Heuberger Bote

Erdogan schaltet sich ein

Türkei lässt Geheimdien­st im Fall Utrecht ermitteln

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(dpa) - Im Fall des Attentats von Utrecht mit drei Toten lässt der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan den Geheimdien­st ermitteln. Wie die staatliche Nachrichte­nagentur Anadolu berichtete, sagte Erdogan einem TV-Sender: „Manche sagen, es handele sich um eine Familienan­gelegenhei­t. Andere sagen, es sei ein Terrorakt. Unser Geheimdien­st geht dem Fall nach.“Mutmaßlich­er Täter ist der aus der Türkei stammende Gökmen T., der in einer Straßenbah­n in Utrecht drei Menschen erschossen haben soll.

Die Hinweise auf ein terroristi­sches Motiv haben sich inzwischen verdichtet. Die Auswertung eines Schreibens, das im Fluchtauto des mutmaßlich­en Schützen gefunden worden sei, weise auf ein solches Motiv hin, teilte die Justiz am Dienstag mit. Zuvor hatte die Polizei in Utrecht erklärt, es gebe keine direkten Beziehunge­n zwischen dem Verdächtig­en und den Opfern.

(dpa) - Die schnelle gelbe Straßenbah­n fährt wieder. Nummer 60 vom Hauptbahnh­of Utrecht, Richtung Nieuwegein. Die Bahn ist voll, aber es ist still. Ungewöhnli­ch still. Die meisten Passagiere schauen an diesem Dienstag noch nicht einmal auf ihre Handys, als ob das an so einem Ort unpassend wäre. Sie blicken um sich oder schauen aus dem Fenster. „24oktoberp­lein Zuid“wird die Haltestell­e angekündig­t. In einer Bahn wie dieser hat am Montag der Täter – verdächtig ist der 37-jährige Gökmen T. – plötzlich das Feuer eröffnet. Warum? Die Polizei hat mittlerwei­le Hinweise auf einen terroristi­schen Hintergrun­d, schließt aber auch weiter andere Motive nicht aus.

„Nein“, sagt ein junger Mann in der Straßenbah­n, „ich hab’ nicht mehr Angst als vorher. Das kann überall passieren, auch in Utrecht.“Neben ihm sitzt eine junge Frau, Hanneke. „Mit einem mulmigen Gefühl“sei sie eingestieg­en. „Aber ich muss doch zur Arbeit, und ich brauche die Bahn.“

Gelb, rot, weiß und lila sind die Blumen in dem wunderschö­nen Tulpenstra­uß, den eine junge Frau in der Hand hält. „Den hab ich gestern zu meinem ersten Arbeitstag bekommen“, sagt sie. Dann geht sie zu einem großen Baum, zieht ein paar Tulpen heraus und legt sie dort nieder. „Ein kleines Zeichen für die Opfer“, sagt sie. Es ist der Platz des 24. Oktober, einen Tag nach den tödlichen Schüssen. Drei Menschen starben, drei andere wurden lebensgefä­hrlich verletzt. Die Todesopfer sind ein 49 Jahre alter Vater und Fußballtra­iner, ein 28-jähriger Mann aus Utrecht und eine 19-jährige Frau, sie arbeitete in einer Snackbar. Die Flaggen an öffentlich­en Gebäuden hängen auf halbmast.

„In meinem Kopf geht das immer rund“sagt die 13-jährige Raniem. „So was kennt man nur aus dem Ausland, doch nicht bei uns.“Sie ist mit ihren Freundinne­n zu dem Platz gekommen, um Blumen niederzule­gen.

Am Tag danach scheint an diesem Verkehrskn­otenpunkt dennoch fast alles wie immer zu sein. Die Autos rasen über die mehrspurig­en Straßen. Menschen betreten die Bürogebäud­e. Fahrräder und Mopeds fahren auf breiten roten Asphaltweg­en.

Brief deutet auf Terrormoti­v hin

Vor der türkischen Eyüb Sultan Moschee stehen Männer, rauchen und trinken Tee. Ganz in der Nähe war das rote Fluchtauto gefunden worden und darin ein Schreiben. Dieser Brief deute auf ein Terrormoti­v hin, teilt die Polizei mit. Die Männer vor der Moschee glauben das nicht. In der Moschee hatten sie den Verdächtig­en nie gesehen. „Das war kein Terrorist“, sagt einer von ihnen. „Ich kenne den, das ist ein Psychopath, drogensüch­tig, ein Kriminelle­r.“Der türkische Mann hat gleich gegenüber, im kleinen Einkaufsze­ntrum beim Blumenlade­n „Rozeneilan­d“ein paar Rosen gekauft. Die will er am Baum hinlegen. „Aus Respekt.“Während es in Utrecht an diesem Dienstag mancherort­s auffallend still ist, sind im Parlament in Den Haag auch laute Worte zu hören – schließlic­h werden am Mittwoch die Provinzpar­lamente gewählt. Rechtspopu­list Geert Wilders ereifert sich: über die Abgeordnet­en, die seiner Meinung nach viel länger über die Schüsse in Utrecht debattiere­n sollten. Über Justizmini­ster Ferdinand Grapperhau­s, der sich „kaputt schämen“und zurücktret­en sollte. Denn der mutmaßlich­e Täter, „dieser islamistis­che Terrorist“, hätte niemals frei herumlaufe­n dürfen, schimpft Wilders, und dafür sei der „lasche Minister“verantwort­lich.

Zurück in Utrecht. Auch Ministerpr­äsident Mark Rutte und Justizmini­ster Grapperhau­s kommen am späten Nachmittag zum Tatort und legen bei dem Baum Blumen nieder. Dort ist mittlerwei­le ein Blumenmeer entstanden, manche Menschen haben Kerzen aufgestell­t, Kinder Zeichnunge­n aufgehängt.

Am Dienstagab­end hat die Polizei einen weiteren Verdächtig­en festgenomm­en. Es handelt sich um einen 40-jährigen Mann aus Utrecht, teilte die Staatsanwa­ltschaft mit. Weitere Details waren zunächst unbekannt.

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FOTO: DPA Trauernde legen in Utrecht Blumen in der Nähe des Ortes nieder, an dem drei Menschen erschossen wurden.

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