Heuberger Bote

Der teure Umbruch

Die Nationalma­nnschaft zahlt auch beim 2:2 gegen die Niederland­e Lehrgeld

- Von Patrick Strasser

- Am Ende bewies Virgil van Dijk, der Kapitän der Holländer, wahre Größe. Erstens, weil er durch hohen Luftstand seiner Mannschaft mit dem Kopfball zum 2:2 in der Nachspielz­eit das Remis und damit die Teilnahme am „Final Four“Turnier im kommenden Juni gerettet hatte. Zum zweiten, als er nach Abpfiff Schiedsric­hter Ovidiu Hategan aus Rumänien, dessen Mutter Stunden zuvor verstorben war, umarmte. Eine große Geste.

Dies rückte den Ärger der DFB-Elf über den verschenkt­en Sieg im letzten Gruppenspi­el der Nations League für einen Moment in den Hintergrun­d. Was sportlich blieb: Schneller, direkter Fußball, flotte Spielzüge und knackige Treffer – und dann doch wieder: hängende Köpfe und Ratlosigke­it. „Was am Ende passiert ist, bleibt hängen. Richtig bitter. Wir haben verpasst, den Deckel draufzumac­hen“, ärgerte sich Toni Kroos. Timo Werner, neben Leroy Sané Torschütze in der furiosen ersten Halbzeit, schimpfte: „Das Spiel dürfen wir niemals wieder hergeben.“Haben sie aber – in nur wenigen Minuten. Welch teures Vergnügen, ständig Lehrgeld zu zahlen. Bundestrai­ner Joachim Löw lamentiert­e: „Es zieht sich ein bisschen durch das Jahr.“

2018 war das schlechtes­te Jahr der deutschen Länderspie­lgeschicht­e (sechs Niederlage­n), mit dem SuperGau des Ausscheide­ns in der WMVorrunde. Nun der erneute Rückschlag. „Das ist der Preis, den eine junge Mannschaft bezahlen muss. Es sind Erfahrungs­werte, die man macht. Daraus muss man lernen“, so Löws Vorgabe für die Zukunft.

Magisches Dreieck lässt hoffen

Das Offensiv-Trio Werner, Sané und Bayern-Profi Serge Gnabry bestach durch Tempo, Spielwitz und Abschlusss­tärke wie schon beim 3:0 im Test gegen Russland letzte Woche. Teammanage­r Oliver Bierhoff pries deren – offensicht­liche – Schnelligk­eit und forderte: „Sie müssen aber noch Konstanz bekommen.“Das magische Dreieck, dessen Geburtsstu­nde das 1:2 in Frankreich im Oktober war, lässt für die nächsten Jahre hoffen. Für den Umbruch, zu dem sich Löw endlich durchringe­n konnte. Im September noch zögerlich, weil allzu treu zu seinen alten Helden der WM 2014 (Boateng, Hummels, Müller) öffnete ihm das 0:3 in Amsterdam die Augen.

Lediglich Kapitän und Torwart Manuel Neuer sowie Spielmache­r Toni Kroos und mit Abstrichen Mats Hummels sind gesetzt.

Zu den frischen Gesichtern gehören neben dem Angriffstr­io vor allem Julian Brandt (22), Thilo Kehrer (22) und Kai Havertz (19). „Mein Gefühl sagt mir, dass wir gut aufgestell­t sind mit diesen Spielern“, meinte Löw. Er versprach für 2019: „Wir werden wieder eine gute Mannschaft auf den Platz schicken, die guten Fußball spielen lässt. Wir haben viel Potenzial.“Er gehe „mit einem guten Gefühl“in die Winterpaus­e. Die Qualifikat­ionsspiele zur EM 2020 beginnen erst im März. Dieser Herbst mache ihm – den Abstieg in die Liga B der Nations League mal beiseitege­schoben – „viel, viel Mut fürs nächste Jahr.“

In der Zeit bis zur EM 2020 will Löw Erfahrung und Jugend bestmöglic­h kombiniere­n. „Es braucht in einem Kader drei, vier Spieler, die Erfahrung mitbringen“, sagte der Bundestrai­ner, „nur junge oder nur alte Spieler werden nicht zum Erfolg führen – die richtige Mischung macht's.“Der Umbruch benötige noch Zeit, das gehe „nicht so einfach von heute auf morgen“.

Im Herbst 2018 spielte diese reformiert­e Nationalel­f irgendwo zwischen gestern und morgen, strauchelt­e dabei im kniffligen Heute.

Werner gab die Losung für das DFB-Team aus. „2018 abhaken, 2019 in die EM-Quali starten und dann alles besser machen.“Gegen Ende der Partie übrigens zerriss Löw auf der Bank wütend einen Zettel. Den Matchplan?

Noch so ein Sinnbild: Weg mit den Notizen, fort mit dem Jahr 2018. Endlich vorüber und vorbei.

 ?? FOTO: DPA ?? Die Wut des letzten Mannes: Torwart Manuel Neuer holt in der Nachspielz­eit den Ball aus dem Netz.
FOTO: DPA Die Wut des letzten Mannes: Torwart Manuel Neuer holt in der Nachspielz­eit den Ball aus dem Netz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany