Beim Notruf sind die Antworten entscheidend
Leitstelle in Tuttlingen nimmt pro Jahr 35 000 Notrufe an – Anrufer muss sich leiten lassen
- 1-1-2: Diese Telefonnummer rettet Leben. Wenn der Anruf richtig abgesetzt wird. „Mit dem Notruf steht und fällt der Erfolg des Einsatzes. Wenn die Informationen gut sind, können wir die richtige Hilfe schicken“, sagt Daniel Schmidberger, Leiter der Tuttlinger Leitstelle, zum europäischen Tag des Notrufs am 11. Februar.
Die Einsatzkräfte bei einem Unfall alarmieren, das kann eigentlich jeder. „Sogar Kinder bekommen es hin“, erklärt Ercan Köse, stellvertretender Leitstellenleiter. Anstatt wie früher fünf W-Fragen (Wo ist das Ereignis, wer ruft an, was ist geschehen, wie viele Betroffene, warten) muss jetzt erst einmal eine Frage beantwortet werden. „Wir fragen sofort, wo der Unfallort ist. Falls das Gespräch abbricht, wissen wir, wohin wir fahren müssen“, sagt Schmidberger.
Ein weiterer Vorteil des neuen Vorgehens. Dem Anrufer wird die Verantwortung für das Gelingen des Notrufs abgenommen. Anstatt zu erzählen, was sich ereignet hat, übernimmt der Disponent in der Leitstelle die Gesprächsführung. „Wir holen den Anrufer ab, fragen bestimmend und direkt“, erklärt Köse. Zu Beginn sei diese Vorgehensweise schlecht beim Anrufer angekommen. „Wir mussten selbst erst lernen, mit Überzeugung zu reden“, sagt der stellvertretende Leitstellenleiter. Mittlerweile funktioniere es aber gut. „Viele lassen sich anleiten. Das wird gerne angenommen.“
Deshalb sei es auch wichtig, dass die Anrufer nicht nur weiter in der Leitung bleiben, sondern für das Telefonat auch alle Informationen zusammen haben oder bestenfalls beim Patienten sind. Aus der Leitstelle werden – während die Rettungskräfte parallel alarmiert werden – zunächst weitere Informationen zum Ausmaß des Einsatzes abgefragt. „Das ist elementar wichtig, damit wir wissen, was wir schicken sollen. Anhand der Informationen entscheiden wir, ob die Feuerwehr, der Hubschrauber oder die Bergwacht nötig sind“, erklärt Köse.
Außerdem geben die LeitstellenDisponenten Hilfestellung bei der Betreuung des Patienten. „Unsere Mitarbeiter sind exzessiv geschult worden. Wir leiten Anrufer vom Telefon aus beispielsweise bei der Herz-Lungen-Wiederbelebung an. Damit unterstützen wir, bis der Rettungsdienst eintrifft“, sagt Schmidberger. Diese Zeit zu nutzen, sei besonders wichtig. „Wird ein Patient wiederbelebt, erhöht das seine Überlebenschancen um ein Vielfaches“, verdeutlicht er.
150 000 Anrufe
Rund 150 000 Anrufe gehen jedes Jahr in der Leitstelle ein. Gut 35 000 Anrufe kommen als Notruf über die 112 herein. Zwei Disponenten im Tagdienst und einer von 21 Uhr an in der Nacht nehmen die Gespräche entgegen. „Wir sind die, die alles machen und können. Aber wir sind nicht für alles zuständig“, meint Schmidberger. Es würden mittlerweile mehr Menschen als früher wegen Bagatellen wie „Husten, Schnupfen, Heiserkeit“anrufen. „Wir müssen die Leute sensibiliseren, dass sie auch nur im Notfall anrufen“, sagt Köse. Über die kostenfreie 116 117 – wie beim Notruf ohne Vorwahl – ist der ärztliche Bereitschaftsdienst zu erreichen. „Das ist eine Info-Hotline. Ein Ärzte-Vermittler fragt dabei die Symptome ab.
Ist es wirklich ernsthaft, gibt er den Anrufer an den Notruf weiter“, erklärt der stellvertretende Leitstellenleiter. „Im Zweifel rufen sie aber besser die 112 an.“
Schließlich hat die Leitstelle auch den Draht zur passenden Hilfe. „Wir können alles alarmieren, was ein Blaulicht auf dem Dach hat. Außer der Polizei“, sagt Schmidberger. Über die Leitstelle können Feuerwehr, Rettungsdienst, Krankentransport, die Schnelleinsatzgruppe des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), die Bergwacht, das Technische Hilfswerk (THW) und auch die RettungsHundestaffel zum Einsatz beordert werden. Das können neben einem Brand oder einem Verkehrsunfall auch medizinische Notfälle, technische Hilfsleistungen oder Umwelteinsätze mit Gefahrgutlagen sein. „Wir informieren nur. Die Arbeit machen die Kräfte vor Ort“, sagt Schmidberger, der den Landkreis als „gut ausgerüstet“bewertet. „Wir sind immer auf dem laufenden Stand.“
Das gilt auch für die Leitstelle. Neben der neuesten Technik sitzen Experten am Telefon. Alle Disponenten haben eine Ausbildung im Rettungsdienst (mindestens Notfallsanitäter) und der Feuerwehr. Zusätzlich kommt noch eine Weiterbildung zum Leitstellendisponenten, der die Dauer von mindestens vier Jahren vollmacht. Und selbst dann geht ein neuer Disponent nicht alleine in den Dienst. Es dauere noch ein Vierteljahr bis dieser in den Dienst kommt.
Ein Beruf, den Schulabgänger sofort erlernen könnte, ist das nicht. „Wir entscheiden nicht stur nach einem Protokoll, sondern anhand von Berufs- und Lebenserfahrung. Das sind gestandene Leute“, erklärt Köse. Schließlich sei man als Disponent für den gesamten Landkreis mit 135 000 Einwohnern verantwortlich. „Das sind hohe, aber sinnvolle Anforderungen.“Deshalb sei es aber schwierig an Personal zu kommen. Immerhin hat die Leitstelle in diesem Jahr zwei vollwertige Auszubildende.
„Wir können alles alarmieren, was ein Blaulicht auf dem Dach hat. Außer der Polizei.“
Daniel Schmidberger, Leiter der Tuttlinger Leitstelle