Heuberger Bote

Hier verschmäht, dort Volksheld

Fußballer Özil erfährt in Türkei Zuspruch – Steinmeier als Trauzeuge vorgeschla­gen

- Von Thomas Seibert

- Bundespräs­ident FrankWalte­r Steinmeier sollte gemeinsam mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan als Trauzeuge an der Hochzeit des türkischst­ämmigen deutschen Fußballers Mesut Özil teilnehmen: Das schlägt der türkische Politiker Mustafa Yeneroglu vor. „Ich fände es schön, wenn sowohl der türkische als auch der deutsche Präsident Seite an Seite als Trauzeugen die deutsch-türkische Verbundenh­eit mitbezeuge­n würden“, sagte Yeneroglu am Dienstag der „Schwäbisch­en Zeitung“. In Deutschlan­d ist Özil in die Kritik geraten, weil er Erdogan im Sommer als Trauzeuge bei seiner Hochzeit mit seiner Verlobten Amine Gülse dabei haben will. In der Türkei erfährt Özil viel Unterstütz­ung.

Yeneroglu, der in Köln aufgewachs­en ist, befasst sich als Politiker der Erdogan-Partei AKP besonders intensiv mit den deutsch-türkischen Beziehunge­n. „Die weitverbre­itete Annahme, Deutsch-Türken seien hin- und hergerisse­n zwischen dem Herkunftsl­and der Eltern einerseits und dem Land, in dem sie aufgewachs­en sind, halte ich für sehr verkürzt und daher verzerrend“, sagte er. „Pluralisti­sche Identitäte­n“wie die von Özil würden von vielen Politikern als Gefahr aufgefasst, doch er halte diese Sichtweise für überholt. „Die Gesellscha­ft ist heterogen und weiter als der Blick vieler Politiker, ob in Deutschlan­d oder in der Türkei.“Vergangene Woche hatten sich Özil und Gülse mit Erdogan am Istanbuler Flughafen getroffen. Der Staatspräs­ident habe mit dem Paar über das Leben in Großbritan­nien geplaudert, meldeten türkische Medien. Bei der Begegnung lud Özil den Präsidente­n ein, als Trauzeuge bei seiner Hochzeit mit Gülse dabei zu sein. In Deutschlan­d löste die Einladung neue Empörung aus.

Lob für Özils „Patriotism­us“

Im vergangene­n Jahr war Özil wegen eines Treffens mit Erdogan vor der Weltmeiste­rschaft in Russland kritisiert worden. Der Fototermin mit dem türkischen Staatschef wurde Özil als Zeichen einer angeblich mangelnden Loyalität zu Deutschlan­d ausgelegt. Nach der missglückt­en WM erklärte Özil seinen Rücktritt aus dem deutschen Team. Damals stellte sich Erdogan hinter den Spieler und würdigte Özils Rücktritt aus dem deutschen Team als „patriotisc­h“. Den Deutschen warf der türkische Staatspräs­ident damals eine „rassistisc­he Haltung“vor.

Während sich die Deutschen erneut über Mesut Özil aufregen, ist er am Bosporus für manche ein Held. Die regierungs­nahe Zeitung „Sabah“verlieh Özil den Titel „Cesur Yürek“– so hieß in der Türkei der Mel-Gibson-Reißer „Braveheart“über den Widerstand der Schotten gegen die Engländer. Andere Medien begleitete­n Özil beim Einkaufen mit seiner Verlobten in Istanbul.

Auch in den sozialen Medien wird Özil gelobt. „Bravo, Özil!“, schrieb ein türkischer Twitter-Nutzer. Özil habe den Deutschen gezeigt, dass sie weder ihn selbst noch andere Türken in der Bundesrepu­blik nach ihren Wünschen „formatiere­n“könnten, hieß es in einem anderen Kommentar.

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FOTO: UNCREDITED/POOL PRESIDENTI­AL PRESS SERVICE/DPA Mesut Özil und seine Verlobte Amine Gülse beim Überreiche­n der Einladung zu ihrer Hochzeit an den türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan.

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