, stellte Stefan Bär fest, bevor er Willi Kamm sein offizielles Abschiedsgeschenk, eine Bronzestele von Roland Martin, überreichte.
Einen Wunsch hatte Willi Kamm im Vorfeld geäußert: Er wollte gerne fünf kleine Europa-Tischflaggen. Diese hatte der Landrat nicht dabei: Stattdessen überreichte er Willi Kamm mit den Worten, „das Schicksal hat ihnen mit dieser Krankheit etwas zugemutet, das schwer zu ertragen ist. Ich bewundere sie, sie haben nie aufgegeben. Sie haben noch viele Visionen. Hut ab, ich habe großen Respekt und zolle ihnen große Anerkennung“, eine große Europaflagge mit den Unterschriften aller Kreistagsmitglieder und Dezernenten.
Dass das Leben voller Überraschungen sei, guter wie bitterer, betonte Willi Kamm in seiner Ansprache. Er hatte sie schriftlich vor sich liegen, doch ein zentraler Teil seiner Krankheit ist, dass er im Grunde nicht mehr lesen kann. Frei reden und Visionen, oder neue Ziele zu Papier bringen, das ist immer noch möglich. Wichtig sei für ihn stets gewesen, dass er etwas bewegen konnte, und als Sozialdemokrat sei für ihn das Thema „Arbeit“, oder die soziale Stadt immer wichtig gewesen. „Letztere kann man nur erreichen, wenn man sie auch lebt“, so Willi Kamm, für den auch die Kirche eine wichtige Rolle im Leben spielt.
Aufgeben gibt es nicht
Aufgeben gibt es für ihn nicht, „so lange ich die Kraft noch habe, werde ich Ideen weitertragen“, betonte er und verwies auf sein derzeitiges Mantra „Vom pfälzischen Schweigen, dem Ort wo er aufgewachsen ist, nach Odessa“. Ein Ziel ist es auch, die Städte Neu-Ulm, Ulm und Tuttlingen einander näher zu bringen. Zudem sei er ja ab Dezember ein „freier Mann“und Unternehmer mit einem neuen Projekt. „Lassen sie sich überraschen“, erklärte er den Anwesenden. Er hatte ein Gemälde dabei, einen großen roten Punkt, das er vom Landrat und dem Oberbürgermeister signieren ließ, um es einem Kunstpublikum zu präsentieren und es von diesem „Wert schätzen“zu lassen. „Mal sehen, was es einbringt“, meinte er verschmitzt.
Politiker mit Visionen
Kreisrat Dieter Müller, SPD, hatte Willi Kamm 2013 gebeten, den Vorsitz der Tuttlinger SPD-Fraktion zu übernehmen. Auf Wunsch der Fraktion und Willi Kamm übernimmt er selbst diesen jetzt wieder. Er bescheinigte Willi Kamm, dass er ein Politiker mit Visionen gewesen sei, die nicht immer auf große Zustimmung stießen. „Du hast aber stets deinen Kurs gehalten und so hat in einigen Bereichen doch ein Umdenken stattgefunden“, bemerkte Dieter Müller. Er und die Kollegen der SPDFraktion schenken Willi Kamm zum Abschied aus der Fraktion Zeit: Einen ganzen Tag, der mit einem Gottesdienst in der Pauluskirche in Ulm beginnt. Einen Tag mit Freunden und der Familie. „Wir werden immer für dich und deine Frau Brigitte da sein“, beschloss Dieter Müller bewegt seine Ansprache.