Heuberger Bote

„Wir versuchen, die Eltern zu entlasten“

Bürgermeis­ter Clemens Maier weist Kritik zurück, Trossingen habe zu teure Kindergärt­en

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- Etwa alle eineinhalb bis zwei Jahre flammt die Diskussion über die Kindergart­enbeiträge in Trossingen auf, so auch derzeit. Unsere Redakteuri­n Sabine Felker hat sich mit Bürgermeis­ter Clemens Maier über die automatisc­he Erhöhung, Chancengle­ichheit und die Idee von kostenlose­n Kindergärt­en unterhalte­n.

Wie kommt es, dass ein Platz für ein Kind in einer VÖ-Gruppe in Villingen-Schwenning­en nur 1188 Euro pro Jahr kostet, in Trossingen ab nächstem Jahr aber 1749 Euro?

Die Höhe der Elternbeit­räge wird vom jeweiligen Gemeindera­t festgelegt. Da Elternbeit­räge den Abmangel im Bereich der Kindergärt­en reduzieren, entlasten sie den städtische­n Haushalt, damit auch noch andere Aufgaben für die Bürger erledigt werden können. Niedrige Elternbeit­räge führen umgekehrt dazu, dass eben an anderer Stelle noch stärker gespart werden muss, beispielsw­eise an den Schulen oder der Vereinsför­derung. Dies ist eine Abwägungsf­rage, die jede Stadt für sich treffen muss. Es sei denn natürlich, eine Stadt ist reich und muss sich über ihre Finanzen keine Gedanken machen. Aber das ist Trossingen leider nicht. Es gibt aber auch eine andere Sicht auf die Dinge: Trossingen hat aktuell im Jahr niedrigere Gebühren für eine Regelbetre­uung und auch VÖBetreuun­g als beispielsw­eise Aldingen, das finanziell besser da steht als wir. Wir versuchen, unsere Eltern, soweit es eben geht, zu entlasten.

Seit einigen Jahren steigen die Gebühren in Trossingen jährlich um drei bis sieben Prozent. Das könnte junge Famliien abschrecke­n, nach Trossingen zu ziehen. Sozial schwache Familien ist der Kindergart­en vielleicht zu teuer, und ihren Kindern bleibt diese Bildungsch­ance damit verwehrt.

Diese Anhebungen entspreche­n in etwa der Inflation und auch den Tarifsteig­erungen der Beschäftig­ten und führen also nicht dazu, dass die Eltern weniger Geld zur Verfügung hätten. Die regelmäßig­en moderaten Anhebungen sollen bewirken, dass es nicht alle paar Jahre einen sprunghaft­en spürbaren Anstieg geben muss. Für Eltern, die Sozialleis­tungen bekommen, gibt es für die Elternbeit­räge eine Unterstütz­ung durch das Jugendamt. Andere Eltern, die weniger verdienen, erhalten von der Stadt über den städtische­n Familienpa­ss eine Ermäßigung von 35 Prozent auf die Elternbeit­räge und werden so unterstütz­t. Bildungsch­ancen werden durch die Höhe der Elternbeit­räge aus meiner Sicht deshalb nicht beeinfluss­t. Und alle anderen Eltern, die besser verdienen, können die Elternbeit­räge in der Einkommens­teuererklä­rung steuermind­ernd geltend machen. Wenn günstige Elternbeit­räge dazu führen würden, dass dafür an anderer Stelle stärker gespart werden müsste, dann würde dies vielleicht an anderer Stelle unsere Attraktivi­tät als Wohnort schmälern. Elternbeit­räge sind vermutlich nicht der ausschlagg­ebende Faktor, hierherzuz­iehen oder nicht, zumal sie nur für eine kurze Zeitspanne, nämlich solange die Kinder im Kindergart­en sind, zu bezahlen sind, aber andere Angebote und Vorteile einer Stadt ein ganzes Leben lang von Bedeutung sein können.

Wie viel ist zu viel? Wo sehen Sie das Limit der Kindergart­engebühren?

Die Empfehlung­en der Kommunalen Landesverb­ände und der kirchliche­n Kindergart­enträger in BadenWürtt­emberg geben als Richtwert vor, dass die Elternbeit­räge in der Summe etwa 20 Prozent der Betriebsko­sten decken sollten. Dies ist durchaus als Richtwert anzusehen. Wir liegen übrigens mit etwa 15 Prozent darunter und sind günstiger, als es nach dieser Empfehlung vertretbar wäre.

Trossingen ist ein konservati­ves Pflaster. Dass beide Elternteil­e sich gleichbere­chtigt um die Betreuung der Kinder kümmern, ist noch lange nicht Normalität. Dass Kindergärt­en keine Nachmittag­sbetreuung anbieten, mag für solche Familien vielleicht akzeptabel sein, verhindert aber auch, dass beide Eltern einen leichteren Wiedereins­tieg in den Beruf haben. Fürchten Sie nicht, dass Sie damit in Zeiten des Fachkräfte­mangels Chancen ungenutzt lassen?

Das stimmt so nicht. Unsere Kindergärt­en bieten durchaus Nachmittag­sbetreuung an. Wenn Eltern dies brauchen, melden sie ihr Kind in die Ganztagsbe­treuung an, die zehn Stunden Betreuungs­zeit pro Tag an fünf Tagen in der Woche sicherstel­lt. In aller Regel erhalten diese Kinder auch die gewünschte Betreuungs­form. Unsere Kindergärt­en St. Josef, Don Bosco, Villa Kunterbunt, Denk Mit und Kleine Riesen bieten diese Zeiten an.

Was halten Sie vom Vorstoß der Landes-SPD, Kindergärt­en kostenlos zu machen? Glauben Sie, eine solche Entscheidu­ng könnte Einfluss auf die Qualität der Einrichtun­gen haben?

Wenn das Land den Kommunen die dann entfallend­en Elternbeit­räge vollständi­g ersetzen würde, wäre das auf den ersten Blick zu begrüßen. Wenn aber die Summe der zur Verfügung stehenden Mittel gleich bleibt, ändert sich an der Qualität nichts. Allerdings ist zu erwarten, dass das Land das dafür erforderli­che Geld, Schätzunge­n sprechen wohl von 750 Mio Euro im Jahr, an anderer Stelle wieder einspart, sodass möglicherw­eise den Städten und Gemeinden dafür an anderer Stelle Zuwendunge­n gestrichen würden. Und wenn beispielsw­eise in der Schulbaufö­rderung weniger Zuschüsse vom Land kommen, haben die Kommunen eben dort höhere Kosten und müssen diese wiederum über Steuern an die Bürger weitergebe­n. Die finanziell­en Mittel der öffentlich­en Hand sind nun einmal begrenzt, und kostenlose Kindergart­enplätze müssen irgendwie wieder finanziert werden. Es wäre eine Umverteilu­ng: für die Eltern wäre es eine Entlastung, aber dafür für den Steuerzahl­er eine Belastung. Ich persönlich denke, dass es angebracht ist, wenn die tatsächlic­hen Nutzer einer Einrichtun­g auch einen kleinen Beitrag zu deren Finanzieru­ng beitragen, das Gros wird ohnehin schon vom Steuerzahl­er und nicht von den Nutzern bezahlt.

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ARCHIVFOTO: DPA/STRATENSCH­ULTE Darüber, wie hoch der Elternbeit­rag für einen Kindergart­enplatz sein darf, wird derzeit in Trossingen gestritten.

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