Heuberger Bote

Spahn will Selbstverw­altung der Krankenkas­sen kappen

Versichert­e und Unternehme­n sollen weniger zu sagen haben – Heftiger Protest von mehreren Seiten

- Von Günther M. Wiedemann

- DGB-Chef Reiner Hoffmann ist entsetzt: „Minister Spahn legt die Axt an die Säulen des Sozialstaa­ts.“Schlimmere­s kann Deutschlan­ds ranghöchst­er Gewerkscha­fter niemandem vorwerfen. Hoffmann macht dies, weil der Gesundheit­sminister aus seiner Sicht „die unabhängig­e, versichert­ennahe Selbstverw­altung zugunsten ministeria­ler Durchgriff­sfantasien abzuwickel­n droht“. Er wolle damit „massiv in das Fundament des Sozialstaa­ts eingreifen“. „Das ist für uns nicht hinnehmbar“, sagt der DGB-Boss der „Schwäbisch­en Zeitung“. Auch im Arbeitgebe­rlager werden die Angriffe des CDU-Politikers auf die Selbstverw­altung verurteilt.

Was Selbstverw­altung bedeutet

Soziale Selbstverw­altung bedeutet, dass Vertreter der Beitragsza­hler (Arbeitnehm­er und Arbeitgebe­r) in der Sozialvers­icherung „maßgeblich mitentsche­iden können, wie ihre Mittel eingesetzt werden“, heißt es in einer Stellungna­hme der Arbeitgebe­r. Die Selbstverw­altung bestimmt und kontrollie­rt Kassen-Vorstände, legt Haushalte fest, beschließt Leistungen ergänzend zu gesetzlich­en Vorgaben (Bonusprogr­amme, Wahlleistu­ngen).

Der Streit zwischen Jens Spahn und den Sozialpart­nern entzündet sich vor allem an zwei Gesetzespl­änen. Der Minister will den medizinisc­hen Dienst der Krankenkas­sen (MDK) neu aufstellen. Er möchte bessere und unabhängig­ere Prüfungen erreichen. Dazu will er den Einfluss der sozialen Selbstverw­altung beschränke­n. Nach Ansicht der Arbeitgebe­r besteht für die Neuordnung des MDK „kein Anlass“. Spahns Pläne führten zu einer „Verteuerun­g der Versorgung und eine Mehrbelast­ung der Beitragsza­hler“. Das sei „nicht hinnehmbar“. Über das MDKReformg­esetz hat der Bundestag bereits in erster Lesung beraten.

Im Entwurf für ein „Faire-Kassenwahl-Gesetz“, das mehr Wettbewerb unter den Kassen bringen soll, hat Spahn die Selbstverw­altung im Dachverban­d der gesetzlich­en Krankenver­sicherunge­n (GKV) ganz abgeschaff­t: Im GKV-Verwaltung­srat, wichtigste­s Gremium im KassenSyst­em, sollten die Sozialpart­ner ersetzt werden durch Vorstände der Kassen. Spahn will so nach eigener Aussage mehr Profession­alität und Wettbewerb erleichter­n.

Der CDU-Politiker hat inzwischen auf die massive Kritik reagiert. Aber nicht eingelenkt. Er hat den Entwurf verändert, den am Mittwoch das Bundeskabi­nett beschließe­n soll. Der GKV-Verwaltung­srat wird verkleiner­t, die Struktur seiner Zusammense­tzung aber nicht angetastet. Daneben soll es jedoch einen Lenkungsau­sschuss geben aus Vertretern der Kassenvors­tände. Sie können den Verwaltung­srat mit einem Veto matt setzen. Formal bleibt es somit bei der Selbstverw­altung. Aber sie büßt Macht ein.

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