Ärger um gesperrte Brücken
Rathaussteg voraussichtlich erst ab Ende November begehbar – Einbußen für Geschäfte
- Drei FußgängerBrücken in Tuttlingen sind gesperrt. Der Grund: ihr schlechter Zustand. Und das trotz regelmäßiger Kontrollen. Im Raum steht nun, ob Mängel bei Prüfungen in der Vergangenheit übersehen worden sind. Die Stadt hat von dem beauftragten Prüfbüro eine Stellungnahme angefordert.
Risse verbreiten sich im August innerhalb weniger Tage über den Brückenkopf der Fußgängerbrücke vom Öthenfurtweg zum Koppenland, vor zwei Tagen fällt Fäulnis im Holz des Rathausstegs auf. Seit Donnerstag ist auch der Sängersteg gesperrt. Sie ist die dritte Tuttlinger Brücke im Zentrum innerhalb weniger Monate.
Wie kam es dazu? Laut Stadt werden alle Brücken regelmäßig überprüft und Mängel in der Regel direkt beseitigt, so dass kein Sanierungsstau entsteht. Erst 2015 war der Sängersteg geprüft worden, der Rathaussteg sogar im vergangenen Jahr – ohne Auffälligkeiten. Das wirkliche Ausmaß der Schäden am Sängerstegg sei dann erst bei der Prüfung am Donnerstag ersichtlich geworden, sagt Benjamin Hirsch, Referent des Oberbürgermeisters. Mitarbeiter eines Tuttlinger Ingenieurbüros machten die Stadt vor zweieinhalb Wochen darauf aufmerksam, dass die Verkehrssicherheit beeinträchtigt sei. Die Sperrung war die Folge.
Die Stadt nimmt nun deshalb die Historie der Brücken-Prüfungen eines anderen Ingenieurbüros unter die Lupe: „Bei den vorhergehenden Prüfungen wurden diese Schäden an Rathaussteg und Sängersteg jedoch offenkundig nicht festgestellt“, sagt Hirsch. Nun könne durchaus die begründete Frage gestellt werden, warum den beauftragten Fachleuten die Schäden an den Brücken nicht aufgefallen seien. „Die Verwaltung sieht dies sehr kritisch und hat das beauftragte Büro bereits zur Stellungnahme aufgefordert“, so Hirsch. „Wenn die Zweifel bestehen bleiben, schließen wir auch rechtliche Schritte ausdrücklich nicht aus.“
Rathaussteg: Einzelhändler leiden
Indes zeigen die gesperrten Brücken ihre Auswirkungen. Die Geschäfte in der Rathausstraße trifft es doppelt. Nicht nur, dass der Rathaussteg gesperrt ist, auch ist seit mehreren Wochen die Baustelle für die Fußgängerzone in vollem Gange. „Der Rathaussteg ist für uns wichtig, weil wir hier nicht in der 1A-Lage sind. Viele Leute kommen über den Rathaussteg in die Stadt und dann bei uns vorbei“, sagt Roger Ott, Verkaufsleiter beim Reisebüro DER. Ein leichter Rückgang sei zu spüren. Vor allem vor der Winterzeit wünscht er sich wieder einen offenen Steg. Dann beginnt die Hauptbuchungszeit.
Claudia Diener vom Modegeschäft „Elfenreich“hätte die stabile Brücke gern deutlich früher zurück: „Es gibt im Moment Tage, da kommt gar niemand“, sagt sie. Schuld sei nicht die Baustelle, „das ist erst so, seit der Steg zu ist“. Nachvollziehen kann sie es durchaus: „Die Leute sind bequem, die nehmen nicht gern Umwege in Kauf.“Nun spürt sie die ausbleibende Kundschaft deutlich: Etwas die Hälfte vom Umsatz fehle.
Während Foto Setzinger und das Pasta-Restaurant Aldente weniger Auswirkungen spüren, trifft die Kombination aus Baustelle und Sperrung des Rathausstegs die Filiale vom Backhaus Licht besonders. Am Nachmittag macht der Bäcker schon gar nicht mehr auf. „Wenn das unser einziges Geschäft wäre, müssten wir Insolvenz anmelden“, sagt Rudolf Licht, Geschäftsführer von Backhaus Licht. „Im Moment legen wir drauf“. Damit, dass vor der Tür eine Baustelle ist, müsse man leben, aber dass zusätzlich die Brücke gesperrt ist, sei für Licht reiner Horror. Das Personal, das eigentlich am Nachmittag in der Filiale arbeitet, musste der Geschäftsführer auf seine anderen sieben Filialen aufteilen. „Wenn die Situation dauerhaft wäre, müssten wir zumachen“, sagt Licht. Deswegen hat er einen Brief an den Oberbürgermeister geschickt. Darin fordert er, dass die Brücke so schnell wie möglich wieder begehbar gemacht wird.
Sängersteg: Schüler müssen Umwege gehen
Weiter stadtauswärts, am Sängersteg, trifft es nicht die Händler, sondern die Schüler. Viele Busse halten am Stadtgarten, die kürzeste Verbindung zum Schulzentrum führt über den Sängersteg. Am Freitagmorgen habe es nur vereinzelt Schüler gegeben, die aufgrund der Sperrung zu spät kamen, heißt es von den Gymnasien und den beruflichen Schulen, die dort angesiedelt sind. Bei Schulschluss werde es aber knapp, sagt Michael Krauss, stellvertretender Schulleiter am Immanuel-KantGymnasium. „Die knappste Zeit zwischen Schulschluss und Busabfahrt sind elf Minuten – das ist schon sportlich.“Ausweichmöglichkeiten sind der Poststeg oder die B14-Brücke. Die Not machte am Freitag einige Schüler erfinderisch: Sie rissen die Absperrung am Sängersteg weg und nutzten die Abkürzung. Das geht in Zukunft aber nicht mehr: Laut Stadt kontrolliert der Kommunale Ordnungsdienst. Ohnehin sind nächste Woche erstmal Ferien.