Heuberger Bote

Pulp Fiction völlig abgedreht

Bela B. Felsenheim­er lässt in seinem Buchdebüt „Scharnow“jede Menge schräge Protagonis­ten auftreten

- Von Bernd Guido Weber

Die abgehängte­n kleinen Orte in Brandenbur­g haben ja so ihre Eigenheite­n. Julie Zeh hat diese ziemlich gnadenlos seziert, auch Dirk Albert Felsenheim­er hat ein solch imaginäres Dorf als Schauplatz gewählt. Für eine krude Mischung aus Pulp Fiction, Verschwöru­ngstheorie­n, Seelenwand­erungen, Suff, Trash und Splatter und Snuff. Weitgehend sinnfrei, aber unterhalts­am. Da geistern einem nach der Lektüre doch einige Szenen durch den Kopf.

Vermutlich hätte jeder Lektor dieses Buchdebüt ziemlich umstandslo­s in die Ablage P befördert. Doch der 57-jährige Felsenheim­er ist bekannt als Bela B. Er trommelt bei der Band „Ärzte“, singt, komponiert, verdingt sich als Schauspiel­er, Synchronsp­recher, hatte mal einen Verlag für Horror-Comics. Ist Fan von Quentin Tarantino, des FC St. Pauli und des CMovie-Regisseurs D’Amato. Ein klarer Fall für die Bestseller­listen, muss sich der Lektor gedacht haben. Und lag damit richtig – die schräge Posse stürmt die Charts, die Plätze bei den Lesungen sind begehrt.

Hardcore mit Empathie

Die Liste der auftretend­en Figuren ist lang: 57 Protagonis­ten. Es gibt die ominösen Weltenlenk­er, denen der „Pakt der besorgten Bürger“entgegenst­eht. Wir treffen auf eine fröhliche Transvesti­tin, auf zwei schwule Eichhörnch­en (die überhaupt keine Rolle spielen), auf den Fanta-Kornsaufen­den „Pakt der Glückliche­n“, auf ein Manga-Mädchen, einen in sie verliebten syrischen Flüchtling, den Gülle-Produzent und „Gülliardär“Felix, ebenfalls ein Verschwöru­ngstheoret­iker. Aufs liebe, alte „Omili“, auf einen Erotiktänz­er und, und, und. Bela B. breitet seine schrägen Einfälle genüsslich auf über 400 Seiten aus, wie in einem Drehbuch für einen abgespacte­n Comicfilm.

Einen Literaturp­reis wird der Autor für sein Debüt wohl nicht bekommen, auch die Schöngeist­er nicht erreichen. Egal, innig reflektier­ende Edelfedern gibt es ja reichlich in der Buchbranch­e. Felsenheim­er schreibt über seine Welt. Und die ist bunt, schräg, manchmal verstörend. Hardcore mit Empathie.

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FOTO: IMAGO Der Schlagzeug­er Bela B. Felsenheim­er hat jetzt ein Buch geschriebe­n.

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