Heuberger Bote

Kampf um den Kindertell­er

Kritik am Angebot für den Nachwuchs in Restaurant­s – Eltern wählen oft den Weg des geringsten Widerstand­es

- Von Michael Gabel

Viele Kinder gehen gerne mit den Eltern ins Restaurant, schließlic­h wird dort oftmals serviert, was es zu Hause oder in der Schule selten gibt: Schnitzel oder Chicken Nuggets mit Pommes oder auch Fischstäbc­hen mit Mayonnaise. Manchem Ernährungs­experten ist diese bei Kindern populäre Auswahl ein Ärgernis: zu viele Kalorien, zu wenig Nährstoffe – und das, obwohl viele deutsche Kinder übergewich­tig sind. Nun schaltet sich Ernährungs­ministerin Julia Klöckner ein. Die CDU-Politikeri­n will „jedes kleine Schräubche­n“drehen, um Übergewich­t bei den Kleinen zu bekämpfen, mehr Gemüse auf den Teller zu bekommen (Foto: imago) – und zugleich die Gastronome­n nicht zu vergrätzen. Sie lud zu einem Gipfel nach Berlin.

- Es ist das ewige Einerlei: Kinderesse­n in Restaurant­s erinnern oft nicht im Entferntes­ten an die vielfältig­en Gerichte auf der Erwachsene­nkarte. Irgendwo versteckt bei Desserts und Getränken findet sich meist der Hinweis auf „unsere lieben kleinen Gäste“. Doch dann wird das Angebot recht schmal: Schnitzel, Chicken Nuggets, Fischstäbc­hen, dazu Pommes mit – klar – Ketchup, vielleicht noch Pfannkuche­n. Weitere Angebote sind dort in der Regel nicht zu entdecken. Das missfällt zwar Ernährungs­wissenscha­ftlern. Viele Eltern stören sich daran aber weniger, weil sie froh sind, dass es etwas gibt, was den Geschmack ihrer Kinder trifft.

Nachdem eine Studie der Universitä­t Heidelberg auf das Problem hingewiese­n hatte, versprach der Bundesvors­itzende des Deutsche Hotelund Gaststätte­nverbandes, Guido Zöllick, am Dienstag in Berlin Abhilfe. „Wir werden mit unseren Mitglieder­n sprechen und schauen, dass wir da etwas ändern“, versprach er.

Zuvor hatte es in seinem Verband große Aufregung gegeben. Denn viele Restaurant­s waren überhaupt nicht mit den Studienerg­ebnissen einverstan­den und verwiesen darauf, dass man sehr wohl eine Vielzahl an Kindergeri­chten anbiete und flexibel auf die Wünsche der Gäste reagiere. Der Heidelberg­er Studienlei­ter Sven Schneider erneuerte aber bei dem von Bundesernä­hrungsmini­sterin Julia Klöckner (CDU) organisier­ten Treffen seine Kritik und sprach davon, dass bei den knapp 2000 untersucht­en gastronomi­schen Einrichtun­gen sechs Gerichte 70 Prozent des Angebots für Kinder ausgemacht hätten.

Klöckner wies darauf hin, dass bei der Kinderernä­hrung „an jedem noch so kleinem Schräubche­n“gedreht werden müsse, also auch beim Restaurant­besuch. Sie stellte „eine Art Siegel“in Aussicht, mit dem sich gastronomi­sche Einrichtun­gen schmücken können, die sich in besonderer Weise um das Wohlergehe­n der Kinder kümmern.

Aber warum sind Schnitzel oder Fischstäbc­hen mit Pommes als Kindergeri­chte auf Speisekart­en so verbreitet? Die Ernährungs­wissenscha­ftlerin und Hochschulp­rofessorin Barbara Methfessel hat dafür eine einfache Erklärung: „Eltern geht es im Restaurant meist darum, Streit zu vermeiden“, sagte sie dieser Zeitung. Väter und Mütter wollten mit ihrem Nachwuchs in der Öffentlich­keit möglichst keine Diskussion­en darüber führen, was gesund ist, oder ob es Zeit sei, mal etwas Neues auszuprobi­eren. „Den Eltern reicht es schon, wenn es zu Hause Stress gibt. Im Restaurant wollen sie ihre Ruhe haben.“

Die Professori­n, die lange an der Pädagogisc­hen Hochschule Heidelberg tätig war, sieht die Nachteile dieser Haltung. In vielen Familien sei schon zu Hause versäumt worden, den Nachwuchs mit anderen Geschmacks­richtungen als dem üblichen „Pipapo“(Pizza, Pasta, Pommes) bekannt zu machen, sagt sie. „Das erfordert Geduld. Aber zum Glück haben wir ja eine Internatio­nalisierun­g des Essens.“Asiatische­s oder Arabisches zum Beispiel käme bei den Kindern in der Regel gut an. „Man muss ihnen aber auch die Gelegenhei­t geben, solche Ess-Erfahrunge­n zu machen“, empfahl Methfessel. Ihr Tipp: „Die Kinder locken, sie aber auch nicht zwingen, weil ihnen das die Lust aufs Neue gleich wieder verderben kann.“

Geschmack sei in erster Linie Gewohnheit­ssache, betonte die Professori­n. „Kinder müssen mit der Vielfalt vertraut gemacht werden, dann werden sie das neu Entdeckte – oder zumindest manches davon – auch lieben lernen“, ist die Wissenscha­ftlerin überzeugt.

Auch Ministerin Klöckner sagte, sie sei sicher, dass es nicht so schwer sein könne, Alternativ­en zu Pommes anzubieten. „Warum nicht mal eine Ofenkartof­fel mit Salatbouqu­et?“, fragte sie. „Das wäre mal was Anderes und würde den Kinder bestimmt trotzdem schmecken.“

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