Keine Spur von Isolation
Beim G20-Gipfel dominiert zum Start mit Saudi-Arabiens Kronprinz Salma ein sehr umstrittener Gast die Runde
(dpa) – Das größte Interesse zu Beginn des Treffens der G20-Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Wirtschaftsnationen erregte einer, der weder Staats- noch Regierungschef ist. Als Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman in den Saal des Konferenzzentrums in Argentiniens Metropole schritt, ging ein Raunen durch die Beobachterschar. Einer, an dessen Händen mutmaßlich Blut klebt, auf der Weltbühne? Im Raum steht der Vorwurf, dass der Befehl zur Tötung des regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul von ganz oben kam. Der Kronprinz steuerte in Buenos Aires direkt auf den russischen Staatschef Putin zu. Ein demonstrativ kumpelhafter Handschlag, ein Lächeln, intensiver Smalltalk. Eine Szene, die fast mehr über den Zustand der Welt sagt, als viele Worte.
Mit Salman und Putin trafen sich die derzeit wohl umstrittensten, wenngleich neben US-Präsident Donald Trump zwei der wichtigsten Staatenlenker im Kreise der G20. Trump ist innenpolitisch erneut stark unter Beschuss geraten und ließ ein Treffen mit Putin beim G20Gipfel sausen – offiziell wegen Russlands Verschärfung der Ukraine-Krise. Öffentlich spielte er zum Auftakt des Treffens – gewollt oder ungewollt – ausnahmsweise nur eine Nebenrolle. Seinen großen Auftritt plant Trump für Samstag, wenn der Gipfel eigentlich schon vorbei ist. Aus US-Kreisen heißt es, ein Erfolg des Abendessens mit Chinas Staatschef Xi Jinping sei nicht unwahrscheinlich – wie immer Erfolg in einem laufenden Handelskrieg auch definiert sein mag.
Die wegen einer Flugpanne abwesende Angela Merkel wurde im Kreis der Mächtigen zunächst von ihrem Wirtschaftsberater Lars-Hendrik Röller vertreten. Statt Gespräche im Hintergrund zu führen, saß Röller fast auf Augenhöhe mit und zeitweise neben Trump. „Röller muss jetzt quasi Kanzler spielen“, meinte ein Delegationsmitglied – und seine Chefin dann informieren. Die ist in großer Sorge ob der tiefen Krise des Multilateralismus – wo viele zuerst an sich denken und immer öfter Gipfel im Streit und ohne Erklärungen enden. Auf Begegnungen mit einem lächelnden Kronprinzen kann sie sicher momentan verzichten. Auch wenn im Umgang mit dem Saudi andere nicht so eine große Bühne wählten wie Putin: Aber auch für den Rest des Gremiums zählten im Umgang mit dem Kronprinzen Bauchschmerzen und Stirnzrunzeln in Buenos Aires erst einmal wenig. Zu wichtig ist Saudi-Arabien für die Lösung der Probleme im Nahen Osten. Auch Großbritanniens Premierministerin Theresa May und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron planten im Gegensatz zu Merkel Treffen mit Salman. Ähnlich wie die Amerikaner haben Franzosen und Briten Interessen an Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien – Merkel hat die deutschen Rüstungsexporte erstmal auf Eis legen lassen. Auch Gipfel-Gastgeber Mauricio Macri begrüßte den Gast aus dem Morgenland mit einem Lächeln – von „Isolation“konnte in Buenos Aires jedenfalls keine Rede sein.