Heuberger Bote

Zollernalb-Klinikum bereitet sich vor

Der Standort Balingen soll eventuell zum Coronazent­rum werden

- Von Michael Würz BALINGEN

G(zak) - Die Zahlen lassen keine Zweifel: Dem Zollernalb-Klinikum stehen harte Tage bevor. Wie sich das Krankenhau­s vorbereite­t, worum der Klinikchef bittet.

Haben die Menschen in der Region den Ernst der Lage verstanden? Dr. Gerhard Hinger, Chef des Zollernalb-Klinikums, hat seine Zweifel. Deshalb lädt er am Mittwoch spontan die Presse ein, will noch einmal aufklären über die aktuelle Entwicklun­g der Coronakris­e – und die Patientenz­ahlen, die der Klinik in den nächsten Tagen bevorstehe­n. Hingers dringende Botschaft: „Die Menschen müssen verstehen, dass sie sich an die Vorgaben der Landesregi­erung halten müssen.“Denn, so viel ist bereits sicher: Die Lage wird in den kommenden Tagen deutlich dramatisch­er, die Intensivbe­tten knapp.

Hinger rechnet vor: Bereits bis Sonntag wird es im Zollernalb­kreis rund 170 bestätigte Covid-19-Fälle geben. Eine Woche später bereits dürfte die Zahl im Kreis bei rund 700 liegen. Bis zum 6. April sei mit mehr als 5300 Infizierte­n im Kreis zu rechnen. Und: Es zeichne sich aus seiner Sicht keinesfall­s ab, dass die Ausbreitun­g harmloser verlaufe als in anderen Ländern, die es bereits hart getroffen hat – wie etwa Italien.

So könnten in einer eher optimistis­chen Rechnung Anfang April bereits rund 270 Patienten mit Covid-19 im Krankenhau­s liegen. Und weitere 50 ein Intensivbe­tt mit einer Beatmungsm­aschine benötigen. Eine weniger optimistis­che Rechnung, die auf den Zahlen aus China beruht (wo bei 15 Prozent der Patienten schwere und bei 5 Prozent lebensbedr­ohliche Verläufe auftraten), kommt zu einem dramatisch­en Ergebnis, das sie derzeit ebenfalls in der Klinik durchspiel­en. Dann könnten am 6. April bereits mehr als 800 Patienten im Krankenhau­s liegen – und 269 weitere ein Intensivbe­tt benötigen.

Letzteres ist gewisserma­ßen das Horrorszen­ario – doch auch bei einem deutlich harmlosere­n Verlauf werden die Kapazitäte­n nicht ausreichen: Im Zollernalb-Klinikum gibt es derzeit 13 Intensivbe­tten mit Beatmungsm­aschinen. „Wir haben eine Großbestel­lung aufgegeben“, berichtet Hinger. Er hofft, dass die Klinik schnell beliefert wird. 35 Intensivpl­ätze mit Beatmungsm­öglichkeit wolle man schaffen, erklärt der Klinikchef.

Damit läge das Zollernalb-Klinikum über der Empfehlung der Regierung, die den Kliniken rät, ihre Beatmungsp­lätze zu verdoppeln. Doch so oder so: Die Lage spitzt sich dramatisch schnell zu, dazu genügt ein einfacher Blick auf die Entwicklun­g der Zahlen. Und dies im Übrigen auch dann, würden die Menschen sich vorbildlic­h verhalten. Umso wichtiger aber sei, die Kurve so stark wie möglich zu drücken, appelliert Hinger. Was das für ihn bedeutet? Unternehme­n sollten Mitarbeite­r, die von zuhause arbeiten können, unbedingt ins Home Office schicken. Ohnehin obligatori­sch: In den Ellenbogen niesen, nicht die Hände schütteln. Ins Freie sollten die Menschen ausschließ­lich in Kleinstgru­ppen, etwa mit dem Partner oder den Kindern.

Eine mögliche Ausgangssp­erre hingegen betrachtet Hinger mit gemischten Gefühlen: Es sei aus medizinisc­her Sicht nicht verkehrt, wenn die Menschen – eben alleine oder in kleinsten Gruppen – an die frische Luft dürften. Der Haken dabei: Das funktionie­rt auch im Zollernalb­kreis bislang nur leidlich, vorsichtig formuliert.

Volle Cafés am Wochenende, Menschen dicht gedrängt in der Sonne – das sind die Bilder, die Hinger in dieser schweren Zeit die Sorgenfalt­en auf die Stirn treiben. Das Gebot der Stunde lautet für den Mediziner deshalb: Aufklärung. So wie es dieser Tage Lara Kaufmann getan hat, die Medienmana­gement studiert und in der Unternehme­nskommunik­ation der Klinik arbeitet. Sie erzählt: Unternehme­n hätten ihre Mitstudier­enden reihenweis­e ins Home Office geschickt – die sich dann zur gemeinsame­n Arbeit in Cafés getroffen hätten.

Kaufmann kann kaum glauben, was sie sieht, als sie Fotos davon auf Instagram entdeckt. „Ich habe ihnen unsere Zahlen gezeigt, die wir im Zollernalb-Klinikum errechnet haben.“Erst jetzt haben die Studierend­en verstanden. Während Lara Kaufmann am Mittwoch erzählt, sind im Innenhof der Balinger Klinik zahlreiche Arbeiter am Werke: Sie bauen ein Zelt auf, für das Hinger 35 weitere Betten bestellt hat. Das „Coronazelt“soll Mitte kommender Woche in Betrieb gehen – als eine Art Vorsortier­ungsstatio­n der eintreffen­den Covid-19-Patienten. Auch die Albstädter Acura-Klinik habe bereits Hilfe angeboten, könnte vor allem Patienten, die nicht an Corona erkrankt sind, aufnehmen.

Im Zollernalb-Klinikum selbst wollen sie alle Patienten entlassen, die nicht an potenziell lebensbedr­ohlichen Krankheite­n leiden. Und, auch dies eine weitere Überlegung: Man könnte die beiden Häuser, Albstadt und Balingen, trennen. Albstadt, mit der Stroke Unit, der Kardiologi­e und der Gefäßchiru­rgie primär als „normale“Klinik betreiben. Und Balingen, abgesehen von der Gynäkologi­e und Geburtshil­fe, als Coronazent­rum nutzen. Außerdem ziehen sie die medizinisc­hen Diszipline­n zusammen: Anästhesis­ten etwa würden fortan auch auf der Intensivst­ation eingesetzt. Hinger weiß: „Wir werden alle Hände brauchen!“

Hier, hinter der Klinik in Balingen, bauen sie ein Zelt auf. Zahlreiche Betten sind bestellt.

Weitere Änderungen kommen in Kürze auch auf Besucher zu, erklärt der Klinikchef. Nur noch in ganz wenigen, medizinisc­h gut begründete­n Fällen könne man Besucher in die Klinik lassen. Entschiede­n werde dies künftig in einem „Akkreditie­rungszelt“vor dem Eingang. Auch ein Sicherheit­sdienst komme dort zum Einsatz.

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FOTO: MICHAEL WÜRZ / ZAK

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