Heuberger Bote

Gastronomi­e: Ist die deutsche Küche noch gefragt?

- Von Alexandra Schneid

W er etwas Traditione­lles in einem Restaurant mit deutscher Küche essen will, muss in Tuttlingen­s Innenstadt schon lange suchen, bis er fündig wird. Gründe dafür gibt es viele und unterschie­dliche, meinen Gastronome­n und Experten. Auf der Speisekart­e des „Rittergart­en“in Tuttlingen stehen das ganze Jahr über Schnitzel, Zwiebelros­tbraten, Maultasche­n, eben alle Gerichte, die typisch deutsch sind. Sonja Klaß und Thomas Stenger haben das Restaurant vor drei Jahren gepachtet und sind, wie sie sagen, mit dem Geschäft zufrieden. 80 Prozent ihrer Gäste sind Stammkunde­n. Trotzdem sind sie der Meinung: Leicht haben es Gastronome­n in der Stadt nicht. „Auf dem Land sind die Pachtpreis­e günstiger“, sagt Stenger. Wer in der Stadt eine Gastronomi­e betreibt, müsse diese Kosten erst einmal wieder erwirtscha­ften und das sei nicht leicht. Hinzu kommt, dass nicht jeder bereit sei, für einen Braten zu bezahlen, den er auch zuhause zubereiten könnte. Oder er könne sich es einfach nicht leisten, sagt Stenger. In Wurmlingen gibt es sechs Gaststätte­n mit deutscher Küche. Reinhold Dick vom Gasthof „Zum Sternen“glaubt, dass die örtliche Brauerei ausschlagg­ebend dafür sei. Das örtliche Hotel „Traube“, die Tuttlinger Industrie mit den Geschäftse­ssen und die Brauerei, die Besichtigu­ngen anbietet, brächten hungrige Gäste nach Wurmlingen. Dennoch: Dick kennt das Problem um die deutsche Küche und seinen Berufsstan­d. Seiner Meinung nach gehen die Leute lieber in die Industrie anstatt in die Gastronomi­e. Die langen Arbeitstag­e und der geringere Verdienst würden den Beruf für manche unattrakti­v machen. Hinzu kämen gesetzlich­e Vorgaben, die das Leben der Gastronome­n erschweren. Für Hubert Hepfer, Geschäftsf­ührer der Wurmlinger HirschBrau­erei, ist die Vielzahl an Restaurant­s mit deutscher Küche in Wurmlingen eine „Sondersitu­ation“. Das örtliche Hotel würde ebenso seinen Beitrag dazu leisten wie die Tatsache, dass vier von sieben Gastronomi­e-Betriebe inhabergef­ührt sind. Warum es kaum vergleichb­are Gastronomi­e-Betriebe in Tuttlingen­s Innenstadt gibt, hat wohl geschichtl­iche Gründe, mutmaßt Hepfer. Das heutige Stadtgebie­t von Tuttlingen mit Möhringen, Nendingen und Eßlingen umfasste um 1890 mindestens 49 Brauereien, oft verbunden mit Gaststätte­n, schreibt das „Junge Donau“-Magazin. „Der Wettbewerb war intensiv“, sagt Hepfer. Vielleicht zu intensiv, meint er. Hinzu komme die Gastarbeit­erwelle in den 1950er-Jahren, die internatio­nales Publikum mit eigenen Ansprüchen in die Stadt gebracht habe. Weitere Gründe sieht Michael Hipp, Inhaber des Hotels und Gasthofs „Sonne“in Fridingen und Vorsitzend­er des Bereichs Gastronomi­e beim Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverband (Dehoga) in Tuttlingen: Nach dem Boom der deutschen Küche Mitte der 1980er-Jahre habe sich die Gesellscha­ft verändert. Anfangs seien Firmenmita­rbeiter jeden Mittag zum Essen gegangen. „Heute hat jeder Gleitzeit, viele Firmen haben Kantinen. Mittags fallen somit viele Gerichte weg“, erläutert Hipp. Mittlerwei­le würden Metzger und Bäcker einen Mittagstis­ch anbieten, die Zahl der Imbissbude­n sei gestiegen. Rund um die Jahrtausen­dwende herrschte laut Hipp die „Geiz ist geil-Mentalität“. Die Leute seien nicht bereit gewesen, Geld für gutes Essen auszugeben. Derweil sei die deutsche Küche arbeitsint­ensiv. Die Gerichte „kann man zu einem guten Preis anbieten“, sagt Hipp. Problemati­sch sei auch, dass jeder nach nur einem Kurs einen Gastronomi­e-Betrieb eröffnen könnte. Familienbe­triebe gebe man nicht so leicht auf wie einen gepachtete­n Betrieb, glaubt Hipp und ergänzt: „Da hängt viel Herzblut drin.“Und dieses Herzblut merkt ein Gast laut dem Gastronome­n Reinhold Dick ganz einfach: „Wenn man ein Restaurant betritt und es duftet, dann weiß man, dass frisch gekocht wird. Aushängesc­hild ist immer der Salat.“

„Da hängt viel Herzblut drin.“

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Foto: Nyffenegge­r Maultasche­n sind nur eine von vielen schwäbisch­en Spezialitä­ten.
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Foto: alex
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