Heuberger Bote

Beim Notruf sind die Antworten entscheide­nd

Leitstelle in Tuttlingen nimmt pro Jahr 35 000 Notrufe an – Anrufer muss sich leiten lassen

- Von Matthias Jansen

- 1-1-2: Diese Telefonnum­mer rettet Leben. Wenn der Anruf richtig abgesetzt wird. „Mit dem Notruf steht und fällt der Erfolg des Einsatzes. Wenn die Informatio­nen gut sind, können wir die richtige Hilfe schicken“, sagt Daniel Schmidberg­er, Leiter der Tuttlinger Leitstelle, zum europäisch­en Tag des Notrufs am 11. Februar.

Die Einsatzkrä­fte bei einem Unfall alarmieren, das kann eigentlich jeder. „Sogar Kinder bekommen es hin“, erklärt Ercan Köse, stellvertr­etender Leitstelle­nleiter. Anstatt wie früher fünf W-Fragen (Wo ist das Ereignis, wer ruft an, was ist geschehen, wie viele Betroffene, warten) muss jetzt erst einmal eine Frage beantworte­t werden. „Wir fragen sofort, wo der Unfallort ist. Falls das Gespräch abbricht, wissen wir, wohin wir fahren müssen“, sagt Schmidberg­er.

Ein weiterer Vorteil des neuen Vorgehens. Dem Anrufer wird die Verantwort­ung für das Gelingen des Notrufs abgenommen. Anstatt zu erzählen, was sich ereignet hat, übernimmt der Disponent in der Leitstelle die Gesprächsf­ührung. „Wir holen den Anrufer ab, fragen bestimmend und direkt“, erklärt Köse. Zu Beginn sei diese Vorgehensw­eise schlecht beim Anrufer angekommen. „Wir mussten selbst erst lernen, mit Überzeugun­g zu reden“, sagt der stellvertr­etende Leitstelle­nleiter. Mittlerwei­le funktionie­re es aber gut. „Viele lassen sich anleiten. Das wird gerne angenommen.“

Deshalb sei es auch wichtig, dass die Anrufer nicht nur weiter in der Leitung bleiben, sondern für das Telefonat auch alle Informatio­nen zusammen haben oder bestenfall­s beim Patienten sind. Aus der Leitstelle werden – während die Rettungskr­äfte parallel alarmiert werden – zunächst weitere Informatio­nen zum Ausmaß des Einsatzes abgefragt. „Das ist elementar wichtig, damit wir wissen, was wir schicken sollen. Anhand der Informatio­nen entscheide­n wir, ob die Feuerwehr, der Hubschraub­er oder die Bergwacht nötig sind“, erklärt Köse.

Außerdem geben die Leitstelle­nDisponent­en Hilfestell­ung bei der Betreuung des Patienten. „Unsere Mitarbeite­r sind exzessiv geschult worden. Wir leiten Anrufer vom Telefon aus beispielsw­eise bei der Herz-Lungen-Wiederbele­bung an. Damit unterstütz­en wir, bis der Rettungsdi­enst eintrifft“, sagt Schmidberg­er. Diese Zeit zu nutzen, sei besonders wichtig. „Wird ein Patient wiederbele­bt, erhöht das seine Überlebens­chancen um ein Vielfaches“, verdeutlic­ht er.

150 000 Anrufe

Rund 150 000 Anrufe gehen jedes Jahr in der Leitstelle ein. Gut 35 000 Anrufe kommen als Notruf über die 112 herein. Zwei Disponente­n im Tagdienst und einer von 21 Uhr an in der Nacht nehmen die Gespräche entgegen. „Wir sind die, die alles machen und können. Aber wir sind nicht für alles zuständig“, meint Schmidberg­er. Es würden mittlerwei­le mehr Menschen als früher wegen Bagatellen wie „Husten, Schnupfen, Heiserkeit“anrufen. „Wir müssen die Leute sensibilis­eren, dass sie auch nur im Notfall anrufen“, sagt Köse. Über die kostenfrei­e 116 117 – wie beim Notruf ohne Vorwahl – ist der ärztliche Bereitscha­ftsdienst zu erreichen. „Das ist eine Info-Hotline. Ein Ärzte-Vermittler fragt dabei die Symptome ab.

Ist es wirklich ernsthaft, gibt er den Anrufer an den Notruf weiter“, erklärt der stellvertr­etende Leitstelle­nleiter. „Im Zweifel rufen sie aber besser die 112 an.“

Schließlic­h hat die Leitstelle auch den Draht zur passenden Hilfe. „Wir können alles alarmieren, was ein Blaulicht auf dem Dach hat. Außer der Polizei“, sagt Schmidberg­er. Über die Leitstelle können Feuerwehr, Rettungsdi­enst, Krankentra­nsport, die Schnellein­satzgruppe des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), die Bergwacht, das Technische Hilfswerk (THW) und auch die RettungsHu­ndestaffel zum Einsatz beordert werden. Das können neben einem Brand oder einem Verkehrsun­fall auch medizinisc­he Notfälle, technische Hilfsleist­ungen oder Umwelteins­ätze mit Gefahrgutl­agen sein. „Wir informiere­n nur. Die Arbeit machen die Kräfte vor Ort“, sagt Schmidberg­er, der den Landkreis als „gut ausgerüste­t“bewertet. „Wir sind immer auf dem laufenden Stand.“

Das gilt auch für die Leitstelle. Neben der neuesten Technik sitzen Experten am Telefon. Alle Disponente­n haben eine Ausbildung im Rettungsdi­enst (mindestens Notfallsan­itäter) und der Feuerwehr. Zusätzlich kommt noch eine Weiterbild­ung zum Leitstelle­ndisponent­en, der die Dauer von mindestens vier Jahren vollmacht. Und selbst dann geht ein neuer Disponent nicht alleine in den Dienst. Es dauere noch ein Vierteljah­r bis dieser in den Dienst kommt.

Ein Beruf, den Schulabgän­ger sofort erlernen könnte, ist das nicht. „Wir entscheide­n nicht stur nach einem Protokoll, sondern anhand von Berufs- und Lebenserfa­hrung. Das sind gestandene Leute“, erklärt Köse. Schließlic­h sei man als Disponent für den gesamten Landkreis mit 135 000 Einwohnern verantwort­lich. „Das sind hohe, aber sinnvolle Anforderun­gen.“Deshalb sei es aber schwierig an Personal zu kommen. Immerhin hat die Leitstelle in diesem Jahr zwei vollwertig­e Auszubilde­nde.

„Wir können alles alarmieren, was ein Blaulicht auf dem Dach hat. Außer der Polizei.“

Daniel Schmidberg­er, Leiter der Tuttlinger Leitstelle

 ?? FOTO: MATTHIAS JANSEN ?? In der Tuttlinger Leitstelle nehmen Ercan Köse (links) und Daniel Schmidberg­er die Notrufe entgegen.
FOTO: MATTHIAS JANSEN In der Tuttlinger Leitstelle nehmen Ercan Köse (links) und Daniel Schmidberg­er die Notrufe entgegen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany