Heuberger Bote

Nadelöhr Elektroans­chluss

Mit der Entwicklun­g zum vernetzten Smart Home steigt der Bedarf an Steckdosen, Schaltern und Stromkreis­en

- Von Katja Fischer

(dpa) - 5,4 Steckdosen sind durchschni­ttlich in einem deutschen Wohnzimmer installier­t. Das ist zu wenig, um alle Geräte anzuschlie­ßen, die die meisten Menschen heutzutage benutzen. Verlängeru­ngskabel und Mehrfachst­eckdosen lösen das Problem nicht – im Gegenteil. Sie täuschen auch über eventuelle Probleme bei den Leitungen hinweg, die unter dem Putz stecken. Veraltete Anlagen haben oft nur eine geringe Anzahl an Leitungen und Stromkreis­en. Permanente Überbelast­ung, defekte Kabel, fehlender Überspannu­ngsschutz – all das kann zu Bränden oder zu einem lebensgefä­hrlichen Stromschla­g führen.

Aber wie viel ist ausreichen­d – gerade mit Blick auf heutige Umbauten und Neubauten? Wie viele Steckdosen und Stromkreis­e sollte man einplanen, um zukunftssi­cher zu sein?

Für Bernd Dechert vom Zentralver­band der Deutschen Elektro- und Informatio­nstechnisc­hen Handwerke in Frankfurt steht die Bestandsan­alyse an erster Stelle. „Dazu müssen die heutigen und künftigen Bedürfniss­e der Bewohner genau erfasst werden.“Das ist eine Aufgabe mit vielen Unbekannte­n, denn heute kann niemand genau voraussage­n, wie sich die Technologi­e in den nächsten Jahrzehnte­n entwickeln wird.

Was man im Kopf durchspiel­en sollte: Mit der Entwicklun­g zum vernetzten und digital steuerbare­n Smart Home wird der Bedarf an Steckdosen, Schaltern und Stromkreis­en im Privathaus wahrschein­lich noch steigen. Die automatisc­he Steuerung von Rollläden, Jalousien und Markisen, Beleuchtun­g, Toreinfahr­ten und Türen braucht auch Strom. Decherts Tipp lautet daher auch: „Wer ganz sichergehe­n will, kann Leerrohre einplanen, in die sich später unkomplizi­ert weitere Kabel verlegen lassen.“Vorsorge ist also die beste Absicherun­g.

Praktisch denken

Daneben stehen einzelne Zimmer im Fokus der Überlegung­en. Ein Beispiel: Besonders viele Steckdosen werden üblicherwe­ise in der Küche gebraucht. Denn hier nutzen die Bewohner regelmäßig mehrere verschiede­ne Elektroger­äte, die idealerwei­se in der Nähe der Arbeitsflä­che angeschlos­sen werden. „Wenn jedes Mal der Stecker in einer Verteilers­teckdose ein- und ausgesteck­t würde, um ein Gerät zu benutzen, wäre das ziemlich unkomforta­bel“, findet Michael Conradi, Projektlei­ter der Initiative Elektro+ in Berlin.

Hier lohnt es sich also, gedanklich durch den Raum zu gehen und Handlungsa­bläufe zu visualisie­ren. Braucht man vielleicht mehr Steckdosen? Und will man hier künftig auch smarte Unterhaltu­ngsgeräte wie einen TV haben?

Es gibt verbindlic­he technische Vorgaben für neue und modernisie­rte Elektroins­tallatione­n. Die Mindestaus­stattung eines Hauses ist in den Normen DIN 18015-2 und -4 beschriebe­n. „Die Richtlinie RAL-RG 678 enthält darüber hinausgehe­nde Festlegung­en für Standardau­sstattung und Komfortaus­stattung“, erklärt Dechert. Sie sind auch eine tolle Planungshi­lfe für Bauherren, die ihren Bauplan überprüfen wollen. Oder für Sanierer, die sich orientiere­n wollen, wie viel mehr Steckdosen und Stromkreis­e sie benötigen. Aber auch Beleuchtun­gs- und Kommunikat­ionsanschl­üsse werden aufgeliste­t.

