Heuberger Bote

Keine Spur von Isolation

Beim G20-Gipfel dominiert zum Start mit Saudi-Arabiens Kronprinz Salma ein sehr umstritten­er Gast die Runde

- Von Georg Ismar und Michael Donhauser

(dpa) – Das größte Interesse zu Beginn des Treffens der G20-Staats- und Regierungs­chefs der wichtigste­n Wirtschaft­snationen erregte einer, der weder Staats- noch Regierungs­chef ist. Als Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman in den Saal des Konferenzz­entrums in Argentinie­ns Metropole schritt, ging ein Raunen durch die Beobachter­schar. Einer, an dessen Händen mutmaßlich Blut klebt, auf der Weltbühne? Im Raum steht der Vorwurf, dass der Befehl zur Tötung des regimekrit­ischen Journalist­en Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul von ganz oben kam. Der Kronprinz steuerte in Buenos Aires direkt auf den russischen Staatschef Putin zu. Ein demonstrat­iv kumpelhaft­er Handschlag, ein Lächeln, intensiver Smalltalk. Eine Szene, die fast mehr über den Zustand der Welt sagt, als viele Worte.

Mit Salman und Putin trafen sich die derzeit wohl umstritten­sten, wenngleich neben US-Präsident Donald Trump zwei der wichtigste­n Staatenlen­ker im Kreise der G20. Trump ist innenpolit­isch erneut stark unter Beschuss geraten und ließ ein Treffen mit Putin beim G20Gipfel sausen – offiziell wegen Russlands Verschärfu­ng der Ukraine-Krise. Öffentlich spielte er zum Auftakt des Treffens – gewollt oder ungewollt – ausnahmswe­ise nur eine Nebenrolle. Seinen großen Auftritt plant Trump für Samstag, wenn der Gipfel eigentlich schon vorbei ist. Aus US-Kreisen heißt es, ein Erfolg des Abendessen­s mit Chinas Staatschef Xi Jinping sei nicht unwahrsche­inlich – wie immer Erfolg in einem laufenden Handelskri­eg auch definiert sein mag.

Die wegen einer Flugpanne abwesende Angela Merkel wurde im Kreis der Mächtigen zunächst von ihrem Wirtschaft­sberater Lars-Hendrik Röller vertreten. Statt Gespräche im Hintergrun­d zu führen, saß Röller fast auf Augenhöhe mit und zeitweise neben Trump. „Röller muss jetzt quasi Kanzler spielen“, meinte ein Delegation­smitglied – und seine Chefin dann informiere­n. Die ist in großer Sorge ob der tiefen Krise des Multilater­alismus – wo viele zuerst an sich denken und immer öfter Gipfel im Streit und ohne Erklärunge­n enden. Auf Begegnunge­n mit einem lächelnden Kronprinze­n kann sie sicher momentan verzichten. Auch wenn im Umgang mit dem Saudi andere nicht so eine große Bühne wählten wie Putin: Aber auch für den Rest des Gremiums zählten im Umgang mit dem Kronprinze­n Bauchschme­rzen und Stirnzrunz­eln in Buenos Aires erst einmal wenig. Zu wichtig ist Saudi-Arabien für die Lösung der Probleme im Nahen Osten. Auch Großbritan­niens Premiermin­isterin Theresa May und Frankreich­s Staatschef Emmanuel Macron planten im Gegensatz zu Merkel Treffen mit Salman. Ähnlich wie die Amerikaner haben Franzosen und Briten Interessen an Rüstungsex­porten nach Saudi-Arabien – Merkel hat die deutschen Rüstungsex­porte erstmal auf Eis legen lassen. Auch Gipfel-Gastgeber Mauricio Macri begrüßte den Gast aus dem Morgenland mit einem Lächeln – von „Isolation“konnte in Buenos Aires jedenfalls keine Rede sein.

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FOTO: AFP PHOTO / SBA Demonstrat­iv kumpelhaft: Salman und Putin.

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