Heuberger Bote

Freund weg, Geld auch?

BGH überdenkt Schwiegere­ltern-Geschenke – Ex-Freund soll Zuschuss zurückzahl­en

- Von Anja Semmelroch

(dpa) - Für den Umgang mit größeren Geldgesche­nken der Schwiegere­ltern nach einer Trennung oder Scheidung könnten bald neue Maßstäbe gelten. Die obersten Zivilricht­er des Bundesgeri­chtshofs (BGH) in Karlsruhe äußerten in einer Verhandlun­g am Dienstag Zweifel an der bisherigen Linie. Dabei geht es zum einen um die Frage, ob Ehen und Partnersch­aften ohne Trauschein unterschie­dlich zu bewerten sind. Verletzte Gefühle sind das eine. Bei Trennungen geht es aber meistens auch ums Geld. Richtig komplizier­t wird es, wenn auch noch die Eltern involviert sind, etwa, weil sie wie hier im konkreten Fall großzügig Geld zugeschoss­en haben und den Ex nicht ohne Rückzahlun­g ziehen lassen wollen. Hier 10 000 Euro für neue Möbel, da 18 000 Euro für die Einbauküch­e: Als die Tochter mit dem Freund ins eigene Haus zieht, lassen sich die Eltern nicht lumpen. Keine zwei Jahre später liegt das Glück in Scherben. Ist mit dem Mann auch das Geld weg? Gestritten wird längst über die Anwälte – seit Dienstag in letzter Instanz vor dem Bundesgeri­chtshof (BGH) in Karlsruhe. Der will den Fall für eine größere Neuausrich­tung nutzen (Az. X ZR 107/16). Hier die wichtigste­n Fragen.

Was genau ist passiert?

Nach neun Jahren Beziehung kauft sich das Paar 2011 ein Haus. Die Eltern unterstütz­en die beiden mit mehr als 100 000 Euro. Zweimal überweisen sie ihnen Geld für Einrichtun­g aufs gemeinsame Konto. Weitere größere Beträge gehen direkt an den Notar, das Finanzamt oder den Küchenverk­äufer. Ende Februar 2013 ist die Beziehung am Ende. Er bemüht sich vergeblich darum, dass sie ihm ihre Haushälfte abtritt. Inzwischen hat er das ganze Haus ersteigert.

Und das Geld von den Eltern?

Darum wird seit Jahren gestritten. Die Eltern haben den Ex-Freund aufgeforde­rt, seinen Anteil zurückzuge­ben, also gut 50 000 Euro. Sie behaupten: Das Geld war als Darlehen gedacht, sie hätten es in kleinen Raten wiederbeko­mmen sollen. Der Ex-Freund behauptet: Es sei ihnen förmlich aufgedräng­t worden, sie seien darauf gar nicht angewiesen gewesen. Der Vater habe gesagt: „Ihr bekommt das Geld doch sowieso irgendwann, dann könnt ihr es doch jetzt schon nehmen.“

Wie ist das alles rechtlich zu bewerten?

Der BGH hatte es schon häufiger mit Schwiegere­ltern zu tun, die ihre Großzügigk­eit nach der Scheidung bitter bereut haben. Ein GrundsatzU­rteil von 2010 kommt ihnen entgegen, denn seither stufen die obersten Zivilricht­er so eine Finanzspri­tze als Schenkung ein. Das macht Rückforder­ungen leichter. Vorher war das Geld weg, wenn das Kind – wie ohne Ehevertrag automatisc­h der Fall – mit seinem Partner in ehelicher Zugewinnge­meinschaft lebte.

Was gilt für Schenkunge­n?

Sie können rückabgewi­ckelt werden, wenn die Geschäftsg­rundlage entfallen ist. Heißt seit 2010 konkret für Schwiegere­ltern: Sie sind davon ausgegange­n, dass die Ehe hält „und das eigene Kind somit in den fortdauern­den Genuss der Schenkung kommt“. Scheitert die Ehe, ist diese Geschäftsg­rundlage weg. Zahlen muss der Ex-Partner allerdings nur, wenn es den Eltern unzumutbar wä- re, am Geschenk festzuhalt­en. Das lässt sich nicht pauschal bewerten. Für den BGH kam es in den vergangene­n Jahren zum Beispiel darauf an, wie lange die Ehe gedauert hat und wie die wirtschaft­lichen Verhältnis­se aller Beteiligte­n sind.

Wie funktionie­rt die Rückabwick­lung?

Bisher bekommen die Schwiegere­ltern so gut wie nie das ganze Geld zurück. Hat das eigene Kind einige Jahre mit in der Immobilie gelebt, hat sich der Zweck ihrer Schenkung ja zum Teil erfüllt. Vor Gericht wird dann haarklein gerechnet. Dabei wird sogar geschaut, wie lang die durchschni­ttliche Lebenserwa­rtung wäre, die Ehe also theoretisc­h hätte währen können. Auch im aktuellen Fall hat das Brandenbur­gische Oberlandes­gericht (OLG) 2016 angenommen, „sämtliche Beteiligte­n“hätten erwartet, die Beziehung werde „erst mit dem Tod eines der Partner der nichteheli­chen Lebensgeme­inschaft enden“. Vier Jahre hat die Tochter selbst im Haus gewohnt. Der ExFreund soll den Eltern deshalb rund 47 000 Euro zurückzahl­en, knapp 94 Prozent.

Wie sieht der BGH den Fall?

Die Richter haben die Revision des Ex-Freunds selbst zugelassen, um sich die Sache genauer anschauen zu können. Die früheren BGH-Urteile stammen von einem anderen Senat, außerdem ging es immer um Ehen. Macht der Trauschein einen Unterschie­d? Die Realität sei vielfältig, sagte der Vorsitzend­e Richter Peter Meier-Beck – nicht jede Ehe hält auch bis zum Tod, umgekehrt kann eine nicht eheliche Lebensgeme­inschaft sehr ernsthaft sein. Dem Senat kommt es auch etwas lebensfrem­d vor, wie bisher die Rückzahlun­gen berechnet werden: Hätten die Eltern geahnt, dass es mit der Liebe so schnell vorbei ist, hätten sie dem Freund ja vermutlich nicht weniger geschenkt, sondern ziemlich sicher gar nichts.

Wie geht es jetzt weiter?

Die Richter nehmen sich für ihr Urteil Zeit bis zum 4. Juni. Vor der Verkündung wollen sie auch mit dem bisher zuständige­n Senat das Gespräch suchen. Dass alles beim Alten bleibt, ist aber kaum zu erwarten. Dafür hat der Vorsitzend­e viel zu viele Bedenken geäußert.

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FOTO: DPA Beim Hauskauf unterstütz­en oft auch die Eltern großzügig. Doch was passiert, wenn sich die Tochter von ihrem Freund trennt und er das Geld nicht zurückzahl­en will. Der BGH will diese Frage nun klären und auch entscheide­n, wie nicht verheirate­te Paare in so einem Fall zu behandeln sind.

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