Nadelöhr Elektroanschluss
Mit der Entwicklung zum vernetzten Smart Home steigt der Bedarf an Steckdosen, Schaltern und Stromkreisen
(dpa) - 5,4 Steckdosen sind durchschnittlich in einem deutschen Wohnzimmer installiert. Das ist zu wenig, um alle Geräte anzuschließen, die die meisten Menschen heutzutage benutzen. Verlängerungskabel und Mehrfachsteckdosen lösen das Problem nicht – im Gegenteil. Sie täuschen auch über eventuelle Probleme bei den Leitungen hinweg, die unter dem Putz stecken. Veraltete Anlagen haben oft nur eine geringe Anzahl an Leitungen und Stromkreisen. Permanente Überbelastung, defekte Kabel, fehlender Überspannungsschutz – all das kann zu Bränden oder zu einem lebensgefährlichen Stromschlag führen.
Aber wie viel ist ausreichend – gerade mit Blick auf heutige Umbauten und Neubauten? Wie viele Steckdosen und Stromkreise sollte man einplanen, um zukunftssicher zu sein?
Für Bernd Dechert vom Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke in Frankfurt steht die Bestandsanalyse an erster Stelle. „Dazu müssen die heutigen und künftigen Bedürfnisse der Bewohner genau erfasst werden.“Das ist eine Aufgabe mit vielen Unbekannten, denn heute kann niemand genau voraussagen, wie sich die Technologie in den nächsten Jahrzehnten entwickeln wird.
Was man im Kopf durchspielen sollte: Mit der Entwicklung zum vernetzten und digital steuerbaren Smart Home wird der Bedarf an Steckdosen, Schaltern und Stromkreisen im Privathaus wahrscheinlich noch steigen. Die automatische Steuerung von Rollläden, Jalousien und Markisen, Beleuchtung, Toreinfahrten und Türen braucht auch Strom. Decherts Tipp lautet daher auch: „Wer ganz sichergehen will, kann Leerrohre einplanen, in die sich später unkompliziert weitere Kabel verlegen lassen.“Vorsorge ist also die beste Absicherung.
Praktisch denken
Daneben stehen einzelne Zimmer im Fokus der Überlegungen. Ein Beispiel: Besonders viele Steckdosen werden üblicherweise in der Küche gebraucht. Denn hier nutzen die Bewohner regelmäßig mehrere verschiedene Elektrogeräte, die idealerweise in der Nähe der Arbeitsfläche angeschlossen werden. „Wenn jedes Mal der Stecker in einer Verteilersteckdose ein- und ausgesteckt würde, um ein Gerät zu benutzen, wäre das ziemlich unkomfortabel“, findet Michael Conradi, Projektleiter der Initiative Elektro+ in Berlin.
Hier lohnt es sich also, gedanklich durch den Raum zu gehen und Handlungsabläufe zu visualisieren. Braucht man vielleicht mehr Steckdosen? Und will man hier künftig auch smarte Unterhaltungsgeräte wie einen TV haben?
Es gibt verbindliche technische Vorgaben für neue und modernisierte Elektroinstallationen. Die Mindestausstattung eines Hauses ist in den Normen DIN 18015-2 und -4 beschrieben. „Die Richtlinie RAL-RG 678 enthält darüber hinausgehende Festlegungen für Standardausstattung und Komfortausstattung“, erklärt Dechert. Sie sind auch eine tolle Planungshilfe für Bauherren, die ihren Bauplan überprüfen wollen. Oder für Sanierer, die sich orientieren wollen, wie viel mehr Steckdosen und Stromkreise sie benötigen. Aber auch Beleuchtungs- und Kommunikationsanschlüsse werden aufgelistet.
Überspannungsschutz einplanen
Festgehalten sind verschiedene Ausstattungswerte – 1, 2 oder 3. „Der Mindeststandard ist die Stufe 1. Je höher die Ausstattungsstufe, desto großzügiger ist die Installation ausgelegt“, erklärt Dechert. Ein Beispiel: Für die Küche sieht die Mindestausstattung der Stufe 1 fünf allgemeine Steckdosen, zwei Beleuchtungsanschlüsse, einen Radio-, TV- oder Datenanschluss, drei Steckdosen für Radio, TV oder Daten, zwei Anschlüsse für Kühlgeräte und einen für den Dunstabzug vor. Für Stufe 3, die Komfortausstattung, sind es unter anderem schon zwölf allgemeine Steckdosen.
Wichtig zu wissen: Für Elektroherd, Backofen, Mikrowellenkochgerät, Geschirrspülmaschine, Waschmaschine, Wäschetrockner und andere größere Geräte müssen jeweils eigene Stromkreise vorgesehen werden.
Außerdem sollte man für die Aufrüstung einen Überspannungsschutz vorsehen. Dieser ist im privaten Wohnungsbau inzwischen Pflicht. Witterungs- oder anlagenbedingte Netzausfälle oder Überbelastungen sind zwar selten, kommen aber durchaus vor. Überspannungsschäden können nicht nur Fernseher, Computer und andere elektronische Geräte außer Gefecht setzen, sondern Kurzschlüsse auslösen und zu Bränden im Haus führen.
Im Altbau kommen bei einem Umbau ähnliche Überlegungen zum Tragen. „In der Regel ist in den meisten Gebäuden die Elektroinstallation auf dem Stand der Errichtung“, erklärt Conradi. In den 60er-Jahren zum Beispiel waren drei Stromkreise Standard – einer für den Elektroherd, einer für die Beleuchtung und einer für die Steckdosen. Das reicht heute bei Weitem nicht mehr aus.
Aber in Altbauten fehlt es noch an viel mehr: etwa in vielen Gebäuden der Fehlerstrom-Schutzschalter, auch FI-Schalter genannt. Er kann Leben retten, weil er vor gefährlichen Stromschlägen schützt. „Viele Elektroleitungen sind nicht nur zu gering dimensioniert, sondern auch marode und damit unsicher“, erklärt Conradi. Aber wer umbaut, fügt bei wachsenden Komfortansprüchen nicht selten lediglich Steckdosen hinzu. Die Leitungen in der Wand, aus denen die Geräte ihre Energie beziehen, bleiben dieselben.
Außerdem wurde in etlichen Häusern die Installation im Laufe der Jahre mehr oder minder qualifiziert ergänzt, hat Marc Ellinger beobachtet. Er ist Leiter des Regionalbüros Freiburg-Südbaden im Verband Privater Bauherren. „Ältere Leitungen sind mitunter noch mit Ölpapier-, Blei- oder Aluminiumumwicklung ausgeführt und entsprechen wie auch die alten Installationsgegenstände nicht mehr den heutigen Sicherheitsstandards.“
Es kann also in Altbauten durchaus nötig sein, dass eine Sanierung quasi zur Neuinstallation wird. „Hausanschluss, Verteiler und Unterverteiler sollten dann auf den aktuellen Standard aufgerüstet und, wenn nötig, komplett erneuert werden“, empfiehlt Ellinger.