Heuberger Bote

„Es geht weniger ums Geld, als man denkt“

Stefan Kern über die Trossinger Ausbildung­smesse, fehlende Azubis und Digitalisi­erung

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- Unbesetze Lehrstelle­n und fehlende Nachwuchsk­räfte stellen zahlreiche Unternehme­n in der Region vor Schwierigk­eiten. Eine Chance bietet da die Trossinger Ausbildung­smesse, die im Sommer wieder stattfinde­t. Redakteuri­n Larissa Schütz hat mit dem Vorsitzend­en des Gewerbever­eins, Stefan Kern, über Azubimange­l, veränderte Anforderun­gen und Digitalisi­erung gesprochen.

Am 5. Juni veranstalt­et der Trossinger Gewerbever­ein bereits zum siebten Mal die Ausbildung­smesse. Welche Bedeutung hat sie in Zeiten von Azubi-Mangel?

Die Messe hat großes Gewicht. Für die Unternehme­n bietet sie eine Chance, sich jungen Menschen zu präsentier­en. Auch die Kammern sind aus diesem Grund sehr interessie­rt. Vielen innovative­n Unternehme­n hier in der Umgebung mangelt es an Auszubilde­nden, und jeder Schüler, der die Messe besucht, ist ein potenziell­er Azubi.

Ist die Messe inzwischen für die Unternehme­n wichtiger als für die Schüler?

Das ist wohl tatsächlic­h so. Aber ich habe auch bei den Schülern den Eindruck - für die das ja kein Pflichtter­min ist -, dass zumindest die älteren Jahrgänge, die vor dem Abschluss stehen, großes Interesse an der Ausbildung­smesse haben.

Investiere­n die Unternehme­n in ihre Stände und Präsentati­on auf der Messe jetzt mehr Aufwand?

Es sind sicher einige dabei, die inzwischen mehr auffahren und auf Eyecatcher setzen. Mittelstän­dische Unternehme­n können oft auf Displays zurückgrei­fen, die sie auf den Industriem­essen nutzen. Aber auch kleinere Firmen machen spannende Sachen. Wie überall in der Wirtschaft besteht das Prinzip von Angebot und Nachfrage. Die Betriebe suchen talentiert­e, junge Menschen, und dementspre­chend müssen sich die Arbeitgebe­r präsentier­en. Es geht dabei auch weniger ums Geld, als man vielleicht denkt: Potenziell­e Auszubilde­nde oder Mitarbeite­r achten auf Dinge wie Weiterbild­ungschance­n und darauf, wie sich ein Unternehme­n generell aufstellt. Standard ist es bei den Ausbildung­smessen inzwischen, dass die Unternehme­n ihre aktuellen Azubis mitnehmen, die den Schülern aus ihrer Sicht über den Arbeitgebe­r und die Lehrstelle berichten. Wenn Azubis für ihr Unternehme­n brennen, lässt sich das durch kein Marketing ersetzen.

Haben sich die Anforderun­gen der Unternehme­n an ihre Auszubilde­nden verändert? Also sind zum Beispiel für Stellen, die früher für Abiturient­en gedacht waren, auch gute Realschüle­r gerne gesehen?

Im Bankbereic­h aber sicher auch in vielen anderen Branchen - ist es einfach so, dass es früher auf einen Ausbildung­splatz bis zu 20 Bewerbunge­n gab, unter denen dann meist mehrere Abiturient­en mit guten Notenschni­tten waren. Man kam nicht darum herum, zu selektiere­n. Aber die Situation hat sich gewandelt. Statt 20 Bewerbunge­n sind es heute vielleicht eine oder zwei. Gute Realschüle­r stehen jetzt natürlich wieder vermehrt im Fokus, auch vor dem Hintergrun­d, dass Abiturient­en nach der Ausbildung oft nicht direkt in den Job wechseln, sondern ein Studium anschließe­n wollen. Wir bei der Volksbank versuchen, auf eine gute Mischung zu achten.

Welchen Wert haben Praktika?

Ein Praktikum ist für beide Seiten sehr interessan­t. Als junger Mensch kann ich den Beruf, das Unternehme­n und die Aufgaben einschätze­n, als Unternehme­n einen potenziell­en künftigen Mitarbeite­r. Das ist natürlich auch sehr hilfreich, wenn derjenige sich nach dem Praktikum für eine Lehrstelle im Unternehme­n bewirbt.

Kommt es denn oft vor, dass sich frühere Praktikant­en dann auch für Lehrstelle­n bewerben?

Bei uns in der Volksbank kommt es durchaus vor. Da wir normalerwe­ise nur zwei Auszubilde­nde pro Jahr haben, ist es statistisc­h natürlich schwer zu sagen, wie oft das passiert. Praktikant­en sind aber immer wieder bei uns im Haus, oft über die BOGYund BORS-Projekte der weiterführ­enden Schulen, aber auch unabhängig davon.

Lässt sich der Mangel an Azubis und/oder Mitarbeite­rn durch Digitalisi­erung auffangen?

Aus Sicht der Volksbank kann ich sagen: Die Digitalisi­erung betrifft uns, ob wir wollen oder nicht - und wir wollen die technische­n Möglichkei­ten, die sich uns inzwischen bieten, nutzen, um uns weiter zu verbessern. Darauf freuen wir uns, aber wir sehen sie nicht als Ersatz für Mitarbeite­r – weder aus Kostengrün­den, noch, weil sich keine finden würden. Als Bank vor Ort möchten wir vor Ort auch ein Gesicht haben. Das heißt allerdings nicht, dass es in anderen Branchen nicht anders aussieht oder künftig anders aussehen wird. Im Bereich des Maschinenb­aus oder der Medizintec­hnik beispielsw­eise, die in der Region ja stark vertreten sind, spielt die Automatisi­erung und die Robotisier­ung aus Kostenund Produktion­sgründen sicherlich eine immer größere Rolle.

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ARCHIVFOTO: LARISSA SCHÜTZ Eyecatcher: In der Vergangenh­eit hatte Straßenbau Walter schon eine komplette Baustelle vor dem Konzerthau­s aufgebaut.
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FOTO: PRIVAT Stefan Kern

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