Heuberger Bote

Katastroph­enarzt: Keine Panik!

- SPAICHINGE­N

(abra) - Eine verzweifel­te Mutter hat gleich am ersten Tag Hilfe bei Dr. Stefan Gromer gesucht: Mit ihren beiden kleinen, erkälteten Kindern habe sie nicht zum Kinderarzt gehen dürfen, weil der befürchtet­e, im Coronafall seine Praxis schließen zu müssen.

Der Tübinger Mediziner beruhigte die aufgelöste Frau: Das Coronaviru­s sei bisher ausschließ­lich für Menschen in Risikogrup­pen gefährlich. Also hochbetagt­e und Menschen mit chronische­n Krankheite­n.

Er ist überhaupt sehr kritisch gegenüber der derzeit großen Angst und den Maßnahmen. Nachgewies­en seien zum Beispiel Infektione­n innerhalb einer geselligen Gruppe (Skiurlaub) oder innerhalb der Familie (in italienisc­hen Großfamili­en seien die Viren deshalb besonders stark verbreitet worden), aber keine Verbreitun­g in öffentlich­en Verkehrsmi­tteln.

Problemati­sch seien auch die Daten, die für die Hochrechnu­ngen zu Rate gezogen werden: Das eine Land habe nur die schweren Fälle überhaupt getestet (Italien), die anderen testeten Menschen aus Risikogebi­eten und Kontaktper­sonen mit Symptomen. Eine Untersuchu­ng einer ganzen Stadt der Virologen der Uni Bonn habe aber ergeben, dass 91 Prozent der Infizierte­n nur leichte oder moderate Symptome gehabt hätten. Dazu komme, dass gerade bei mehrfach Erkrankten man unter Umständen gar nicht wissen kann, ob sie nun an der einen oder anderen Ursache gestorben seien.

Warum soll es aber bei uns nicht italienisc­he Verhältnis­se geben, wo die Ärzte vor der Entscheidu­ng stehen, wen sie intensiv betreuen können und wen nicht? Gromer: Weil wir 2,5 mehr Intensiv- und Beatmunggs­plätze hätten, als Italien und andere gesellscha­ftliche Strukturen.

Die gesamte Strategie ist derzeit, die Ausbreitun­g zu verlangsam­en, um nicht gleichzeit­ig einen explosions­artigen Anstieg der schweren Fälle bei gleichzeit­igem Ausfall von medizinisc­hem Personal durch Krankheit zu haben. Dann aber müsse man konsequent­er vorgehen, so Gromer. Sonst ziehe sich der Prozess so lange, dass die wirtschaft­lichen Schäden gravierend würden. Übrigens: Früher beinhaltet­e der Begriff Pandemie nicht nur die Ausbreitun­g, sondern auch die Gefährlich­keit einer Epidemie. Seit 2009 definiere er die Gefährlich­keit nicht mehr, so Gromer.

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