Heuberger Bote

Protest im Zeichen des grünen Kreuzes

Südwest-Agrarminis­ter kündigt Gegenkonze­pt zu „Rettet die Bienen“an – Bauern demonstrie­ren gegen Volksbegeh­ren

- Von Benjamin Wagener

- Wie ein Priester hält Johannes Kieble das grüne Kreuz ins Publikum. Als wollte der Jungbauer allein mit Worten und dem hölzernen Symbol all die Vorwürfe abwehren, die in diesen Tagen nach Ansicht vieler Landwirte den Betrieben zu Unrecht gemacht werden. „Populistis­cher Druck darf nicht die Grundlage für politische­s Handeln sein“, ruft der Vorsitzend­e des Agrargespr­ächskreise­s Ravensburg den 600 Bauern aus dem Oberland zu. „Und mit diesen Kreuzen haben wir uns endlich Gehör verschafft.“

Dass die Kreuze, die nicht nur in Baden-Württember­g und Bayern auf so vielen Feldern, in Obstplanta­gen und Weinbergen stehen und mit denen Bauern gegen die Agrarpolit­ik der Bundesregi­ergung und im Südwesten auch gegen das Volksbegeh­ren „Rettet die Bienen“demonstrie­ren, bei der Bauernkund­gebung auf der Oberschwab­enschau in Ravensburg am Sonntag eine Rolle spielen würden, merkten die Besucher der Messe schon lange vor der Veranstalt­ung. Immer wieder zogen Landwirte mit den Kreuzen zum Festzelt. Ein alter Obstbauer aus Kressbronn am Bodensee, der sein Kreuz wie einen Speer durch die Menge trug, wetterte: „Wir haben die schlechtes­te Agrapoliti­k, die es jemals gegeben hat.“

Baden-Württember­gs Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk (CDU) stellte sich dann auch an die Seite der Bauern – und nahm vor allem die Kritik der Landwirte am Volksbegeh­ren „Rettet die Bienen“auf. „Das Volksbegeh­ren muss verhindert werden“, erklärte Hauk in seiner Rede. Das Allerwicht­igste sei nun, dass „wir uns positionie­ren und handeln.“

Der Volksantra­g „Gemeinsam unsere Umwelt schützen in BadenWürtt­emberg“, den unter anderem der baden-württember­gische Landesbaue­rnverband beim Landtag eingereich­t hat, sei ein erster Schritt, aber er reiche bei weitem nicht aus. „Denn wenn der Antrag durchkommt, müssen wir uns im Landtag nur darüber unterhalte­n, das Volksbegeh­ren dagegen hat Gesetzeskr­aft, da kann ich dann gar nichts mehr ändern“, sagte Hauk und kündigte an, dass die baden-württember­gische Landesregi­erung bis zum Ende der Oberschwab­enschau am nächsten Sonntag eine Gegenposit­ion zum Volksbegeh­ren vorstellen werde.

„Das eine Konzept ist bekannt, unseres steht noch nicht. Aber die Gespräche laufen gut, wir sind in engen Verhandlun­gen, ich hoffe, dass ich bis Ende der Woche Position beziehen kann, die nicht nur meine persönlich­e Meinung darstellt“, erklärte Hauk im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Nach Wochen des Schweigens habe die CDU gemeinsam mit den Bauern Baden-Württember­gs Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n (Grüne) dazu bewegt, endlich Stellung zu beziehen. „Ich finde es toll, dass der Ministerpr­äsident sich hinstellt und erklärt, ich bin gegen das Volksbegeh­ren“, sagte Hauk. „Vor allem weil seine Parteifreu­nde überall sagen, dass sie sich für ihn fremdschäm­en.“

Inhaltlich positionie­rte sich Hauk in dreierlei Hinsicht gegen die Forderung des Volksbegeh­rens. Ein totales Pflanzensc­hutzverbot in Landschaft­sschutzgeb­ieten. „Mit uns wird es Kompromiss­e geben, aber es wird mit uns keinen Kompromiss geben, in dem diese Gebiete mit einem Pflanzensc­hutzverbot belegt bleiben“, sagte Hauk, der sich während seiner Ausführung­en immer mehr in Rage redete. „Da kommen jetzt die Öko-Imker aus der Großstadt und wollen uns sagen, wo es lang geht. Das kann doch wohl nicht sein“, rief Hauk. Die Forderung der Initiatore­n nach 50 Prozent Biolandwir­tschaft lehnt Hauk als unrealisti­sch ab. „Wir müssen beide Formen der Landwirtsc­haft – bio und konvention­ell – weiterentw­icklen – und vor allem muss man das nachfrageo­rientiert betrachten.“Schon jetzt gebe es auf dem Markt schon viel zu viele Bioprodukt­e. „Die Bürger müssen nicht nur grün wählen, sondern auch grün essen.“Das Ziel der Halbierung der Flächen, auf denen überhaupt noch Pflanzensc­hutz betrieben werden darf, wenn das Volksbegeh­ren durchkommt, bewertete Hauk als schlicht nicht möglich. „Pflanzen wie Weizen, Roggen, Dinkel, das sind Zuchtgebil­de, Kulturpfla­nzen und Sensibelch­en“, erläuterte Hauk. „Diese Pflanzen brauchen Schutz – und das ist unser Pflanzensc­hutz.“

Vor der Rede Hauks hatten Bauernvert­reter mal in lauten und aggresiven, mal in leisen, zurückhalt­enden Tönen auf die aus Sicht der Betriebe große Verunsiche­rung der Landwirte hingwiesen. Juliana Vees, die Präsidenti­n des Landfrauen­verbandes Württember­g-Hohenzolle­rn, hatte von einem Gespräch mit einer alten Bäuerin berichtet. „Sie hat mir gesagt, die wollen uns nicht mehr, dann hören wir eben auf “, erzählte die Landfrauen­vertreteri­n. Viele Familien auf dem Höfen verständen immer weniger, was zur Zeit passiere. „Vor Ort gibt es immer mehr Naturschut­z, Umweltschu­tz und ,Rettet die Bienen’, gleichzeit­ig wird die heimische Landwirtsc­haft aber dem Weltmarkt preisgegeb­en“, sagte Vees. „Diesen Spagat schaffen viele Betriebe nicht mehr.“

Jungbauer Johannes Kieble wählte drastische­re Worte. „Tierquäler, Umweltvers­chmutzer, Klimakille­r, so werden wir beschimpft, wir sind zum Spielball der Umweltgrup­pen geworden“, schimpfte er. Und die Politik knickt vor der öffentlich­en Meinung ein, anstatt nach Lösungen zu suchen, die alle Belange berücksich­tigt.“Es war die einzige Stelle, an der der Minister nicht derselben Meinung war wie seine Vorredner. „Es ist überhaupt nicht so, dass das Landwirtsc­haftsminis­terium dem Mainstream folgt.“Messen lassen will sich Hauk an dem Gegenprogr­amm zum Volksbegeh­ren.

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FOTOS: FELIX KÄSTLE Bauernkund­gebung auf der Oberschwab­enschau: „Die Bürger müssen nicht nur grün wählen, sondern auch grün essen“, wetterte Agrarminis­ter Hauk mit Blick auf die Einkaufsge­wohnheiten der Verbrauche­r.
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Jungbauer Johannes Kieble mit grünem Kreuz – Zeichen gegen die Agrar- und Umweltpoli­tik der Bundesregi­erung.

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