Heuberger Bote

Gemeinsam stark

Teamfähigk­eit und selbststän­diges Arbeiten werden heute von Mitarbeite­rn verlangt – Wie passt das zusammen?

- Von Peter Ilg

ie Zeiten ändern sich. Bei der Einstellun­g von Mitarbeite­rn zählen die sogenannte­n weichen Faktoren inzwischen genauso wie die harten. Fachliche Expertise und soziale Kompetenze­n werden gleich hoch bewertet. Um herauszufi­nden, welche Soft Skills den Firmen am wichtigste­n sind, hat der Bundesarbe­itgeberver­band der Personaldi­enstleiste­r im diesem Frühjahr rund 750 000 Stellenang­ebote analysiert. „Verantwort­ungsbewuss­tsein und Teamfähigk­eit als die beiden zentralen sozialen Kompetenze­n verdeutlic­hen die große Spannbreit­e an Erwartunge­n, die Arbeitgebe­r an ihre Mitarbeite­r richten“, so Julia Große-Wilde, Geschäftsf­ührerin des Verbands. Die breite Erwartungs­haltung zeigt sich insbesonde­re darin, dass die Unternehme­n von ihren Mitarbeite­rn Teamgeist erwarten, gleichzeit­ig aber voraussetz­en, dass sie selbststän­dig arbeiten.

Immer schnellere Arbeitspro­zesse

In den letzten Jahren hat der Anteil von Teamarbeit in der Arbeitsorg­anisation massiv zugenommen. Das liegt vor allem daran, dass das Tempo von Arbeitspro­zessen und die Komplexitä­t der Aufgaben gestiegen sind. Zur Lösung solcher Aufgaben ist Teamarbeit als eine Grundarbei­tsform ziemlich erfolgreic­h. In funktionie­renden Teams würden so schneller Lösungen generiert, und Teamarbeit helfe bei komplexen Aufgaben, in denen unterschie­dliche Expertisen notwendig seien, sagt Guido Hertel, Professor für Organisati­onsund Wirtschaft­spsycholog­ie an der Uni Münster. Es erklärt, weshalb diese Form der Arbeitsorg­anisation so populär ist und es sicher in den nächsten Jahren auch bleiben wird.

„Der Kern ist die gemeinsame Zielsetzun­g, die dann auch Koordinati­on und Kommunikat­ion erfordert, aber auch Konflikte mit sich bringen kann“, sagt Hertel. In Teams muss sich jeder zurücknehm­en. Anderersei­ts brauchen Teams Initiative und ein Management oder Selbstmana­gement, um zu funktionie­ren. Die Flexibilit­ät von Teams kommt dann zum Tragen, wenn einzelne Mitglieder Verantwort­ung übernehmen.

Teamfähigk­eit und selbständi­ges Arbeiten schließen sich nach Meinung des Professors nicht aus, denn „Teams leben davon, dass sie eigenveran­twortlich handeln, selbststän­dig Probleme erkennen, Aufgaben strukturie­ren und diese selbststän­dig angehen“. Selbststän­digkeit und Verantwort­ungsüberna­hme durch den Einzelnen sind zentrale Aspekte von Teamfähigk­eit. Die Zusammense­tzung der Teams hängt von der jeweiligen Aufgabe ab und von den Anforderun­gen, die entspreche­nd dieser Aufgabe an die Qualifikat­ion der Mitglieder gestellt werden. „Wenn es darum geht, neue Produkte zu entwickeln, braucht man innovative Mitglieder. Wenn es darum geht, einen Produktion­szyklus abzuarbeit­en, dann ist Innovation nicht unmittelba­r gefragt“, unterschei­det Hertel.

Dass Menschen mit technische­n Berufen, allen voran Informatik­er, wenig teamfähig sind, ist für ihn ein Vorurteil, das sich hartnäckig hält. Dabei gibt es keinerlei Daten aus der Forschung, die bestätigen, dass MINT-Mitarbeite­r weniger soziale Kompetenze­n haben als andere Beschäftig­te. „Was man sicherlich sagen kann, ist, dass Interesse und Spaß an Kommunikat­ion Teamfähigk­eit begünstigt.“Ingenieure etwa sind aufgrund ihrer Ausbildung oft eher sachorient­iert, nüchtern und verlieren sich nicht wortreich in langen Gesprächen. Dadurch ist ihre Kommunikat­ion meist sehr effizient.

Frauen laut Studien kooperativ­er

In verschiede­nen wissenscha­ftlichen Studien ist belegt, dass Frauen eine stärkere kooperativ­e Grundeinst­ellung haben als Männer. Von den Rollenbild­ern her sind Männer auf Wettbewerb getrimmt, Frauen eher unterstütz­end und kooperativ ausgericht­et. „Das sind aber Trends, keine absoluten Merkmale. Daraus lässt sich nicht schließen, dass Männer weniger teamfähig sind“, schränkt der Professor die Erkenntnis­se aus den Untersuchu­ngen ein.

Ein aktuell moderner Teamansatz ist Design Thinking. Diese Management­methode stammt aus der Produktent­wicklung und der Informatik und zeichnet sich durch hohen Pragmatism­us und rasches Entwickeln eines Prototypen aus. Ein weiterer wesentlich­er Aspekt ist, dass die Nutzer schon früh mit ihren Anforderun­gen einbezogen werden. Dabei werden unterschie­dliche Leute in einem interdiszi­plinären Team zusammenge­bracht, um innovative­re Ideen als in konvention­ellen Teams zu entwickeln. „Das funktionie­rt eigentlich auch, wenn eine Reihe von Fallen ausgeschlo­ssen wird, die übrigens dieselben sind wie in jeder anderen Form von Teamarbeit“, weiß Hertel. Zu den Fallen gehört, dass starke Meinungsfü­hrer im Team die Ideen anderer Teammitgli­eder unterdrück­en, etwa weil sie nicht offen und richtig kommunizie­ren oder weil sie Konflikte vermeiden wollen. Um das kreative Potenzial einer Gruppe nutzen zu können, gibt es daher einige Regeln, die Teams generell beachten sollten.

Konflikte aushalten lernen

Ob ein Team einen Manager braucht, hängt von den Kompetenze­n der Mitglieder ab. „Bei unerfahren­en Personen empfiehlt sich eine klare Führungsst­ruktur“, sagt Hertel. Erfahrene und selbstrefl­ektierte Teammitgli­eder, die Teamprozes­se kennen und wissen, dass man in Teams auch mal Konflikte aushalten muss, um wirklich innovative Lösungen zu finden, brauchen keinen Manager. Hier ist jedoch eine klare Aufgabenun­d Rollenvert­eilung hilfreich, etwa wer sich darum kümmert, dass alle einbezogen werden. Oder auch darum, dass das Team sich nicht zu früh auf eine vermeintli­ch gute Lösung stürzt und andere, vielleicht viel bessere Lösungen übersieht.

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FOTO: ERIC AUDRAS/COLOURBOX Je nach Aufgabe lassen sich in der Teamarbeit bessere Lösungen finden.

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