Im Hirsch ist die Blutwurst von der Rolle
Artur Frick-Renz ist als Küchenchef im Gasthof Hirsch in Goppertsweiler bei Neukirch eines dieser Chamäleons, deren Stärke es ist, eben nicht wie ein braver Schuster immer bei seinen Leisten zu bleiben. Das scheint dem erfahrenen Koch einfach zu langweilig. Andererseits: Das umfangreiche Angebot seines Restaurants verliert auch bei kreativen Spaziergängen auf neuen Wegen niemals den Funkkontakt zur kulinarischen Bodenstation. Der Mann kennt seine Wurzeln, und die geben ihm den nötigen Halt, sodass zum Beispiel Gerichte wie die Blutwurst-Cannelloni nichts Merkwürdiges haben. Genießbar sind sie sowieso, denn Frick-Renz hat die Fülle der Teigrollen um Brät erweitert, sodass die derbe Textur von der Blutwurst ein bisschen aufgefangen wird. Die wirklich ausgezeichnete Pfefferschärfe trifft dabei den optimalen Punkt zwischen delikatem
Feuer und kerniger Aromatik. Frischer Spinat und eine buttrigschaumige Rieslingsoße werten den fabelhaften Teller mit einem Schuss Eleganz auf. Zuvor war es eine potente Rinderkraftbrühe, die in klassischer Zubereitung als fleischliche Essenz den hohen Anspruch des Kochs an sich selbst dokumentiert hat. Kleiner Schwachpunkt: Den in der Suppe schwimmenden Grießnocken fehlte die lockere Konsistenz, der angekündigte Trüffelgeschmack erwies sich als nicht vorhanden. Blitzsauber präsentiert sich indes die Fischsuppe mit grätenfreien Filets, deutlich mit Safran und Dill gewürzt, geschmacklich durch reichlich Gemüse begleitet. Eine von Paprika dominierte leichte Form der Rouille erfrischt dabei mit angenehmer Säure. Ein wahres Meisterstück an aromatischer Vielschichtigkeit ist dann die bärenstarke Soße im Hauptgang, dem Rollbraten vom Milchkalb. Der Sud vereint die ganze Kraft langen Schmorens mit dunklen Röstaromen und einem vernünftigen Rotwein. Gebuttertes Gemüse sowie Semmelknödel halten dem sehr gut stand. Das Fleisch ist allerdings ein bisschen fest im Biss, es fehlt ihm an der eigentlich zu erwartenden Zartheit, was noch etwas Luft zur Perfektion lässt.
Für den Service – versehen von zwei ebenso flinken wie aufmerksamen Damen – gilt: Gekleidet in Schwarz, passen Sie zur gepflegten Landhaus-Atmosphäre des Hirschs, die in verschiedenen Räumen variiert. Mal modern, mal wirtshaustypisch. Eingedeckt ist mit anständigen Stoffservietten. Artur Frick-Renz lässt sich den Wein auf der Karte tendenziell günstig bezahlen. Auch seine Kochkunst dehnt trotz des sehr schönen Niveaus die Grenzen des preislich Möglichen nicht aus. Dafür steht zum Beispiel der mehr als üppige Nachspeisenteller für elf Euro: Er versammelt in einer verführerischen Kalorienparade dunkle Mousse, Halbegfrorenes von der Blutorange, Crème brûlée sowie einen Dinkelkaiserschmarren mit hohem Butteranteil. Wer sich durch diesen Lehrpfad des guten Geschmacks – die wegen Wässrigkeit schwächelnde Crème ausgenommen – löffelt, schließt sein genießenswertes Menü standesgemäß ab. Eines, für das sich FrickRenz alles andere als verstecken muss. Gerade weil er es sich leistet, nicht immer bei seinen Leisten zu bleiben.