Von Roten Beten und gelben Tomaten
Das ewige Wechselspiel von Mode und Natur lässt sich auch im eigenen Garten erleben – Für die Vielfalt der Sorten können passionierte Gärtner selbst etwas tun
Ach, wie schön altmodisch!“Mit dieser lässigen Bemerkung hat ein Gast im letzten Sommer die bunte Zinnienpracht in unserem Garten beschieden. Zunächst war ich etwas pikiert. Blumen sind für mich nie altmodisch! Trotzdem war die Wahrnehmung unseres Besuchers nicht ganz falsch. Denn gehörte die pflegeleichte Zinnie früher in jeden Bauerngarten, so sucht man sie in modernen Anlagen zwischen hohen Gräsern, formgeschnittenen Koniferen und flachen Bodendeckern vergeblich. Modische Trends beeinflussen zweifellos unsere Gärten. Aber umgekehrt wird auch ein Schuh daraus: Seit Jahrhunderten holen sich Modeschöpfer Anregungen aus der Natur. Zu erleben ist das derzeit zum Beispiel im reizvollen Napoleonmuseum auf dem schweizerischen Arenenberg bei Konstanz. Dort stellt die Sonderschau „Vernäht“gerade wertvolle Kleider aus verschiedenen Epochen vor.
22 Kostüme nach historischen Vorbildern vom Mittelalter bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts zeigen, wie die Natur immer wieder die Modemacher inspiriert hat: Motive von Blumen und Blättern, Farnen und Federn wurden gestickt, gewoben, gedruckt, geklöppelt und zu kostbaren Roben und deren Zierrat verarbeitet. Da funkelten sogar kleine Brillanten auf den üppigen Manschetten des Herrenrocks aus der Zeit Ludwigs XIV., wie die Pariser Kostümhistorikerin Nathalie Harran bei der Präsentation der von ihr geschaffenen Garderoben weiß. Nun gut, Roben mit aufgenähten Edelsteinen müssen nicht sein, aber glitzern und funkeln darf es auch heute noch. T-Shirts mit Paillettenbesatz sind derzeit der Knüller – und Blumenmotive finden sich in jeder Saison auf Blusen, Hosen, Röcken, Schals …
Doch mag die Natur auf Kleiderstoffen auch noch so üppig und farbenfroh sprießen, in Wirklichkeit wird sie durch den Einfluss des Menschen immer eintöniger. Man denke nur an den Sortenrückgang bei Kulturpflanzen. Nach Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO ist die Vielfalt der Nutzpflanzen seit 1900 weltweit um 75 Prozent geschrumpft. Als Hauptgrund wird angeführt, dass in der industriellen Landwirtschaft und bei Saatgutproduktion auf wenige Hochleistungspflanzen statt auf Vielfalt
gesetzt wird. Nachvollziehen kann das auch der Hobbygärtner. Wer sich für die neue Gartensaison mit Sämereien im Gartencenter eindeckt, steht dann zwar vor unzähligen Samenpäckchen, aber letztlich gibt es von einer Kulturpflanze nur einige wenige Sorten. Bei manchen ist das Angebot mitunter besonders reduziert. So muss ich immer rechtzeitig Ausschau nach dem Samen von Stangenbohnen halten. Da man für ihre Anpflanzung immerhin besagte Kletterhilfen braucht, die dann auch noch sturmsicher in den Boden gerammt werden müssen, verzichten viele Hobbygärtner auf diese Mühe und greifen lieber zu Buschbohnen. Und wo keine Nachfrage, da kein Angebot. Das gleiche Spielchen bei der Roten Bete: Wer nicht die runden Kugeln, sondern die alte Zylinderform säen möchte, muss oft lange suchen.
Und wie sieht es bei den Tomaten aus! Da leuchtet es feuerrot auf den Päckchen, Resistenzen werden hervorgehoben, genauso die Schnittfestigkeit. Ob das Gemüse dann aber auch mundet, kann man vor dem Kauf nicht testen. Geht man das Wagnis ein, kauft ein Tütchen und schmeckt die Sorte dann tatsächlich nach Tomate, kann man den Samen trocknen, aufbewahren und im nächsten Jahr den geschätzten Paradeiser nachziehen. Doch Vorsicht: Das funktioniert nur, wenn es sich um eine samenfeste Sorte handelt und nicht um eine Hybridsorte, die zur Nachzucht ungeeignet ist. Ich verzichte schon seit Jahren auf den Kauf von Hybridsorten, weil ich meine Tomaten je nach Lust und Laune selbst ziehen möchte. Derzeit wachsen sie auf der Fensterbank schon flott heran. Auf den einzelnen Töpfchen ist vermerkt, was später geerntet werden kann: große gelbe, kleine grüne, braun gestreifte, rote Minis und die besonders schmackhafte orangefarbene von Heinz, einem Verwandten. Der passionierte Gärtner, gesegnet mit einem sonnigen Stück Land in Ravensburg, hat mir im Winter den Samen geschenkt. Er hatte ihn einfach auf einem Stück Papier von der Küchenrolle getrocknet. Beim Säen steckt man den einzelnen Samen einfach mitsamt dem angeklebten Papier in die Erde. Einfacher geht es wirklich nicht.
Alte Winterheckenzwiebel
Allzu lange möchte ich mit dem Auspflanzen ins Glashaus nicht mehr warten, denn ideal ist der Standort auf dem Fensterbrett nicht. Dort ist es auf Dauer doch zu warm, und dann schießen die Pflanzen in die Höhe. Im Gegensatz zur wärmeliebenden Tomate können Salatpflanzen schon früh im Jahr ins Gewächshaus hinaus. Inzwischen haben sie schon hübsche Köpfchen gebildet, und zu Ostern wird es wohl den ersten eigenen Salat geben. Auch bei den Kohlrabis zeigen sich bereits ansehnliche kleine Sprossknollen.
Die Beete im Freiland müssen jetzt auch hergerichtet werden – immerhin wachsen schon die Zwiebeln, die ich im Herbst gesetzt habe. Apropos Zwiebeln: Manchem ist vielleicht die Winterheckenzwiebel noch ein Begriff. Das ausdauernde Gewächs durfte früher in keinem Bauerngarten fehlen, lieferte es doch spätestens ab März das erste Grün, da nicht die Zwiebel, sondern wie beim Schnittlauch nur die Röhren in der Küche verwendet werden. Gesät wird die Winterheckenzwiebel im Frühjahr, und sie treibt dann im Herbst die ersten Röhren. Im zweiten Jahr kommen noch Blüten hinzu, die nicht nur zum Verzehr geeignet sind, sondern auch Bienen, Schwebfliegen und manche Wespenarten anlocken. Die Pflanze ist sehr robust. Bei starkem Frost sterben die Röhren zwar ab, aber bereits im frühen Frühjahr treiben sie wieder aus. Die alte Zwiebel kann jahrelang an einem Standort bleiben und deshalb wird sie auch zur Beeteinfassung verwendet. Zu Unrecht ist die Winterheckenzwiebel wie viele andere alte Sorten etwas in Vergessenheit geraten. Um diese Entwicklung zu stoppen und die biologische Vielfalt im Garten zu erhalten, wurde der Verein „Genbänkle“ins Leben gerufen. Eine wirklich gute Idee!