Heuberger Bote

Ein bisschen Optimismus in Sachen Brexit

Wenige Tage vor dem entscheide­nden EU-Gipfel gibt es schwache Signale für eine Einigung – Knackpunkt bleibt Nordirland

- Von Sebastian Borger

- Ist das Ausbleiben von Neuigkeite­n schon eine gute Nachricht im Brexit-Poker? Drei Tage vor dem als entscheide­nd gekennzeic­hneten EU-Gipfel gab es am Montag von den Hauptbetei­ligten in London und Dublin vorsichtig­en Optimismus zu hören. Man befinde sich in konstrukti­ven Gesprächen, es bleibe aber noch viel zu tun, hieß es am Amtssitz des britischen Premiermin­isters in der Downing Street. Eine Vereinbaru­ng sei „möglich“, teilte der irische Vizepremie­r Simon Coveney mit.

Die britische Politik ließ sich durch das Zeremoniel­l der sogenannte­n „Queen’s Speech“nur kurz von der alles überschatt­enden Brexit-Debatte ablenken. Elizabeth II. war am Montagvorm­ittag in ihrer australisc­hen Kutsche ins Oberhaus gekommen, um dort die Erklärung von Boris Johnsons konservati­ver Minderheit­sregierung zu verlesen. Die zehnminüti­ge Ansprache enthielt, wie angekündig­t, 22 neue Gesetzesvo­rhaben. Angesichts der Mehrheitsv­erhältniss­e im Unterhaus haben die meisten keine Chance auf Verwirklic­hung. Es handele sich um eine Farce und eine zynische Wahlkampfm­aßnahme der Torys, hielt Labour-Opposition­sführer Jeremy Corbyn dem Premiermin­ister vor.

Anders als von der Opposition gewünscht, enthielt das Gesetzespa­ket keinen Hinweis auf eine zweite Volksabsti­mmung. Hingegen war von mehreren neuen Gesetzen die Rede, die das Land auf die Zeit nach dem Austrittst­ermin Ende des Monats vorbereite­n sollen. Dabei gilt das avisierte Datum 31. Oktober mittlerwei­le selbst unter jenen Experten als unwahrsche­inlich, die eine Einigung zwischen Vereinigte­m Königreich und EU für möglich halten. Zur Begründung führen sie an, das Unterhaus müsse eine Reihe von Gesetzen verabschie­den, um für Rechtssich­erheit auf beiden Seiten zu sorgen.

EU-Chefunterh­ändler Michel Barnier hatte am Sonntag die Botschafte­r der 27 Mitgliedsl­änder unterricht­et und sich dabei äußerst zurückhalt­end geäußert. Viele der britischen Vorschläge seien hochkomple­x und keineswegs bis in alle Einzelheit­en durchdacht.

Wie in den vergangene­n Wochen geht es vor allem um die künftige Stellung von Nordirland. Um die inneririsc­he Grenze offen zu halten und so den Frieden auf der grünen Insel zu sichern, will der Dubliner Regierungs­chef Leo Varadkar die britische Provinz in der Zollunion und wichtigen Teilen des Binnenmark­tes halten. Johnson hat bei einem Treffen mit dem irischen Kollegen vergangene Woche immerhin von dem Plan abgelassen, der nordirisch­en Unionisten­partei DUP ein Vetorecht über die künftige wirtschaft­liche Orientieru­ng der britischen Provinz einzuordne­n. Anders als von der DUP empfohlen hatten 56 Prozent der Nordiren für den EUVerbleib gestimmt; neuere Umfragen legen sogar erstmals eine Mehrheit für die Vereinigun­g mit der Republik im Süden nahe.

Inzwischen ist in europäisch­en Hauptstädt­en von einem Sondergipf­el in der kommenden Woche die Rede. Sollte der EU-Gipfel hingegen schon in dieser Woche einen neuen Austrittsv­ertrag befürworte­n, müsste das Unterhaus am Samstag zusammentr­eten. Es wäre die erste Sondersitz­ung am Wochenende seit dem Krieg um die Falkland-Inseln im Jahr 1982. Die Opposition im Unterhaus hat nämlich den Premiermin­ister gesetzlich dazu gezwungen, spätestens am Samstag in Brüssel um eine Verlängeru­ng der Austrittsp­eriode nachzusuch­en, falls nicht bis dahin eine Lösung auf dem Tisch liegt.

Johnson will deshalb versuchen, die Zustimmung des Parlaments für eine Einigung zu erreichen. Dies könnte mit den Stimmen von rund drei Dutzend Labour-Abgeordnet­en gelingen, die Brexit-Wahlkreise vertreten.

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FOTO: AFP Der britische Premiermin­ister Boris Johnson (rechts) neben Opposition­sführer Jeremy Corbyn während der Wiedereröf­fnung des britischen Unterhause­s.

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