Versand von Arznei bleibt doch erlaubt
Anteil ausländischer Versandapotheken begrenzt – Kritik an zusätzlichen Zahlungen
(dpa) - Patienten in Deutschland können verschreibungspflichtige Medikamente auch künftig bei einer Online-Apotheke bestellen. Das geplante Verbot des Versandhandels ist vom Tisch. Es sei europarechtlich unwägbar, ob und wie ein solches Verbot umgesetzt werden könne, erklärte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Dienstag in Berlin. Den Apothekern will er entgegenkommen, indem er Rabatte im Internet deckelt und Nachtdienste besser bezahlt.
- Ausländische Versandapotheken sollen weiter deutsche Kunden mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln beliefern dürfen. Doch wird ihr Marktanteil begrenzt. Die deutschen Apotheken wiederum erhalten zusätzliches Geld. Das sieht ein von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geschnürtes Maßnahmenpakt vor.
Jens Spahn hat das Thema Versandhandelsverbot für rezeptpflichtige Medikamente bisher mit spitzen Fingern angefasst. Schließlich war er stets gegen ein solches Verbot. Denn es passt ja schlecht zu elektronischen Rezepten und generell zum Wettbewerbsgedanken. Im Koalitionsvertrag aber, den Spahn bei den Gesundheitsthemen gar nicht mitverhandelt hatte, steht: „Um die Apotheken vor Ort zu stärken, setzen wir uns für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ein.“Nun aber hat der Minister ein Paket geschnürt, das er am Dienstag auf der Mitgliederversammlung der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) vorstellte.
Demnach soll es kein Versandhandelsverbot geben. Dieses wäre „europarechtlich und politisch unwägbar“. Allerdings fühle er sich der flächendeckenden Versorgung verpflichtet. Der Versandhandel solle nicht zur Regel werde. Deshalb dürfe der Marktanteil ausländischer Versandapotheken nicht mehr als fünf Prozent betragen. Zudem sollen Anbieter aus anderen EU-Ländern deutschen Kunden nicht mehr als 2,50 Euro Bonus je Medikament gewähren dürfen. Inländische Versandapotheken und Vor-Ort-Apotheken können keine Nachlässe einräumen.
Versüßen will der Minister den Apothekern das Abrücken vom Verbot mit 375 Millionen Euro an zusätzlichen Einnahmen. Allein 240 Millionen sollen für nicht näher erläuterte zusätzliche Dienstleistungen, die die Pharmazeuten erbringen sollen, fließen. 120 Millionen mehr gibt es für den Nacht- und Notdienst – womit dieser doppelt so gut vergütet würde wie bisher. Schließlich sollen 15 Millionen an Apotheken fließen, die Betäubungsmittel wie Cannabis ausgeben.
ABDA-Präsident Friedemann Schmidt zeigte sich zu konstruktiven Gesprächen bereit. Es sei gut, wenn man den Versandhandel „auf ein erträgliches Maß begrenzen“könne. Allerdings hätten die Apotheker jetzt erst einmal internen Diskussionsbedarf, um Spahns Vorschläge zu bewerten. Am 17. Januar werde es deshalb noch eine weitere Mitgliederversammlung geben.
Belastung für Beitragszahler
Aber auch die Regierungsfraktionen müssen vom Abrücken vom Koalitionsvertrag ja noch überzeugt werden. Während der SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach und die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD Sabine Dittmar das Aus für das Verbot begrüßten, teilte die gesundheitspolitische Sprecherin der Union, Karin Maag, mit: „Meine persönliche Haltung in dieser Frage ist bekannt. Wir haben daher Gesprächsbedarf zu den Vorschlägen.“Maag hat stets für ein Versandverbot plädiert. Von Georg Nüßlein (CSU), bisher ebenfalls strikter Anhänger des Verbotes, hieß es gestern nur, man sei in Verhandlungen, mehr können man noch nicht sagen.
Mäßig begeistert zeigten sich die gesetzlichen Krankenkassen, die das Ganze bezahlen sollen. Zwar sei es „ein gutes Signal für den Digitalstandort Deutschland, dass das Versandhandelsverbot endlich vom Tisch ist“, so Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes. „Aber im Gegenzug alte Apothekenstrukturen durch zusätzliche Gelder aus den Portemonnaies der Beitragszahler zu alimentieren, wäre die falsche Reaktion auf diesen Fortschritt.“Ähnlich hört sich das beim AOK-Bundesverband an. Zwar sei es gut, „dass endlich Realismus einkehrt und das Versandhandelsverbot vom Tisch ist. Denn gerade für chronisch Kranke und ländliche Regionen ist der Arzneimittelbezug übers Internet schon lange eine ernst zu nehmende Alternative“, so Sprecher Kai Behrens. Doch mit den zusätzlichen Mitteln für die Apotheker „greift man wieder viel zu tief in die Taschen der Beitragszahler. Das sieht dann doch eher nach Trostpflaster als nach gezielter Förderung aus.“
Seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2016 müssen sich ausländische Versandapotheken nicht mehr an die deutsche Preisbindung halten. Bisher jedoch liegt der Marktanteil der Versandhändler bei rezeptpflichtiger Arznei gerade bei einem Prozent.