Kampf um den Kinderteller
Kritik am Angebot für den Nachwuchs in Restaurants – Eltern wählen oft den Weg des geringsten Widerstandes
Viele Kinder gehen gerne mit den Eltern ins Restaurant, schließlich wird dort oftmals serviert, was es zu Hause oder in der Schule selten gibt: Schnitzel oder Chicken Nuggets mit Pommes oder auch Fischstäbchen mit Mayonnaise. Manchem Ernährungsexperten ist diese bei Kindern populäre Auswahl ein Ärgernis: zu viele Kalorien, zu wenig Nährstoffe – und das, obwohl viele deutsche Kinder übergewichtig sind. Nun schaltet sich Ernährungsministerin Julia Klöckner ein. Die CDU-Politikerin will „jedes kleine Schräubchen“drehen, um Übergewicht bei den Kleinen zu bekämpfen, mehr Gemüse auf den Teller zu bekommen (Foto: imago) – und zugleich die Gastronomen nicht zu vergrätzen. Sie lud zu einem Gipfel nach Berlin.
- Es ist das ewige Einerlei: Kinderessen in Restaurants erinnern oft nicht im Entferntesten an die vielfältigen Gerichte auf der Erwachsenenkarte. Irgendwo versteckt bei Desserts und Getränken findet sich meist der Hinweis auf „unsere lieben kleinen Gäste“. Doch dann wird das Angebot recht schmal: Schnitzel, Chicken Nuggets, Fischstäbchen, dazu Pommes mit – klar – Ketchup, vielleicht noch Pfannkuchen. Weitere Angebote sind dort in der Regel nicht zu entdecken. Das missfällt zwar Ernährungswissenschaftlern. Viele Eltern stören sich daran aber weniger, weil sie froh sind, dass es etwas gibt, was den Geschmack ihrer Kinder trifft.
Nachdem eine Studie der Universität Heidelberg auf das Problem hingewiesen hatte, versprach der Bundesvorsitzende des Deutsche Hotelund Gaststättenverbandes, Guido Zöllick, am Dienstag in Berlin Abhilfe. „Wir werden mit unseren Mitgliedern sprechen und schauen, dass wir da etwas ändern“, versprach er.
Zuvor hatte es in seinem Verband große Aufregung gegeben. Denn viele Restaurants waren überhaupt nicht mit den Studienergebnissen einverstanden und verwiesen darauf, dass man sehr wohl eine Vielzahl an Kindergerichten anbiete und flexibel auf die Wünsche der Gäste reagiere. Der Heidelberger Studienleiter Sven Schneider erneuerte aber bei dem von Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) organisierten Treffen seine Kritik und sprach davon, dass bei den knapp 2000 untersuchten gastronomischen Einrichtungen sechs Gerichte 70 Prozent des Angebots für Kinder ausgemacht hätten.
Klöckner wies darauf hin, dass bei der Kinderernährung „an jedem noch so kleinem Schräubchen“gedreht werden müsse, also auch beim Restaurantbesuch. Sie stellte „eine Art Siegel“in Aussicht, mit dem sich gastronomische Einrichtungen schmücken können, die sich in besonderer Weise um das Wohlergehen der Kinder kümmern.
Aber warum sind Schnitzel oder Fischstäbchen mit Pommes als Kindergerichte auf Speisekarten so verbreitet? Die Ernährungswissenschaftlerin und Hochschulprofessorin Barbara Methfessel hat dafür eine einfache Erklärung: „Eltern geht es im Restaurant meist darum, Streit zu vermeiden“, sagte sie dieser Zeitung. Väter und Mütter wollten mit ihrem Nachwuchs in der Öffentlichkeit möglichst keine Diskussionen darüber führen, was gesund ist, oder ob es Zeit sei, mal etwas Neues auszuprobieren. „Den Eltern reicht es schon, wenn es zu Hause Stress gibt. Im Restaurant wollen sie ihre Ruhe haben.“
Die Professorin, die lange an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg tätig war, sieht die Nachteile dieser Haltung. In vielen Familien sei schon zu Hause versäumt worden, den Nachwuchs mit anderen Geschmacksrichtungen als dem üblichen „Pipapo“(Pizza, Pasta, Pommes) bekannt zu machen, sagt sie. „Das erfordert Geduld. Aber zum Glück haben wir ja eine Internationalisierung des Essens.“Asiatisches oder Arabisches zum Beispiel käme bei den Kindern in der Regel gut an. „Man muss ihnen aber auch die Gelegenheit geben, solche Ess-Erfahrungen zu machen“, empfahl Methfessel. Ihr Tipp: „Die Kinder locken, sie aber auch nicht zwingen, weil ihnen das die Lust aufs Neue gleich wieder verderben kann.“
Geschmack sei in erster Linie Gewohnheitssache, betonte die Professorin. „Kinder müssen mit der Vielfalt vertraut gemacht werden, dann werden sie das neu Entdeckte – oder zumindest manches davon – auch lieben lernen“, ist die Wissenschaftlerin überzeugt.
Auch Ministerin Klöckner sagte, sie sei sicher, dass es nicht so schwer sein könne, Alternativen zu Pommes anzubieten. „Warum nicht mal eine Ofenkartoffel mit Salatbouquet?“, fragte sie. „Das wäre mal was Anderes und würde den Kinder bestimmt trotzdem schmecken.“