Heuberger Bote

Kleider kaufen ohne „Almosen-Gefühl“

Kleiderkam­mer bemerkt Trend: Haushaltsa­uflösungen – Die aber überforder­n manchmal

- Von Regina Braungart

Die Ökumenisch­e Kleiderkam­mer erhält häufiger Ware aus Nachlässen.

- Manche Institutio­nen sind wie Seismograf­en der Gesellscha­ft. Die Ökumenisch­e Kleiderkam­mer gehört dazu. In neuester Zeit werden immer mehr Kleider und Schuhe aus Nachlässen gebracht. Doch das überforder­t das Team. Denn die schweren Säcke hinund herzutrage­n, Gutes auszusorti­eren, Zerschliss­enes oder nicht mehr Zeitgemäße­s zu entsorgen, ist harte Arbeit, die man mit teils über 80 Jahren kaum mehr bewältigt.

31 Helferinne­n halten die Institutio­n am Laufen. Sie sind alle ehrenamtli­ch tätig. In der Voradvents­zeit treffen sie sich zum Dankeschön-Essen. Doch es gibt etwas, das sie als wirkliche Belohnung empfinden: Wenn ihre Kunden für wenig Geld gut gekleidet sind. „Erinnert ihr euch an die junge, alleinerzi­ehende Mutter, die sich Zeit nahm und zum Schluss für zehn Euro ein komplettes Outfit hatte, zu dem sie befragt wurde, wo sie denn diese schönen Kleider herhabe?“, fragt Rosemarie Götz, „Sie sagte dann immer: ,Aus meiner Boutique’. Sie hat sich so gefreut.“

Den ehrenamtli­chen Helferinne­n ist wohl bewusst, dass in unserer Gesellscha­ft Würde etwas mit der Kleidung zu tun hat. Darum ist es ihnen so wichtig, dass sie ihren Kunden saubere, gute, aber auch zeitgemäße Kleidung und Schuhe anbieten können.

Nur: „Des isch doch no guat“– ein Satz, der im Grunde eine schwäbisch­e Grundhaltu­ng ausdrückt – ist eine höchst subjektive Sache. Wenn etwas seit 20 Jahren im Schrank hängt, oder seit 40 Jahren auf der Bühne steht, weil es keiner tragen oder nutzen wollte, dann sollte das auch nicht in der Kleiderkam­mer landen. Ein guter Leitsatz ist: „Man sollte nur das bringen, was man selbst auch tragen würde“, sagt Angelika Goebes.

Zunehmend bemerken die Frauen, dass ihnen Kleider aus Nachlässen gebracht werden, unsortiert und ganze Säcke voll, manchmal sogar schmutzige Schuhe oder löchrige Kleider. Diese müssen dann mühevoll in dem kleinen, rückwärtig­en Raum am großen Tisch kontrollie­rt und sortiert werden. Eine Arbeit, die das Team zunehmend überlastet. Nicht nur räumlich und zeitlich, sondern auch körperlich. Denn die Aufgaben sind aufgeteilt in Annahme, Verkauf und Sortieren, und das Sortiertea­m hat machmal pro Woche 20, 30 Säcke zu bewältigen. Dabei sind die Frauen dieses Teams fast alle 70, 80 Jahre alt.

Den Abgebenden die zu alten oder nicht mehr verkäuflic­hen Kleider gleich wieder mitzugeben ist schwierig, berichtet das Team. „Die Spender meinen es doch gut. Oder der Verstorben­e wollte, dass die Kleider noch jemandem nutzen.“Das tun sie aber eben nur, wenn sie zeitgemäß und nicht abgetragen sind.

Früher haben die Frauen die unbrauchba­ren Kleider selbst mit dem Auto zu den Kleidercon­tainern der Umgebung gebracht. Heute werden sie von einer Verwertung­sfirma abgeholt, die sie in großen Mengen verkauft oder zu Maler-Fleece, Lumpen, Dämmstoffe­n oder anderem verarbeite­n. Einmal sei das ganze Team dort in der Firma gewesen, um sich das anzuschaue­n. Der Mitarbeite­r erläuterte ihnen die Qualitäts-Kategorien so: „Es gibt Frankfurte­r Ware und es gibt Schwäbisch­e Ware.“Die Frankfurte­r landet am Kleiderstä­nder und dann bei Menschen, die nicht viel Geld haben, die Schwäbisch­e im Reißwolf.

Kaufen ohne „Almosen-Gefühl“

Übrigens: Es gibt in Spaichinge­n viele Kunden, die hochwertig­e und auch Markenklei­der kaufen statt der billigen, schnell zerschliss­enen Massenware, und die diese Kleider sauber und duftend im Wäschekorb bringen. Darüber ist das ökumenisch­e Team, sind aber auch die Kunden sehr dankbar.

zitiert Rosemarie Götz den Mitarbeite­r einer Verwertung­sfirma.

Manchen ist das Weitergebe­n guter Kleidung ohne ein „Almosen-Gefühl“so wichtig, dass sie Kleider aus dem Nachlass sogar

„Es gibt Frankfurte­r und es gibt Schwäbisch­e Ware“,

reinigen lassen.

Aber das ist ein außergewöh­nliches Geschenk der Wertschätz­ung für die Kunden, so empfinden es die Mitrarbeit­erinnen. Schön ist einfach, wenn „Frankfurte­r Ware“zur Kleiderkam­mer gebracht wird.

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FOTO: BRAUNGART
 ?? FOTO: REGINA BRAUNGART ?? Ursula Merkt, Rosemarie Götz, Angelika Goebes und Vorsitzend­e Lilo Aicher am Sortiertis­ch. sie sind aber meist im Verkauf und in der Annahme tätig.
FOTO: REGINA BRAUNGART Ursula Merkt, Rosemarie Götz, Angelika Goebes und Vorsitzend­e Lilo Aicher am Sortiertis­ch. sie sind aber meist im Verkauf und in der Annahme tätig.

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