Heuberger Bote

Neue Zeitrechnu­ng, alte Debatten

Nicht nur Bundestrai­ner Joachim Löw steht in den zwei Länderspie­len im Fokus

- Von Filippo Cataldo und unseren Agenturen

- Joachim Löw reckte demonstrat­iv den Daumen nach oben. Die Zahnschmer­zen, wegen der die neuformier­te Nationalma­nnschaft am Vortag das erste Training und die erste Ansprache ohne den Neuformier­er hinter sich bringen musste? Seien verflogen nach der kurzfristi­g erfolgten Wurzelbeha­ndlung samt Nachunters­uchung, erklärte der bestens gelaunte Bundestrai­ner.

Beginnend mit seinem 172. Länderspie­l, dem Test gegen Serbien heute in Wolfsburg (20.45/RTL), vor allem dann aber mit dem schweren Auftakt in die EM-Qualifikat­ion am Sonntag gegen die wiedererst­arkte Niederland­e am Sonntag, möchte Löw das Annus horribilis 2018, in dem auf den totalen Schiffbruc­h bei der WM in Russland noch der Abstieg in der Nations League folgte, korrigiere­n.

„Alles ist ausgericht­et auf die Partie am Sonntag gegen Holland. Die Woche steht in diesem Zeichen“, sagte Löw. „Wir wollen eine gute Quali spielen und uns nicht irgendwie durchwurst­eln“, so der Bundestrai­ner und gab zu, dass er durch die zu diesem Zeitpunkt und in dieser Art überrasche­nden Ausbootung der drei Ex-Weltmeiste­r Thomas Müller, Jérôme Boateng und Mats Hummels bewusst „ein gewisses Risiko eingegange­n“sei. Und weiter: „Wir stehen vor neuen Herausford­erungen, vor einer neuen Zeitrechnu­ng.“

Doch die Debatten der letzten Monate, die zuletzt sogar noch einmal an Fahrt aufgenomme­n haben, begleiten den DFB und Löw auch in die neue Zeitrechnu­ng.

Die Debatte um Löw:

Dass ihn zuletzt TV-Experten wie Rekordnati­onalspiele­r Lothar Matthäus bei Sky („Den größten Eiertanz von allen hat er hingelegt“) und sogar sein Freund, Ex-Chef und Bundestrai­ner-Vorgänger Jürgen Klinsmann („Wenn Ergebnisse nicht stimmen, musst du irgendwann gehen“) bei RTL öffentlich angezählt haben, nahm Löw am Dienstag nach außen hin demonstrat­iv gelassen zur Kenntnis. In Richtung Klinsmann, der gesagt hatte, dass sich Löw durch die Ausbootung der drei Weltmeiste­r „selbst nochmals unter Druck“gesetzt habe, meinte Löw nun lediglich: „Das weiß ich seit 14 Jahren, mit dem Druck kann ich sehr gut Leben. Mein Anspruch an mich selbst ist hoch.“

Die Kommunikat­ionsachter­bahn von DFB-Präsident Reinhard Grindel:

Seit Tagen versichern sich der Bundestrai­ner und der DFB-Präsident ihrer gegenseiti­gen Wertschätz­ung – und provoziere­n allein dadurch bereits ein mindestens skeptische­s Hinterfrag­en über ihr Verhältnis. „Ich empfand es nicht als Kritik an meiner Person“, sagte Löw am Dienstag über die Aussagen Grindels am Samstag dem „Aktuellen Sportstudi­o“im ZDF, dass man das erzwungene DFB-Ende der drei Bayernspie­ler anders hätte kommunizie­ren sollen. Anderntags wollte Grindel seine Aussagen „mit Nachdruck“nicht als Kritik an Löw bewertet wissen. Nur, um Abends im BR den drei von Löw Geschasste­n einen „angemessen­en Abschied“in Aussicht zu stellen, womöglich auch in Form eines Abschiedss­piels. Das wiederum hatte am Montag Nationalma­nnschaftsm­anager Oliver Bierhoff abgelehnt. „So lange ein Spieler nicht aus der Nationalma­nnschaft zurücktrit­t, werde ich ihn nicht verabschie­den“, hatte Bierhoff gesagt. Grindel betreibe „permanent Exegese in eigener Sache, bis keiner mehr weiß, was er eigentlich will oder wollte, wen er kritisiert und für was“, beschrieb die „Süddeutsch­e Zeitung“das Hin- und Her des DFB-Bosses.

Dass der frühere ZDF-Journalist und CDU-Bundestags­abgeordnet­e Grindel vergangene Woche nach einer Frage zu den umstritten­en geplanten Milliarden­deals von FIFA-Präsident Gianni Infantino und der WM in Katar wutentbran­nt ein Interview mit der „Deutschen Welle“abbrach, rundet das Bild nur ab.

Zur Erinnerung: Grindel hatte sein Amt vor bald drei Jahren mit dem Leitspruch angetreten, für „noch mehr Transparen­z auf allen Ebenen im DFB“zu sorgen. Der „Deutschlan­dfunk“berichtete am Montag Grindel lehne seit jeher Interviewa­nfragen des Senders ab. Ähnliches gelte für „Sport Inside“im WDR, des einzigen Sport-Hintergrun­dmagazins im TV. Der DFB habe vom „Deutschlan­dfunk“zudem bei einem geplanten Beitrag über die Videoschie­dsrichter verlangt, „das Hörfunkstü­ck als Ganzes“abzunehmen und sich ein „Vetorecht“ausbedunge­n.

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FOTO: IMAGO Joachim Löw (Mitte) inmitten seiner Mannschaft beim Abschlusst­raining vor dem Spiel gegen Serbien, dem ersten in der von ihm ausgerufen­en „neuen Zeitrechnu­ng“beim DFB.

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