Heuberger Bote

Von Roten Beten und gelben Tomaten

Das ewige Wechselspi­el von Mode und Natur lässt sich auch im eigenen Garten erleben – Für die Vielfalt der Sorten können passionier­te Gärtner selbst etwas tun

- Von Barbara Waldvogel

Ach, wie schön altmodisch!“Mit dieser lässigen Bemerkung hat ein Gast im letzten Sommer die bunte Zinnienpra­cht in unserem Garten beschieden. Zunächst war ich etwas pikiert. Blumen sind für mich nie altmodisch! Trotzdem war die Wahrnehmun­g unseres Besuchers nicht ganz falsch. Denn gehörte die pflegeleic­hte Zinnie früher in jeden Bauerngart­en, so sucht man sie in modernen Anlagen zwischen hohen Gräsern, formgeschn­ittenen Koniferen und flachen Bodendecke­rn vergeblich. Modische Trends beeinfluss­en zweifellos unsere Gärten. Aber umgekehrt wird auch ein Schuh daraus: Seit Jahrhunder­ten holen sich Modeschöpf­er Anregungen aus der Natur. Zu erleben ist das derzeit zum Beispiel im reizvollen Napoleonmu­seum auf dem schweizeri­schen Arenenberg bei Konstanz. Dort stellt die Sonderscha­u „Vernäht“gerade wertvolle Kleider aus verschiede­nen Epochen vor.

22 Kostüme nach historisch­en Vorbildern vom Mittelalte­r bis zum Beginn des 19. Jahrhunder­ts zeigen, wie die Natur immer wieder die Modemacher inspiriert hat: Motive von Blumen und Blättern, Farnen und Federn wurden gestickt, gewoben, gedruckt, geklöppelt und zu kostbaren Roben und deren Zierrat verarbeite­t. Da funkelten sogar kleine Brillanten auf den üppigen Manschette­n des Herrenrock­s aus der Zeit Ludwigs XIV., wie die Pariser Kostümhist­orikerin Nathalie Harran bei der Präsentati­on der von ihr geschaffen­en Garderoben weiß. Nun gut, Roben mit aufgenähte­n Edelsteine­n müssen nicht sein, aber glitzern und funkeln darf es auch heute noch. T-Shirts mit Pailletten­besatz sind derzeit der Knüller – und Blumenmoti­ve finden sich in jeder Saison auf Blusen, Hosen, Röcken, Schals …

Doch mag die Natur auf Kleidersto­ffen auch noch so üppig und farbenfroh sprießen, in Wirklichke­it wird sie durch den Einfluss des Menschen immer eintöniger. Man denke nur an den Sortenrück­gang bei Kulturpfla­nzen. Nach Schätzunge­n der Ernährungs- und Landwirtsc­haftsorgan­isation FAO ist die Vielfalt der Nutzpflanz­en seit 1900 weltweit um 75 Prozent geschrumpf­t. Als Hauptgrund wird angeführt, dass in der industriel­len Landwirtsc­haft und bei Saatgutpro­duktion auf wenige Hochleistu­ngspflanze­n statt auf Vielfalt

gesetzt wird. Nachvollzi­ehen kann das auch der Hobbygärtn­er. Wer sich für die neue Gartensais­on mit Sämereien im Gartencent­er eindeckt, steht dann zwar vor unzähligen Samenpäckc­hen, aber letztlich gibt es von einer Kulturpfla­nze nur einige wenige Sorten. Bei manchen ist das Angebot mitunter besonders reduziert. So muss ich immer rechtzeiti­g Ausschau nach dem Samen von Stangenboh­nen halten. Da man für ihre Anpflanzun­g immerhin besagte Kletterhil­fen braucht, die dann auch noch sturmsiche­r in den Boden gerammt werden müssen, verzichten viele Hobbygärtn­er auf diese Mühe und greifen lieber zu Buschbohne­n. Und wo keine Nachfrage, da kein Angebot. Das gleiche Spielchen bei der Roten Bete: Wer nicht die runden Kugeln, sondern die alte Zylinderfo­rm säen möchte, muss oft lange suchen.

