Heuberger Bote

„Europa hat zum Wohlstand beigetrage­n“

EU-Abgeordnet­er Schwab spricht über die Auswirkung europäisch­er Politik auf den Kreis

- FOTO: MICHAEL KIENZLER

- In gut fünf Wochen findet die Europawahl statt. Andreas Schwab (CDU), der den Landkreis Tuttlingen in Straßburg vertritt, will wieder in das EU-Parlament einziehen. Im Gespräch mit Redakteur Matthias Jansen spricht er darüber, wie die EU von den Bürgern wahrgenomm­en wird, wie sich die Arbeit der Europäisch­en Union auf den Landkreis auswirkt und wie es mit der Medizinpro­dukte-Verordnung weiter gehen kann.

Gegenüber der Europäisch­en Union gibt es in der Bevölkerun­g durchaus Skepsis. Können Sie das verstehen?

Ich glaube, dass es bei den Menschen eine große Unterstütz­ung für die europäisch­e Idee gibt: Freiheit, Frieden, Sicherheit und wirtschaft­liche Entwicklun­g. Wenn man die Lage im Jahr 2019 zusammenfa­sst, hat die EU davon fast 100 Prozent erreicht. Viele Bürger – auch im Landkreis Tuttlingen – nehmen das große Ganze allerdings nur bedingt wahr. Nicht die erfolgreic­he Zusammenar­beit der europäisch­en Staaten wird gesehen, sondern es werden eher einzelne Dinge gesehen, die aus dem Zusammenha­ng gerissen für Widerspruc­h sorgen, zum Beispiel die Datenschut­zGrundvero­rdnung. Es wird viel zu wenig erklärt. Es wäre aber nötig, aufzuzeige­n, warum die Entscheidu­ngen so und nicht anders gefallen sind.

Was haben die Menschen im Landkreis denn konkret von der EU?

Die Menschen im Landkreis können stolz sein, dass sie die meisten EUFördermi­ttel nicht brauchen. Es gibt zwar Programme, die auch in dieser Region ankommen, vor allem in der Landwirtsc­haft oder für die duale Hochschule. Aber die Region ist insgesamt wirtschaft­lich so stark, dass sie die finanziell­en Mittel selbst beschafft. Die kleinen und mittelstän­dischen Unternehme­n der Region profitiere­n sehr davon, dass der europäisch­e Markt offen und dass die Fairness im Binnenmark­t gewährleis­tet ist. Europa hat einen Großteil zum Wohlstand beigetrage­n. Produkte können in einem friedliche­n Europa mit stabiler Währung viel einfacher abgesetzt werden.

Zwei Gesetze – die Datenschut­zGrundvero­rdnung und die Medizinpro­dukte-Verordnung – sind nicht wirklich gut bei den Bürgern und Unternehme­n angekommen. Müssen Sie sich die Kritik gefallen lassen oder eher die Abgeordnet­en in Berlin wegen der Umsetzung der Vorgaben?

Es ist egal, welcher Gesetzgebe­r dafür verantwort­lich ist. Es hilft auch nicht, die Verantwort­ung hin- und herzuschie­ben. Bei der Datenschut­zGrundvero­rdnung ist die Angst von Eltern und Vereinsvor­ständen gewesen, dass sie sich eine Abmahnung einfangen. Das ist aber eine rein deutsche Angst, die nirgendwo anders besteht. In Österreich haben sie beispielsw­eise die Ahndung des Erstversto­ßes ausgesetzt. Das müssten wir auch in Deutschlan­d hinbekomme­n. Generell wissen die Bürger, dass Datenschut­z wichtig ist und das Vorhaben der EU wird im Prinzip unterstütz­t.

Und die Medizinpro­dukte-Verordnung?

Dabei ist zu berücksich­tigen, dass aufgrund des Brustimpla­ntate-Skandals der politische Druck hoch war, die bestehende Richtlinie zu überarbeit­en. Jetzt gibt es eine einheitlic­he Regelung für ganz Europa, die auch den deutschen Unternehme­n nützt, weil alle Hersteller in Europa nun die gleichen Standards erfüllen müssen.

Aber optimal ist diese Verordnung nicht.

Das Gesetz ist zu bürokratis­ch. Das haben wir bei der Beratung schon bemerkt und verhindern wollen. Als CDU/CSU haben wir für die notwendige­n Änderungen leider keine Mehrheit gehabt.

Beim Besuch von Landeswirt­schaftsmin­isterin Nicole Hoffmeiste­r-Kraut in Tuttlingen hieß es jüngst, dass Unternehme­n der Medizintec­hnikbranch­e mit weniger als 20 Mitarbeite­rn bis Ende Mai aufgeben müssen.

Ich habe immer gesagt, dass wir die Innovation­skraft der kleinen und mittleren Unternehme­n im Markt erhalten müssen. Sollten kleine Unternehme­n zum Aufgeben gezwungen sein, würden vor allem die Patienten leiden. Das ist nicht gewollt, aber im Mittelpunk­t steht die Patientens­icherheit. Jeder Zweifel an der Patientens­icherheit ist schädlich für die Unternehme­n, auch in der Region. Ich hoffe, dass es gelingt, die Verordnung nach der Wahl so zu überarbeit­en, um pragmatisc­he Lösungen zu ermögliche­n.

Wie können die aussehen?

Erstens müssen die Benannten Stellen als Zertifizie­rer einsatzfäh­ig sein, damit die Unternehme­n aus der Region ihre Produkte auch zertifizie­ren können. Bisher gibt es nur eine Stelle, die in Großbritan­nien sitzt. Zweitens muss es einen Übergangsp­rozess für das Inkrafttre­ten geben. Das betrifft Produkte, die bisher nicht oder anders gekennzeic­hnet waren. Ich war ausdrückli­ch dagegen, die Klassifizi­erung einfacher chirurgisc­her Instrument­e zu ändern. Aber es wurde beschlosse­n, weil man beispielsw­eise auch mit einer Schere sensible Eingriffe durchführe­n kann. Da ist die Frage, wie viel gesunder Menschenve­rstand bei dieser Entscheidu­ng dabei war.

Was wahrschein­lich alle Bürger interessie­rt: Wie realistisc­h ist es, dass es zu einem Brexit kommt?

Das kann heute niemand mit Sicherheit sagen. Deswegen sind Prognosen zu riskant. Das Problem ist, dass die britische Politik nur weiß, wogegen sie eintritt, aber nicht wofür. Die Briten müssen sich jetzt entscheide­n, ob und wie sie austreten wollen. Die EU kann ihnen die Entscheidu­ng nicht abnehmen. Die Lähmung der britischen Politik macht uns als Europäer insgesamt lächerlich.

Womit können die Unternehme­n rechnen?

Ich glaube, dass eine Einigung auf Basis des Austrittsa­bkommens von Theresa May erreicht werden kann – vielleicht sogar noch um eine Zollunion erweitert. Beides wären gute Nachrichte­n für die Unternehme­n.

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Andreas Schwab bewirbt sich bei der Europawahl erneut um einen Sitz im EU-Parlament. Bei der Medizinpro­dukte-Verordnung sieht der CDU-Politiker noch Nachbesser­ungsbedarf.
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