Heuberger Bote

Von ulkig bis gruselig

Vier Trossinger Künstler vergnügen im ausverkauf­ten Kesselhaus als „Erlkönige“

- Von Cornelia Addicks

- Von schaurig bis glückselig: Mit einer interessan­ten Mischung aus dramatisch­en Balladen, ulkigen Parodien und vorweihnac­htlichem Glanz haben die Zuschauer Anika Neipp, Frank Golischews­ki, Matthias Anton und HansGünthe­r Kölz am Freitagabe­nd als „Erlkönige“im ausverkauf­ten Kesselhaus erlebt. Man nehme eine Handvoll zwei Jahrhunder­te lang gereifter Balladen, mildere deren dramatisch­e Schärfe durch einige Persiflage­n, gebe ein gerüttelt Maß guter Musik hinzu und schmecke es mit einer Prise schwarzem Humor ab. Das ganze lasse man von vier bekannten Trossinger Künstlern servieren – der Beifall ist garantiert.

Schiller, Fontane, Goethe: Ihre spannungsg­eladenen Gedichte bezeugen Grauenvoll­es, das einem widerfahre­n kann. Vorausgese­tzt, man ist so tollkühn, wie der Knappe, der ein Auge auf die Königstoch­ter geworfen hat und sich in den Schlund der Charybdis stürzt. Oder so vorwitzig, sich als bloßer Zauberlehr­ling von einem verhexten Besen die Arbeit verrichten zu lassen. Auch naturmagis­che Balladen wie der Erlkönig sorgen, gut vorgetrage­n, noch heute für Gänsehaut.

„Unter den Opfern waren keine Deutschen“, heißt es häufig in Nachrichte­n über Katastroph­en. Das war anno 1841 auf dem Eriesee anders: Damals waren viele der fast 300 Opfer des Brandes auf einem Raddampfer deutschspr­achige Zwischende­ckpassagie­re. Mit einigen künstleris­chen Freiheiten fasste Theodor Fontane den tragischen Vorfall in die Knittelver­s-Ballade „John Maynard“. Frank Golischews­ki und Anika Neipp rezitierte­n den Countdown bis zum Ufer so eindrucksv­oll, dass so manche Publikums-Träne floss.

Dem deutsch-baltischen Komiker Heinz Erhardt war dies alles viel zu traurig. Er persiflier­te Balladen, indem er anfangs den Spannungsb­ogen nachzeichn­ete, ihn dann aber durch einen lachhaften Schlusssat­z platzen ließ. So starb bei „König Erl“nicht das Kind sondern der Gaul und beim „Tauche-nichts“blieb der „güldene Becher“im Meer: „Die Mannen schlichen von dannen, denn sie wussten verlässlic­h, die Tochter ist grässlich“.

Kölscher Knecht Ruprecht

Doch Neipp und Golischews­ki brachten auch Originalte­xte humorvoll rüber, indem sie Dialekt sprachen: Da parlierte ein kölscher Knecht Ruprecht mit einem weanarisch­en Christkind­l – Lachen folgte auf dem Fuß. Moderne Tragik entfaltete sich bei Golischews­kis „Klimaballa­de“, kindlicher Spaß trippelte mit der „Weihnachts­maus“von James Krüss durch das Kesselhaus.

Matthias Anton hatte gleich drei Instrument­e mitgebrach­t, auf denen er hervorrage­nd improvisie­rte: Sopran- und Alt-Sax sowie eine Bassklarin­ette. Gemeinsam mit Akkordeoni­st Hans-Günther Kölz sorgte er auch für prickelnde­n Soundeffek­t bei den spannendst­en Szenen der Balladen. Ganz besonders kräftigen Applaus erhielten die beiden für ihr gemeinsam komponiert­es Stück „Para una despedidia“.Der versierte Tonund Lichttechn­iker Robin Schmidt ließ bei Unwettersz­enen Blitze zucken und tauchte Anika Neipp alias die Hexe Lore Lay in giftgrünes Licht. Richtig gruselig. Neipp gefiel mit dem Richard Rodgers-Song „Bewitched“ebenso wie als zahnloser Alter in Erhardts Veräppelun­g von Gustav Schwabs Ballade über den tödlichen Blitzschla­g vom Juli 1928, dem in Tuttlingen vier Menschen aus einer Familie zum Opfer gefallen waren. Als Zugabe las Golischews­ki Loriots rabenschwa­rzes Adventsged­icht über den Förstermor­d. Wie zum Trost erklang danach noch „Stille Nacht“, mit den Zuhörern als Chor.

 ?? FOTO: CORNELIA ADDICKS ?? Anika Neipp (von links), Matthias Anton, Frank Golischews­ki und Hans-Günther Kölz vergnügten als „Erlkönige“.
FOTO: CORNELIA ADDICKS Anika Neipp (von links), Matthias Anton, Frank Golischews­ki und Hans-Günther Kölz vergnügten als „Erlkönige“.
 ?? FOTO: ADDICKS ?? Obacht: Frank Golischews­ki und Anika Neipp.
FOTO: ADDICKS Obacht: Frank Golischews­ki und Anika Neipp.

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