ZF-Technik für chinesische Lastwagen
Autozulieferer eröffnet Getriebefabrik bei Schanghai – Partnerschaft mit BAIC-Tochter Foton
- China ist der größte Nutzfahrzeugmarkt der Welt, ZF einer der führenden LastwagenGetriebebauer. Trotzdem ist der Hightech-Konzern aus Friedrichshafen auf diesem Feld im Reich der Mitte nur ein Nischenanbieter. Bis jetzt. Eine neue Fabrik und ein Joint Venture mit einem der größten chinesischen Lastwagenbauer soll den Durchbruch bringen.
Wie wichtig das Projekt für ZF ist, zeigt schon die Tatsache, dass der Vorstandsvorsitzende des Konzerns, Wolf-Henning Scheider, selbst bei der Eröffnung des neuen Werks in Jiaxing südlich von Schanghai vor Ort war. „In China wächst die Nachfrage nach automatisierten Getriebesystemen für leichte und schwere Nutzfahrzeuge enorm“, sagte Scheider nach ZF-Angaben bei der feierlichen Aufnahme der Produktion am Donnerstag. „Gemeinsam mit unserem Partner Foton werden wir unsere neueste Getriebetechnologie in China produzieren und unseren Kunden vor Ort damit mehr Effizienz, Komfort und Sicherheit bieten.“
In der neuen Fabrik wird vor allem das automatisierte Zwölf-Gang-Getriebe Traxon gefertigt, das in schwere Lastwagen eingebaut wird. Später kommen der Handschalter Ecosplit und Getriebe für leichte Nutzfahrzeuge hinzu. Betrieben wird das Werk von ZF und Foton gemeinsam, die zwei gemeinsame Firmen gegründet haben – eine für schwere Nutzfahrzeuggetriebe, in der die Schwaben mit 51 Prozent den Hut aufhaben, und eine für leichte Getriebe, die zu 60 Prozent den Chinesen gehört.
BAIC-Gruppe steht hinter Foton
Der viertgrößte Lastwagen-Hersteller Chinas gehört zur BAIC-Gruppe und baut pro Jahr derzeit um die 450 000 Fahrzeuge. BAIC steht für die staatliche Beijing Automotive Industry Holding, die im Personenwagenbereich unter anderem auch mit dem baden-württembergischen Autobauer Daimler zusammenarbeitet. „Dieses Joint Venture vereint die Kompetenzen von zwei Branchenführern“, erklärte BAIC-Vorstandschef Heyi Xu. „Beide Partner werden ihre einzigartigen Technologien und Stärken einsetzen, eine modulare und standardisierte Produktionsplattform schaffen und so innovative, effiziente und intelligente Getriebesysteme für den Weltmarkt herstellen.“
Foton sei der richtige Partner, sagt Winfried Gründler, Leiter des Geschäftsfelds Lastwagenantriebstechnik bei ZF, im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Foton wachse sehr schnell, sei wie ZF technologiegetrieben, habe keine eigene Getriebefertigung und verschaffe dem Konzern vom Bodensee eine hohe Stückzahlbasis, die es ermögliche, auch anderen Kunden ZF-Getriebe zu „marktfähigen Preisen“anzubieten. Denn das jetzt eröffnete Werk in Jiaxing, das nach dem Hochlaufen für 160 000 Getriebe für schwere Nutzfahrzeuge und 240 000 leichte und mittelschwere Getriebe pro Jahr ausgelegt ist, produziert ausdrücklich nicht nur für Foton, sondern auch für die Konkurrenz. Bis dato gab es eine Getriebefabrik in Hangzhou, die jetzt auf Produkte für Elektromobilität umgerüstet wird.
In das Werk haben Foton und ZF bisher gemeinsam 175 Millionen Euro investiert, bis zum Ende des Hochlaufs der Produktionskapazität wird die gemeinsame Investitionssummer nach ZF-Angaben auf 660 Millionen Euro ansteigen. Wenn sich die Markterwartungen erfüllen und ein Ausbau nötig wird, folgen weitere Investitionen, wie ein Sprecher der „Schwäbischen Zeitung“bestätigte.
Entwickelt worden ist Traxon in Friedrichshafen. Dort wurde es bis Donnerstag auch ausschließlich gefertigt. Trotzdem, sagt Gründler, gefährde die neue Fabrik in Jiaxing keine Arbeitsplätze am See. Bisher seien nur 1000 bis 2000 Getriebe pro Jahr für Foton in Friedrichshafen gefertigt worden, die Stückzahl für den chinesischen Markt werde erst jetzt steigen. Die überall auf der Welt geforderte flexible Produktion „just in time, just in sequence“könne man von Friedrichshafen aus auf Dauer gar nicht leisten.
Der Bau der Fabrik südlich von Schanghai sei immer auch mit dem Betriebsrat besprochen und auch von diesem als „Chance für das Nutzfahrzeuggeschäft von ZF“verstanden worden. Das Foton-Joint-Venture sichere aber auch Arbeitsplätze am See, weil in China zunächst nur montiert werde. Die meisten Teile würden nach wie vor in Friedrichshafen gefertigt, sagt Gründler. Dies zeige auch die Tatsache, dass in Jianxing zunächst gut 500, später einmal um die 1000 Mitarbeiter beschäftigt sein werden, erheblich weniger als in der Produktion am See. Die sei derzeit auch ohne Foton gut ausgelastet, sagt Gründler. 176 000 Getriebe wurden im Jahr 2018 in Friedrichshafen gefertigt, knapp 9000 mehr als im Jahr zuvor. Im Jahr 2019 sollen fast 175 000 Getriebe vom Band laufen, davon erstmals mehr als 100 000 Traxon-Getriebe, die offenbar im Markt sehr gut ankommen. Zudem stellt der Kunde MAN langsamer auf innerhalb des VW-Konzerns gefertigte Teile um, als zunächst geplant und von der ZF-Belegschaft in Friedrichshafen befürchtet. Die Serienfertigung der Produkte Cetrax und Powerline, die die wegbrechenden MAN-Aufträge kompensieren soll, wird erst in den kommenden Jahren anlaufen.
Auf den Durchbruch in den USA wartet Traxon derweil noch. Das liegt einmal daran, dass die Trucker dort noch öfter per Hand schalten als in Europa und an einem ziemlich fest verteilten Markt, in den ZF offenbar nur schwer eindringen kann. Eine Traxon-Fabrik in den USA ist jedenfalls aktuell nicht geplant.