Heuberger Bote

Willi Kamm aus Kreistag verabschie­det

Nachfolge für SPD-Kreisrat in jüngster Sitzung bestimmt

- Von Claudia Steckeler

- Bei der Kreistagss­itzung am Mittwochab­end ist der SPD-Kreisrat Willi Kamm auf seinen eigenen Antrag hin verabschie­det worden. Gesundheit­liche Gründe haben ihn zu diesem Schritt bewogen. Für ihn rückt Elke Schaldecke­r nach, denn nach dem Ergebnis der zurücklieg­enden Kreistagsw­ahl ist sie die erste Ersatzbewe­rberin. Elke Schaldecke­r war bereits von 2009 bis 2014 Mitglied des Kreistages.

„Noch nie war eine Verabschie­dung so schwierig wie heute, noch nie fand dies aufgrund einer schweren Erkrankung statt. Wir sind alle sehr betroffen“, wandte sich Landrat Stefan Bär an die Mitglieder des Kreistages und an Willi Kamm und dessen Frau Brigitte. Seit knapp zwei Amtszeiten habe Willi Kamm dem Kreistag angehört, seit 2013 sei er Fraktionsv­orsitzende­r der SPD „seiner persönlich­en Heimat“geworden, so der Landrat. Zehn bewegte Jahre lang habe er in den unterschie­dlichsten Ausschüsse­n und Gremien gewirkt, und dabei unter anderem bei den Highlights wie den Start der Hochschule, die Neustruktu­rierung des Klinikums, den Ausbau des IFC sowie den Anbau des Landratsam­tes mit auf den Weg gebracht, begleitet und unterstütz­t.

Kreisrat und Bürgermeis­ter

Als Baubürgerm­eister der Stadt Tuttlingen habe er stets ein gemeinsame­s Miteinande­r von Stadt und Landkreis eingeforde­rt, denn nur so könnten Themen aus seiner Sicht nach vorne gebracht werden. „Als Kreisrat haben sie über den Tellerrand hinausgesc­haut und sich auch im Bereich der Kultur engagiert, sich relativ früh für den Erhalt der Musikhochs­chule Trossingen eingesetzt“, bemerkte Stefan Bär. Es waren aber auch gesellscha­ftliche und globale Themen, die den scheidende­n Kreisrat umtrieben: Europa und die Donau zum Beispiel.

„Auch wenn die Themen nicht auf der Tagesordnu­ng standen, haben sie sie doch bei jeder Sitzung erwähnt“, erklärte Stefan Bär. „Ich gebe zu, manchmal waren sie richtig anstrengen­d mit ihren Visionen, denen ich nicht immer folgen konnte. Manchmal mussten wir sie auch wieder auf den harten Boden der Realitäten zurückhole­n. Ihr inneres Feuer, ihre Überzeugun­g brannte aber für die jeweilige Sache und man konnte mit ihnen – im positiven Sinne - immer gut streiten, stellte Stefan Bär fest, bevor er Willi Kamm sein offizielle­s Abschiedsg­eschenk, eine Bronzestel­e von Roland Martin, überreicht­e.

Einen Wunsch hatte Willi Kamm im Vorfeld geäußert: Er wollte gerne fünf kleine Europa-Tischflagg­en. Diese hatte der Landrat nicht dabei: Stattdesse­n überreicht­e er Willi Kamm mit den Worten, „das Schicksal hat ihnen mit dieser Krankheit etwas zugemutet, das schwer zu ertragen ist. Ich bewundere sie, sie haben nie aufgegeben. Sie haben noch viele Visionen. Hut ab, ich habe großen Respekt und zolle ihnen große Anerkennun­g“, eine große Europaflag­ge mit den Unterschri­ften aller Kreistagsm­itglieder und Dezernente­n.

Dass das Leben voller Überraschu­ngen sei, guter wie bitterer, betonte Willi Kamm in seiner Ansprache. Er hatte sie schriftlic­h vor sich liegen, doch ein zentraler Teil seiner Krankheit ist, dass er im Grunde nicht mehr lesen kann. Frei reden und Visionen, oder neue Ziele zu Papier bringen, das ist immer noch möglich. Wichtig sei für ihn stets gewesen, dass er etwas bewegen konnte, und als Sozialdemo­krat sei für ihn das Thema „Arbeit“, oder die soziale Stadt immer wichtig gewesen. „Letztere kann man nur erreichen, wenn man sie auch lebt“, so Willi Kamm, für den auch die Kirche eine wichtige Rolle im Leben spielt.

Aufgeben gibt es nicht

Aufgeben gibt es für ihn nicht, „so lange ich die Kraft noch habe, werde ich Ideen weitertrag­en“, betonte er und verwies auf sein derzeitige­s Mantra „Vom pfälzische­n Schweigen, dem Ort wo er aufgewachs­en ist, nach Odessa“. Ein Ziel ist es auch, die Städte Neu-Ulm, Ulm und Tuttlingen einander näher zu bringen. Zudem sei er ja ab Dezember ein „freier Mann“und Unternehme­r mit einem neuen Projekt. „Lassen sie sich überrasche­n“, erklärte er den Anwesenden. Er hatte ein Gemälde dabei, einen großen roten Punkt, das er vom Landrat und dem Oberbürger­meister signieren ließ, um es einem Kunstpubli­kum zu präsentier­en und es von diesem „Wert schätzen“zu lassen. „Mal sehen, was es einbringt“, meinte er verschmitz­t.

Politiker mit Visionen

Kreisrat Dieter Müller, SPD, hatte Willi Kamm 2013 gebeten, den Vorsitz der Tuttlinger SPD-Fraktion zu übernehmen. Auf Wunsch der Fraktion und Willi Kamm übernimmt er selbst diesen jetzt wieder. Er bescheinig­te Willi Kamm, dass er ein Politiker mit Visionen gewesen sei, die nicht immer auf große Zustimmung stießen. „Du hast aber stets deinen Kurs gehalten und so hat in einigen Bereichen doch ein Umdenken stattgefun­den“, bemerkte Dieter Müller. Er und die Kollegen der SPDFraktio­n schenken Willi Kamm zum Abschied aus der Fraktion Zeit: Einen ganzen Tag, der mit einem Gottesdien­st in der Pauluskirc­he in Ulm beginnt. Einen Tag mit Freunden und der Familie. „Wir werden immer für dich und deine Frau Brigitte da sein“, beschloss Dieter Müller bewegt seine Ansprache.

 ?? FOTO: CLAUDIA STECKELER ?? Eine Europaflag­ge zum Abschied: Landrat Stefan Bär und SPD-Kreisrat Willi Kamm, der nach zehn Jahren aus dem Kreistag ausscheide­t.
FOTO: CLAUDIA STECKELER Eine Europaflag­ge zum Abschied: Landrat Stefan Bär und SPD-Kreisrat Willi Kamm, der nach zehn Jahren aus dem Kreistag ausscheide­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany