Vielfältige Stimmen auf der Islamkonferenz
Nicht nur Moscheeverbände, sondern auch unabhängige Muslime sitzen in Berlin am Tisch – Vier Standpunkte
- Am Mittwoch lädt Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) Muslime nach Berlin ein, um mit ihnen auf der Deutschen Islamkonferenz (DIK) über ihre Religion zu debattieren. Der Minister erwartet Kooperation auf Seiten der Muslime. Doch welche Erwartungen haben diese ihrerseits? Vier Gefragte geben Antwort.
Sineb El Masrar, Chefredakteurin der Zeitschrift „Gazelle“:
„Als muslimische Feministin kann ein deutscher Islam nur ein geschlechtergerechter Islam sein, der an die universellen Menschenrechte und humanistischen Errungenschaften anknüpft. Islamisch-theologische Anknüpfungspunkte gäbe es aller Skepsis zum Trotz genug. Diese Form wird allerdings von reaktionären Muslimen abgelehnt. Es wird zu heftigen Auseinandersetzungen führen. Ich hoffe daher sehr, dass dieses Streiten und Austauschen fruchtbar im Sinne und zugunsten der Demokratie und Freiheit ausfällt.“
Cem Özdemir, Bundestagsabgeordneter der Grünen:
„Ich begrüße das Grundanliegen der deutschen Islamkonferenz. Vor allem finde ich es richtig, dass wieder Vertreter dabei sind, die von den konservativen islamischen Verbänden unabhängig sind. Die Verbände sind leider noch weit davon entfernt, die Voraussetzungen einer Religionsgemeinschaft nach dem deutschen Religionsverfassungsrecht zu erfüllen. Sie dürfen nicht länger Handlanger eines ausländischen Staates sein und müssen auf dem Boden unserer Verfassung zu einer Vertretung von Muslimen in Deutschland werden. Frauenfeindlichkeit, Militarismus und religiöser Fundamentalismus haben dabei keinen Platz. Das Grundgesetz schützt die freie Religionsausübung, nicht aber den Nationalismus eines ausländischen Präsidenten. Dies deutlich zu machen und zu befördern, muss das Ziel der DIK sein. Persönlich wünsche ich mir einen deutschen Islam, der der Gesellschaft zugewandt ist und in Debatten wie über Ökologie oder Medizinethik eine eigene Position einbringt.“
Mouhanad Khorchide, Professor für Islamwissenschaft im Zentrum für Islamische Theologie der Universität Münster:
„Ich erwarte von der Islamkonferenz, dass sie sich zu einer Plattform entwickelt, die erstens die verschiedenen innerislamischen Positionen sichtbar macht. Bislang wurde nur dem überwiegend konservativen Islam viel Raum gegeben, was zu einer verzerrten und einseitigen Wahrnehmung des Islams geführt hat. Zweitens sollen in dieser Plattform auch die kritischen Fragen gestellt und diskutiert werden, und zwar, um klare und praktische Handlungsempfehlungen zu liefern. Dazu gehören Fragen nach der Rolle der Moscheegemeinden in einer modernen Gesellschaft, der Gestaltung des isla- mischen Religionsunterrichts, dem zeitgemäßen Umgang mit heiligen Texten und vieles mehr.
Hussein Hamdan, Religionswissenschaftler, Islamberater bei der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart:
„Thematisch brauchen wir eine Diskussion über die Etablierung eines deutschsprachigen Islam in Deutschland sowie den Aufbau von hauptamtlichen Strukturen innerhalb der Verbände und Moscheegemeinden. Auch über die Bekämpfung des antimuslimischen Rassismus sowie den muslimischen Antisemitismus sollte diskutiert werden. Es braucht insgesamt ein Gleichgewicht zwischen den Themenbereichen Dialog, Integration und Prävention. Neben Repräsentanten der Verbände sollten auch kritisch-reflektierte Muslime beteiligt werden, aber es können nicht „Islamkritiker“für die Muslime sprechen. Ich erwarte mir von der Islamkonferenz endlich Zielsetzungen, die durch Maßnahmen nachhaltig verfolgt werden. Ansonsten sollte man darüber nachdenken, ob die dafür verwendeten Steuergelder nicht besser in Jugendprojekte investiert werden können.“