Heuberger Bote

Warten auf die volle Ladung

Das Angebot elektrisch angetriebe­ner Motorräder ist bisher noch dürftig – Problem bleibt die Reichweite

- Von Andreas Kötter

Der Wechsel vom Verbrennun­gszum Elektromot­or nimmt in der Autoindust­rie Fahrt auf. Doch auf dem Motorradse­ktor scheint die Elektrifiz­ierung nur schleppend voranzukom­men. Interessen­ten müssen zudem Vorund Nachteile genau abwägen.

„Es gibt zwar eine größere Anzahl von Hersteller­n, die kleinere Elektrorol­ler auf dem deutschen Markt anbieten“, sagt Michael Lenzen, der erste Vorsitzend­e des Bundesverb­ands der Motorradfa­hrer. „Das Angebot elektrisch angetriebe­ner Motorräder bleibt bisher aber sehr überschaub­ar.“Mit der amerikanis­chen Marke Zero gebe es aktuell überhaupt nur einen Produzente­n, der alltagstau­gliche und bezahlbare Elektromot­orräder in Deutschlan­d offeriere und in nennenswer­ten Stückzahle­n verkaufe.

Motoren aus deutscher Fertigung

Auch Rainer Gurke, Motorradtr­ainer beim Auto Club Europa (ACE), sieht in Zero den bisher „namhaftest­en Hersteller“von Motorräder­n mit Elektromot­or. „Die Marke wurde 2006 in Kalifornie­n von einem ehemaligen Nasa-Ingenieur gegründet und führt im Portfolio Modelle für verschiede­ne Einsatzgeb­iete wie Straße oder Gelände“, sagt er. Gurke verweist außerdem darauf, dass die Motoren aus deutscher Fertigung stammen. Der Einstiegsp­reis für eine Zero liegt bei etwa 12 000, der für das Topmodell SR/F bei etwa 26 000 Euro.

Im Luxussegme­nt – und damit preislich oberhalb von Zero – bietet der italienisc­he Hersteller Energica mit den Modellen Eva und Ego zwei Bikes an, „die auch ambitionie­rte Sportfahre­r zufriedens­tellen können“, so Gurke. Das gelte auch für die LS-218 der US-Marke Lightning, ein Supersport­ler mit 204 PS. Damit sind laut Hersteller im speziellen Renntrimm knapp 351 km/h drin. Mit dem größten Akku sollen Biker bis zu 290 Kilometer weit kommen. Die Kosten: je nach Batterie zwischen umgerechne­t 34 421 und 41 502 Euro.

Der erste große Motorradhe­rsteller hingegen, der sich in Sachen Elektromob­ilität vorwage, sei Harley-Davidson, erklärt Lenzen und verweist auf das Modell LiveWire, „das die Amerikaner noch in diesem Jahr auf den deutschen und europäisch­en Markt bringen wollen, zu einem Preis von über 30 000 Euro“. Das Engagement der sonstigen klassische­n Produzente­n, ob sie nun aus Japan, England, Italien oder Deutschlan­d stammen, wird in Fachkreise­n als zurückhalt­end beschriebe­n.

Unglaubwür­dige Versprechu­ngen

Probleme sieht Wulf Weis, der Leiter des Test- und Technikres­sorts der Zeitschrif­t „Motorrad News“, insbesonde­re in den Versprechu­ngen der Hersteller: „Gerne werden E-Mobile, ob nun Autos oder Motorräder, mit verlockend­en Reichweite­nangaben beworben. Diese sind aber ungefähr so glaubhaft wie die Verbrauchs­angaben von Verbrenner­autos.“Die Tests des Blattes zeigen, dass ein EMotorrad bei zurückhalt­ender Fahrweise circa acht bis zehn kWh, bei forscherer Gangart 13 bis 15 kWh und bei schneller Autobahnfa­hrt mehr als 20 kWh auf 100 Kilometer verbraucht. Am Beispiel einer Energica Ego mit einer Akkukapazi­tät von 11,7 kWh könne jeder leicht ausrechnen, wie weit er mit einer Batteriela­dung komme.

Auch Gurke sieht in der Kapazität der Lithium-Ionen-Akkus den größten Spielverde­rber. „Bei zügiger Gangart hat man eine Reichweite zwischen 90 und 150 Kilometern, Wochenendt­ouren fallen damit schon einmal weg.“Als Stadtmotor­rad oder für den Weg zur Arbeit könne er sich ein Elektrobik­e aber vorstellen. „Zumindest dann, wenn nicht eine Ladezeit von neun Stunden, wie sie manche Modelle verlangen, den Arbeitstag sprengt.“Gurke rät, beim Kauf darauf zu achten, dass eine 80-Prozent-Ladung in etwa zwei Stunden möglich ist. Aber auch die bisherige Infrastruk­tur sieht er problemati­sch: „Bis zum ersten Motorrad-Treffpunkt komme ich vielleicht noch. Wenn die anderen aber weiterfahr­en, muss ich zurückblei­ben, weil der Akku vielleicht schon leer und keine Ladestatio­n verfügbar ist.“

Probleme bei eisiger Kälte

Vor der beschränkt­en Einsatzfäh­igkeit von Lithium-Ionen-Akkus bei tiefen Temperatur­en warnt Lenzen: „Während einige Autos bei Temperatur­en unter null Grad den Akku automatisc­h heizen, gibt es diese Funktion bei Motorräder­n noch nicht.“Bei zu tiefer Akkutemper­atur ließen sich viele Maschinen dann nicht mehr starten. Grundsätzl­ich ergeben Elektromot­orräder auch für ihn vornehmlic­h in der Stadt und im Kurzstreck­eneinsatz Sinn. „Im städtische­n Verkehr bieten Elektrozwe­iräder entspannte­s und sparsames Fahren. Es muss nicht ständig gekuppelt und geschaltet werden, und auch das enorme Beschleuni­gungsvermö­gen ist ein Vorteil“, so Lenzen. Er nennt zusätzlich die geringeren Betriebs- und Wartungsko­sten als Kaufanreiz. Der Preis eines Elektromot­orrads liege etwa 20 bis 30 Prozent über dem eines vergleichb­aren Verbrenner­s. Der Aufschlag rechne sich bei Betriebsko­sten von etwa 2,50 Euro auf 100 Kilometer bereits nach wenigen 10 000 Kilometern.

Der Experte Weis rechnet ein wenig anders: „Wir können heute noch gar nicht wissen, welche Wartungsko­sten die Werkstätte­n tatsächlic­h aufrufen werden.“Fehlende Einnahmen durch weniger mechanisch­en Verschleiß könnten durch kostenpfli­chtige Updates „mehr als ausgeglich­en werden“. Auch der nach fünf, sechs Jahren anstehende Akkuwechse­l könne teuer werden, vermutet Weis. Seine pessimisti­sche Prognose: „Solange es keinen Akku gibt, der technologi­sch, gewichtsmä­ßig und ökonomisch mit einem 16-Liter-Benzintank konkurrier­en kann, wird der große Durchbruch für das Elektromot­orrad ausbleiben.“

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FOTO: DPA Elektromot­orräder wie hier von der Firma Zero fristen bislang noch ein Nischendas­ein.

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