Jagd in Städten soll erlaubt werden
Minister will Einsatz erlauben – Tierschützer fürchten „endgültige Beseitigung“von Arten
STUTTGART (tja) - In Baden-Württemberg sollen Stadtjäger künftig Wildtiere in bewohnten Gebieten erlegen dürfen. Das ist bisher nur in Ausnahmen erlaubt. Baden-Württembergs Agrarminister Peter Hauk (CDU) will die entsprechenden Rechtsgrundlagen schaffen. „Dass Wildtiere in die Siedlungsbereiche des Menschen vordringen, ist kein neues Phänomen. Neu hingegen sind Form und Umfang der durch Wildtiere in Siedlungsbereichen ausgelösten Konflikte“, sagt Hauk. Dazu zählten Schäden durch Waschbären oder Wildschweine. Tierschützer kritisieren die Pläne scharf.
- Waschbären auf dem Dach, Füchse im Garten, Wildschweine im Wohngebiet: Wilde Tiere leben gut in Städten und Dörfern. Was der eine süß findet, ärgert den anderen. Erst recht, wenn Marder Kabel im Auto zerbeißen oder Gänsekot den Besuch im Strandbad vermiest. Das kann nicht nur ärgerlich, sondern auch teuer werden. Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) will es Gemeinden daher erlauben, Stadtjäger einzustellen. Davon ist nicht jeder begeistert.
Für viele Tierarten ist die Stadt ein bequemer Lebensraum. Nahrung, die leicht zu erbeuten ist – in Mülltonnen oder in frisch umgegrabenen Beeten. Verstecke in Gärten Friedhöfen, Dachstühlen und Kellern. Solche Probleme haben große Städten ebenso wie kleine Dörfer. Der Weg aus der Natur in die Siedlung ist auf dem Land besonders kurz. „Allerdings gibt es dort etwas weniger Konflikte, weil die Bürger dort den Anblick von Wildschweinen oder Füchsen gewohnt sind und nicht gleich erschrecken“, sagt Professorin Ilse Storch. In einer Studie hat sie untersucht, welche Tiere überhaupt vorkommen – und wie Behörden damit umgehen. Das Land zahlt einen Teil der Forschung.
Marder, Füchse, Waschbären
Steinmarder und Füchse leben demnach in nahezu allen Städten und Dörfern. Wildschweine und Dachse sind örtlich besonders verbreitet, ebenso Waschbären. Rehe, Wildkaninchen, Wasservögel, Nutria und Feldhasen machen es sich innerorts ebenfalls bequem. „Unsere Studie zeigt: Viele Bürger mögen es, wenn Tiere in der Stadt leben. Probleme beginnen erst da, wo sich Menschen gestört fühlen“, sagt Storch. „Bürger beschweren sich zunehmend bei Gemeindeverwaltungen. Diese Entwicklung sehen wir in ganz Mitteleuropa.“Anders als etwa in Frankreich gibt es aber keine einheitlichen Ansprechpartner für Fragen rund um die wilden Tiere. Deswegen sind die Behörden oft überfordert.
Im neuen Wildtierbericht des Landes empfehlen Experten wegen der zunehmenden Konflikte, die Position eines Stadtjägers einzuführen. Bisher ist Jagen in bebauten Gebieten verboten, in Notfällen gibt es aber Ausnahmegenehmigungen. „Dass Wildtiere in die Siedlungsbereiche des Menschen vordringen ist kein neues Phänomen. Neu hingegen sind Form und Umfang der durch Wildtiere in Siedlungsbereichen ausgelösten Konflikte“, sagt Minister Hauk. Städte und Gemeinden sollen deshalb künftig Jäger beauftragen können: Die dürfen dann in bestimmten Fällen in Siedlungsbereichen Wildtiere erlegen. Der Stadtjäger soll auch als Ansprechpartner für Fragen rund um wilde Tiere dienen, Bürger informieren und beraten.
Der Schuss als letztes Mittel
Das Land will nur besonders ausgebildete Jäger für die Aufgabe zulassen. Die bisher einzige Fortbildung bietet der Jagd-Natur-Wildtierschützerverband, „Der Name ,Stadtjäger’ ist griffig, aber falsch“, sagt der dort verantwortliche Hans-Ulrich Endress. Der finale Schuss solle nur die allerletzte Lösung sein. „Wir wollen nicht in der Stadt jagen, es geht vielmehr um das Management wilder Tiere“, erläutert Endress.
Wie geht man mit ihnen um? Sind sie eine Gefahr? Wie erhält man Lebensräume für geschützte Tiere, ohne dass diese selbst zum Problem werden? Antworten auf solche Fragen soll ein solcher Manager finden. „Oft geht es einfach darum, den Menschen zu erklären, was man gegen Wildtiere im Haus tun kann: Büsche zurückschneiden, damit Waschbären nicht aufs Dach gelangen, Fassaden oder Garagen richtig dicht machen“, erklärt Endress. Wer Stadtjäger werden will, muss einen Jagdschein und eine Weiterbildung zum Wildtierschützer vorweisen, dann erst kann er den 64- Stunden-Kurs zum Stadtjäger antreten. Am Ende steht eine schriftliche Prüfung. Die Inhalte sind breit gefächert. Von Infektionsschutz über den Umgang mit Lebendfallen und Sicherungsmaßnahmen bei einer möglichen Jagd bis zu rechtlichen Fragen.
Schutz vor Krankheiten
Besonders wichtig: die Gesundheit der Bürger zu schützen. Fuchsbandwürmer oder Räude können auf Menschen übertragen werden. Oft geschieht das über den Umweg eines Haustieres – oder über den Kot in Gärten. Solche Ansteckungen kommen relativ selten vor, Räude juckt, kann aber für Menschen nicht gefährlich werden. Anders der Fuchsbandwurm. Bleibt er unentdeckt, kann die Leber erkranken. In Deutschland werden laut Universität Freiburg jährlich rund 50 neue Erkrankungen gemeldet, mehr als die Hälfte davon aus dem Allgäu, Oberschwaben und der Schwäbischen Alb. Haustiere sollten daher regelmäßig entwurmt werden, gründliches Händewaschen schützt ebenfalls. Außerdem sollte man wilde Tiere nie streicheln. Die Tollwut aber ist seit Jahrzehnten ausgerottet.
„Verfolgung statt Aufklärung“
Tierschützer lehnen die StadtjägerIdee aber kategorisch ab. Stefan Hitzler, Vorsitzender des Landestierschutzverbandes, sieht zwar durchaus, dass es Konflikte zwischen Wildtier und Mensch gibt. Aber schon heute könnten im Notfall Jäger beauftragt werden. Ehrenamtliche Tierschützer würden Bürger bereits beraten, wenn es Probleme gebe.
„Wir sehen hierin eher die Gefahr, dass mit der offiziellen Schaffung des Amtes der Stadtjäger Wildtiere jetzt auch im Siedlungsbereich nicht mehr länger geduldet werden. Statt für ein gemeinsames Miteinander zu werben und auf Aufklärung und Unterstützung der einheimischen Wildtierarten zu setzen, wird so wahrscheinlich der Weg in die andere Richtung geebnet: Verfolgung, Bejagung und endgültige Beseitigung“, kritisiert Hitzler.