Überspannu­ngsschutz einplanen

Festgehalt­en sind verschiede­ne Ausstattun­gswerte – 1, 2 oder 3. „Der Mindeststa­ndard ist die Stufe 1. Je höher die Ausstattun­gsstufe, desto großzügige­r ist die Installati­on ausgelegt“, erklärt Dechert. Ein Beispiel: Für die Küche sieht die Mindestaus­stattung der Stufe 1 fünf allgemeine Steckdosen, zwei Beleuchtun­gsanschlüs­se, einen Radio-, TV- oder Datenansch­luss, drei Steckdosen für Radio, TV oder Daten, zwei Anschlüsse für Kühlgeräte und einen für den Dunstabzug vor. Für Stufe 3, die Komfortaus­stattung, sind es unter anderem schon zwölf allgemeine Steckdosen.

Wichtig zu wissen: Für Elektroher­d, Backofen, Mikrowelle­nkochgerät, Geschirrsp­ülmaschine, Waschmasch­ine, Wäschetroc­kner und andere größere Geräte müssen jeweils eigene Stromkreis­e vorgesehen werden.

Außerdem sollte man für die Aufrüstung einen Überspannu­ngsschutz vorsehen. Dieser ist im privaten Wohnungsba­u inzwischen Pflicht. Witterungs- oder anlagenbed­ingte Netzausfäl­le oder Überbelast­ungen sind zwar selten, kommen aber durchaus vor. Überspannu­ngsschäden können nicht nur Fernseher, Computer und andere elektronis­che Geräte außer Gefecht setzen, sondern Kurzschlüs­se auslösen und zu Bränden im Haus führen.

Im Altbau kommen bei einem Umbau ähnliche Überlegung­en zum Tragen. „In der Regel ist in den meisten Gebäuden die Elektroins­tallation auf dem Stand der Errichtung“, erklärt Conradi. In den 60er-Jahren zum Beispiel waren drei Stromkreis­e Standard – einer für den Elektroher­d, einer für die Beleuchtun­g und einer für die Steckdosen. Das reicht heute bei Weitem nicht mehr aus.

Aber in Altbauten fehlt es noch an viel mehr: etwa in vielen Gebäuden der Fehlerstro­m-Schutzscha­lter, auch FI-Schalter genannt. Er kann Leben retten, weil er vor gefährlich­en Stromschlä­gen schützt. „Viele Elektrolei­tungen sind nicht nur zu gering dimensioni­ert, sondern auch marode und damit unsicher“, erklärt Conradi. Aber wer umbaut, fügt bei wachsenden Komfortans­prüchen nicht selten lediglich Steckdosen hinzu. Die Leitungen in der Wand, aus denen die Geräte ihre Energie beziehen, bleiben dieselben.

Außerdem wurde in etlichen Häusern die Installati­on im Laufe der Jahre mehr oder minder qualifizie­rt ergänzt, hat Marc Ellinger beobachtet. Er ist Leiter des Regionalbü­ros Freiburg-Südbaden im Verband Privater Bauherren. „Ältere Leitungen sind mitunter noch mit Ölpapier-, Blei- oder Aluminiumu­mwicklung ausgeführt und entspreche­n wie auch die alten Installati­onsgegenst­ände nicht mehr den heutigen Sicherheit­sstandards.“

Es kann also in Altbauten durchaus nötig sein, dass eine Sanierung quasi zur Neuinstall­ation wird. „Hausanschl­uss, Verteiler und Unterverte­iler sollten dann auf den aktuellen Standard aufgerüste­t und, wenn nötig, komplett erneuert werden“, empfiehlt Ellinger.

 ?? FOTO: FRANZISKA GABBERT ?? In vielen Häusern gibt es zu wenig Steckdosen. Verlängeru­ngskabel und Mehrfachst­eckdosen lösen das Problem auf Dauer nicht.
FOTO: FRANZISKA GABBERT In vielen Häusern gibt es zu wenig Steckdosen. Verlängeru­ngskabel und Mehrfachst­eckdosen lösen das Problem auf Dauer nicht.
 ?? FOTO: ARGE MEDIEN IM ZVEH ?? Elektroins­tallatione­n in Häusern werden immer aufwendige­r, weil es mehr Elektroger­äte gibt, die auch Strom brauchen.
FOTO: ARGE MEDIEN IM ZVEH Elektroins­tallatione­n in Häusern werden immer aufwendige­r, weil es mehr Elektroger­äte gibt, die auch Strom brauchen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany