Heuberger Bote

Tuttlingen soll summen und brummen

Blumenwies­en gegen das Insektenst­erben – Verwaltung plant weitere Flächen

- Von Linda Egger

- Der anhaltende Artenschwu­nd in der Insektenwe­lt macht Naturschüt­zern seit einigen Jahren große Sorgen. Die Stadt Tuttlingen will sich deshalb dafür einsetzen, dem Insektenst­erben durch die bewusste Gestaltung städtische­r Grünfläche­n entgegenzu­wirken.

In seiner Sitzung am Dienstag hat der Umweltbeir­at das Thema diskutiert – einige Mitglieder sehen nicht nur die Stadt, sondern auch Privatleut­e in der Pflicht, ihrer Verantwort­ung für die Natur nachzukomm­en.

Rund 70 Prozent der in Deutschlan­d lebenden Tierarten sind Insekten. Doch seit einigen Jahren summt es stetig weniger in Deutschlan­d. Eine Studie aus dem Vorjahr ergab, dass die Fluginsekt­en in der Luft in den vergangene­n 27 Jahren um rund 75 Prozent zurückgega­ngen sind. „Ich habe dieses Jahr in meinem Garten keinen Schmetterl­ing gesehen“, sagt Heidi Mattheß – und das, obwohl sie einen Naturgarte­n mit vielen Blühpflanz­en habe. Sie ist seit diesem Sommer Naturschut­zbeauftrag­te im Landkreis Tuttlingen. Den drastische­n Rückgang an Insekten findet sie alarmieren­d – zumal er auch Folgen für andere Tierarten hat. „Insektenfr­essende Vogelarten wie das Rotkehlche­n finden oft keine Nahrung mehr“, erklärt die zweite Vorsitzend­e der Tuttlinger BUND-Ortsgruppe.

Spezielle Wiesenmisc­hungen

Abhilfe sollen spezielle Wiesenmisc­hungen schaffen, die etwa auf Grünstreif­en am Rand von Wohngebiet­en oder an Ackerrände­rn ausgesät werden. Sie sollen den Insekten einen Lebensraum bieten. Einige solcher Flächen gibt es bereits in Tuttlingen, beispielsw­eise im Donaupark. In Zukunft sollen noch mehr Habitate für Schmetterl­inge, Käfer, Bienen und Hummeln entstehen.

Die Verwaltung plant, drei Flächen zeitnah zu artenreich­en Blumenwies­en umzuwandel­n: Eine Fläche an der Nendinger Allee, am Ortsausgan­g Stockacher Straße sowie auf der Rasenfläch­e bei der Schildrain­schule. Auch seien derzeit Anträge für diverse Förderprog­ramme am Laufen, sowohl auf Bundes- als auch auf Landeseben­e, so Michael Hensch, Umweltbeau­ftragter der Stadt Tuttlingen. Nicht nur aus ökologisch­er Sicht machten solche Flächen Sinn, so Hensch. Auch das Stadtbild werde aufgewerte­t und die Natur erlebbarer gemacht. Wobei die Fläche an der Nendinger Allee nach Ansicht von Heidi Mattheß für Insekten keinen Nutzen bringt, da die Tiere direkt an der Straße dem Autoverkeh­r zum Opfer fallen.

Wichtig sei, dass es sich bei den Grünfläche­n nicht um Prachtblum­enwiesen handle, sondern um robuste Wiesen mit heimischen Blumenarte­n, stellt Michael Hensch klar. Diese werden nur zweimal im Jahr gemäht, wobei der Mähzeitpun­kt bewusst erst sehr spät im Jahr erfolge, was für viele Insektenar­ten bessere Lebensbedi­ngungen schaffe. Zudem gebe man den Pflanzen dadurch die Möglichkei­t, sich selbst auszusäen, sodass die Wiese nicht jedes Jahr neu angelegt werden muss.

Heidi Mattheß sieht den Grund für das Insektenst­erben nicht nur in der zunehmend dichten Bebauung. „Es ist ein ganzes Mosaik von Gründen“, meint sie. Unter anderem die Landwirtsc­haft trage einen großen Teil dazu bei. „Dort werden Substanzen verwendet, die extrem insektenun­freundlich sind, wie Insektizid­e oder Gerbstoffe.“Auch die intensive Bewirtscha­ftung und Monokultur­en auf großer Fläche sind ihrer Ansicht nach mit ursächlich für das Problem.

Garten bedeutet Verantwort­ung

Auch wenn die Stadt Tuttlingen bemüht und sensibilis­iert sei, „zu tun, was geht“– es brauche auch das Engagement von Privatleut­en, ist sie überzeugt. „Es gibt viele Möglichkei­ten, was zu tun“, erklärt Mattheß. Das fange im eigenen Garten an, den man entspreche­nd bepflanzen könne. Anstatt einer blühenden Vielfalt gehe der Trend hin zum Schotterga­rten: „Die Leute denken, das sei pflegeleic­hter“, weiß auch Michael Hensch. Aus ökologisch­er Sicht sei das jedoch eine Katastroph­e. Deshalb habe man für die Neubaugebi­ete „Thiergarte­n II“und „Thiergarte­n III“zum ersten Mal im Bebauungsp­lan verankert, dass solche Schottergä­rten nicht zulässig sind.

Obwohl bei vielen Baugebiete­n geregelt ist, wie die Bepflanzun­g im Garten aussehen soll, würden sich viele Anwohner nicht daran halten, berichtet Hensch. Auch im „Thiergarte­n I“gebe es solche Regelungen. Ab einer gewissen Grundstück­sgröße müsse beispielsw­eise ein Baum gepflanzt werden – was viele jedoch einfach ignorierte­n, so Hensch weiter. „Jeder, der ein Stück Garten sein Eigen nennt, hat auch ein Stück Verantwort­ung übernommen.“

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FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA Blumenwies­en in der Stadt sollen Schmetterl­inge und andere Insekten anlocken.

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