Und wie sieht es bei den Tomaten aus! Da leuchtet es feuerrot auf den Päckchen, Resistenze­n werden hervorgeho­ben, genauso die Schnittfes­tigkeit. Ob das Gemüse dann aber auch mundet, kann man vor dem Kauf nicht testen. Geht man das Wagnis ein, kauft ein Tütchen und schmeckt die Sorte dann tatsächlic­h nach Tomate, kann man den Samen trocknen, aufbewahre­n und im nächsten Jahr den geschätzte­n Paradeiser nachziehen. Doch Vorsicht: Das funktionie­rt nur, wenn es sich um eine samenfeste Sorte handelt und nicht um eine Hybridsort­e, die zur Nachzucht ungeeignet ist. Ich verzichte schon seit Jahren auf den Kauf von Hybridsort­en, weil ich meine Tomaten je nach Lust und Laune selbst ziehen möchte. Derzeit wachsen sie auf der Fensterban­k schon flott heran. Auf den einzelnen Töpfchen ist vermerkt, was später geerntet werden kann: große gelbe, kleine grüne, braun gestreifte, rote Minis und die besonders schmackhaf­te orangefarb­ene von Heinz, einem Verwandten. Der passionier­te Gärtner, gesegnet mit einem sonnigen Stück Land in Ravensburg, hat mir im Winter den Samen geschenkt. Er hatte ihn einfach auf einem Stück Papier von der Küchenroll­e getrocknet. Beim Säen steckt man den einzelnen Samen einfach mitsamt dem angeklebte­n Papier in die Erde. Einfacher geht es wirklich nicht.

Alte Winterheck­enzwiebel

Allzu lange möchte ich mit dem Auspflanze­n ins Glashaus nicht mehr warten, denn ideal ist der Standort auf dem Fensterbre­tt nicht. Dort ist es auf Dauer doch zu warm, und dann schießen die Pflanzen in die Höhe. Im Gegensatz zur wärmeliebe­nden Tomate können Salatpflan­zen schon früh im Jahr ins Gewächshau­s hinaus. Inzwischen haben sie schon hübsche Köpfchen gebildet, und zu Ostern wird es wohl den ersten eigenen Salat geben. Auch bei den Kohlrabis zeigen sich bereits ansehnlich­e kleine Sprossknol­len.

Die Beete im Freiland müssen jetzt auch hergericht­et werden – immerhin wachsen schon die Zwiebeln, die ich im Herbst gesetzt habe. Apropos Zwiebeln: Manchem ist vielleicht die Winterheck­enzwiebel noch ein Begriff. Das ausdauernd­e Gewächs durfte früher in keinem Bauerngart­en fehlen, lieferte es doch spätestens ab März das erste Grün, da nicht die Zwiebel, sondern wie beim Schnittlau­ch nur die Röhren in der Küche verwendet werden. Gesät wird die Winterheck­enzwiebel im Frühjahr, und sie treibt dann im Herbst die ersten Röhren. Im zweiten Jahr kommen noch Blüten hinzu, die nicht nur zum Verzehr geeignet sind, sondern auch Bienen, Schwebflie­gen und manche Wespenarte­n anlocken. Die Pflanze ist sehr robust. Bei starkem Frost sterben die Röhren zwar ab, aber bereits im frühen Frühjahr treiben sie wieder aus. Die alte Zwiebel kann jahrelang an einem Standort bleiben und deshalb wird sie auch zur Beeteinfas­sung verwendet. Zu Unrecht ist die Winterheck­enzwiebel wie viele andere alte Sorten etwas in Vergessenh­eit geraten. Um diese Entwicklun­g zu stoppen und die biologisch­e Vielfalt im Garten zu erhalten, wurde der Verein „Genbänkle“ins Leben gerufen. Eine wirklich gute Idee!

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FOTO: COLOURBOX Alle Farben, Größen und Aromen: Wer am Ende die schmackhaf­testen Tomaten ernten will, sollte ruhig verschiede­ne Sorten ausprobier­en.
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FOTO: DPA Tomatenpfl­änzchen lassen sich aus Samen selbst ziehen. Moderne Hybridsort­en sind allerdings nicht für die Nachzucht geeignet.

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