Ausbildung erlebt eine Renaissance
Zahl der Lehrstellen ist angestiegen – Industrie, Dienstleister und Gastgewerbe profitieren
- Die Ausbildungsbörse in der Tuttlinger Stadthalle wird am Samstag und Sonntag, 6./7. April, gut besucht sein. Soviel steht – unabhängig von der Anzahl der Besucher – bereits fest. Mehr als 80 Unternehmen werden mit ihren Ständen um Lehrlinge werben. Mehr geht nicht. Und die Firmen dürften gut zu tun haben. Die Anzahl der Ausbildungsverhältnisse in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg steigt wieder an.
„Die Lehre bekommt eine Renaissance“, sagt Thomas Albiez, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwarzwald-Baar-Heuberg, im Gespräch mit unserer Zeitung. Zum 31. Dezember 2018 waren 2629 neue Ausbildungsverhältnisse eingetragen worden. Das bedeutet – mit Ausnahme des Jahres 2016 (2645 Lehranstellung) ein stetiges Plus seit 2014. Von nicht ganz 2500 Anstellungen (2014: 2497; 2015: 2477) wuchs die Zahl von 2545 (2017) auf den aktuellen Bestwert von 2629 Ausbildungsverhältnissen.
„Das geht gegen jeden Bundestrend“, freut sich Albiez über die Entwicklung, die er entscheidend auf einen Sinneswandel der Eltern zurückführt. Anders als in den vergangenen Jahren würden diese ihren Kindern eher zu einem soliden Einstieg in die Arbeitswelt anstatt eines Studiums raten. Laut des IHK-Hauptgeschäftsführers liege die Abbrecherquote bei einem technischen Studium bei 40 Prozent. Eine Lehre würden aber nur drei Prozent der jungen Frauen und Männer nicht zu Ende bringen. „Mit der Lehre haben die Eltern eine Planbarkeit und Sicherheit für die Kinder“, meint Albiez.
Zudem betont er, wären die Zukunftschancen bei einer Lehre auch nicht schlechter. Das Geld, das ein Facharbeitermeister seit Beginn seiner Lehrzeit bereits verdient habe, müsse ein Akademiker nach langen Jahren des Studiums erst einmal aufholen. Und diese Möglichkeit, meint der IHK-Hauptgeschäftsführer, stünde jedem Schulabgänger offen. Vom Hauptschüler bis zum EinserAbiturienten gebe es in der Ausbildung viele Angebote, die sich an der Einstiegsqualifizierung orientierten und Aufstiegsmöglichkeiten böten. „Die Lehre ist ein offener Bildungsweg“, sagt Albiez. Und dass die Zahlen im Bereich Schwarzwald-BaarHeuberg steigen würden, wäre eine Bestätigung für die Qualität der Ausbildung wie sie in den Betrieben und Berufschulen angeboten wird. „Für unsere duale Ausbildung sind wir weltweit anerkannt“, erklärt er.
Die Lehre stünde dabei in keiner Konkurrenz zum Studium. „Wir brauchen die Studierten, genauso wie die Fachkräfte“, sagt Albiez. Vielmehr sei die Hochschule Furtwangen mit den beiden Außenstellen in der Region – in VillingenSchwenningen und Tuttlingen – ein „Fachkräftemagnet. Mehr als 1000 Jugendliche kommen und bleiben deswegen in der Region“. Lob gibt es vom IHK-Hauptgeschäftsführer für die Umstellung der Studiengänge am Campus Tuttlingen. „Das geht in die richtige Richtung. Modelle, die das Studium mit der Ausbildung forcieren, können wir nur unterstützen.“
Der Hochschulstandort hatte sich dafür entschieden, ab dem Wintersemester 2019/20 ein sogenanntes Industriestudium anzubieten, das vorsieht, zusätzlich zum Hochschulabschluss eine Berufsausbildung zum Zerspanungsmechaniker zu erwerben – Gesellenprüfung inklusive.
Die Zunahme der Ausbildungsplätze spiegelt sich vor allem in der Industrie wieder (siehe Infokasten). Dort gab es von allen neuen Ausbildungsverhältnissen den deutlichsten Anstieg. Zuwächse verzeichnen auch die Branchen im Dienstleistungsbereich (mit Verkehr und Logistik) sowie dem Gastgewerbe. Im Bereich Handel, Banken und Versicherung sowie bei sonstigen Händlern gingen die Zahlen gegenüber dem Vorjahr zurück.
Wenig Resonanz von Schulen
Gerd Rettkowski, Organisator der Ausbildungsbörse, hat rund 30 Schulen im Kreis Tuttlingen Führungen durch die Ausbildungsbörse angeboten – und sich gewundert, dass das Interesse recht verhalten gewesen sei. Die Werkrealschule Schillerschule in Tuttlingen hat eine Gruppe angemeldet. Rektorin Monika Kirschnick weist aber darauf hin, dass der Termin der Börse für ihre Schüler etwas ungünstig liege, denn die absolvierten gerade ihre Berufspraktika.