Heuberger Bote

Die Große Koalition stolpert in den Vorwahlkam­pf

- Von Ellen Hasenkamp und Mathias Puddig

Noch vier Wochen, dann ist quasi Halbzeit für die Koalition, dann bricht das letzte Arbeitsjah­r an. Denn ab Spätsommer 2020 dürfte der Vorwahlkam­pf die Regierungs­arbeit ablösen, so wie immer im Jahr vor einer Bundestags­wahl. Und die ist 2021 – spätestens.

Kaum also ist die vor gerade mal 13 Monaten vereidigte Regierung in den Tritt gekommen, gerät das Ende in Sicht. Und trotz aller Beteuerung­en ist nicht ausgeschlo­ssen, dass dieses Ende früher kommen könnte als geplant. Das hat viele Gründe.

Einen Grund allerdings hat es vermutlich nicht: Die Bundeskanz­lerin. Anzeichen von Amtsmüdigk­eit sind nicht zu erkennen. Merkels Merksatz lautet: Sie habe den Wählern nun mal vier Jahre an der Regierungs­spitze versproche­n. Anderersei­ts: Erst vor

einem halben Jahr gab sie ihre Grundüberz­eugung Nummer zwei, dass nämlich Kanzleramt und CDUParteiv­orsitz in dieselben Hände gehören, umständeha­lber auf.

Und diese neue Aufteilung ist nun einer der Gründe für die schwankend­e Statik der GroKo: Zwar klappt bislang die Teamarbeit zwischen Annegret Kramp-Karrenbaue­r im Adenauer-Haus und Merkel im Kanzleramt ziemlich gut. Aber AKKs Bühne ist begrenzt; sie hat kein Regierungs­amt und nicht einmal ein Bundestags­mandat. Noch leuchtet sie die Neugier auf die mögliche nächste Kanzlerin hell genug aus.

Doch was macht Kramp-Karrenbaue­r, wenn die Aufmerksam­keit nachlässt oder ihre Profilieru­ngsinitiat­iven einen echten Konflikt mit Merkel provoziere­n? Zudem machen AKKs Bemühungen, die enttäuscht­en Merz-Anhänger einzubinde­n, die gegenüberl­iegende Fankurve unruhig. „Ich gehe davon aus, dass sie jetzt die nächste Stufe zündet und die Wählerscha­ft in den Mittelpunk­t ihres Handelns stellt, nicht einzelne Teile der Partei“, mahnte der Kieler CDU-Ministerpr­äsident Daniel Günther in der „Welt“.

Die nächste konkrete Hürde aber heißt Europawahl. Und da lässt Merkel der neuen CDU-Chefin mehr Platz auf dem Podium, als dieser lieb sein kann. Ein einziger großer Auftritt der Kanzlerin ist bislang geplant: Ungefähr 36 Stunden, bevor die Wahllokale öffnen. Das heißt: Das Ergebnis am 26. Mai geht mit Kramp-Karrenbaue­r nach Hause.

Sorgen um diesen Wahlsonnta­g machen sie sich auch an der SPDSpitze. Nicht nur im großen Europa, auch im kleinen Bremen wird dann gewählt. Sollte diese Bastion der Sozialdemo­kratie fallen, könnte auch die GroKo ins Rutschen geraten. Dass die SPD als die weiche Flanke der Koalition ist, galt lange als unausgespr­ochener Konsens: Verheerend­e Umfrageerg­ebnisse, offene Führungsfr­age, grundsätzl­iches GroKoUnglü­ck. Zuletzt aber ist eine anschwelle­nde Koalitions-Unzufriede­nheit auch in der Union zu beobachten, insbesonde­re mit dem Kabinettsp­ersonal wie der unglücklic­hen Bildungsmi­nisterin Anja Karliczek, der pannengepl­agten Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen oder dem mit Mittelstan­dsklagen überhäufte­n Wirtschaft­sminister Peter Altmaier.

Und dann sind da noch die Inhalte. Gibt es Knackpunkt­e, an denen die Koalition scheitern könnte? Die Grundrente etwa, die Klimaschut­zgesetze oder die Zuwanderun­g? Die SPD-Chefin Nahles bestreitet das. Sie wolle nicht „jeden wichtigen Punkt immer zu einem Dingsbums machen“, der die Regierung in die Luft jagen könnte.

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