„Jetzt ist es Zeit zu wachsen“
Führungsexperte Boris Grundl über Optimismus, mentale Stärke und Chancen der Corona-Krise
Boris Grundl glaubt, dass aus der CoronaKrise auch Postitives erwächst.
- Kann aus der Corona-Krise auch etwas Positives entstehen? Ja, sagt der Trossinger Management-Trainer und Führungsexperte Boris Grundl, der seit einem schweren Unfall an den Rollstuhl gefesselt ist. Unsere Redakteurin Larissa Schütz hat sich mit ihm unterhalten.
Die Corona-Krise sorgt bei vielen für Panik und Pessimismus. Wie schafft man es, bei aller Umsicht optimistisch zu bleiben?
Ob Sie es glauben oder nicht: Man kann diese Zeiten genießen. Die herrschende Intensität öffnet das Bewusstsein und gibt Zeit, nachzudenken. Die Menschen richten sich kollektiv nach innen, das ist interessant zu beobachten.
Das Problem für viele ist derzeit, dass sie mit etwas konfrontiert werden, das sie noch nicht bewältigen können. Wenn zum Beispiel Ihre Waschmaschine kaputt ist und Sie genug Geld auf dem Konto haben, kaufen Sie einfach eine neue und haken das ab. Aber wenn Sie Ihren Job verlieren, arbeitslos werden oder wie ich 90 Prozent Ihrer Muskel gelähmt sind, dann ist das erstmal kaum bewältigbar. Man spricht da von Resilienz oder psychischer Widerstandsfähigkeit. Wer keine passende Antwort auf eine solche Situation hat, wird unsicher. So entsteht
Angst. Betrifft es ein ganzes Volk, neigen wir dazu, in eine Gruppenhysterie zu verfallen, und die Auswüchse sind extrem. Nehmen Sie den aktuellen Flächenbrand an Panik. Leider auch von manchen Medien mit befeuert. Gerade jetzt sind nüchterne Berichte, mit sauberen Fakten wichtig.
Und wie kommen wir aus dem pessimistischen Loch wieder raus?
Unsere Unfähigkeit, mit Unsicherheit umzugehen, wirft uns auf uns selbst zurück. Wir lernen jeden Tag mehr, und damit kommt die innere Sicherheit zurück. Wenn man diesen Wachstumsprozess genießt, dann ist man nicht mehr pessimistisch. Wir müssen lernen, uns neu auf die Welt einzulassen. Für mich selbst ist das ein sehr bekannter Prozess. Und das Geheimnis meines Erfolges. Dieses „mich regelmäßig in Frage stellen“ist seit meinem Unfall ein Teil meiner mentalen DNA. Sie merken vielleicht, dass krisenerprobte Menschen meist besser mit der jetzigen
Situation umgehen können - aus genau dem Grund. Wer in seinem Leben bis jetzt in Watte gepackt war, der versinkt in Sorgen. Dabei bringt Sorgen machen nichts. Außer mentaler Lähmung. Wir müssen uns auf das konzentrieren, was wir beeinflussen können, anstatt uns mit Sorgen Energie zu entziehen. Wissen Sie, was ich mache, wenn ich als Rollstuhlfahrer irgendwo auf ein Hindernis wie eine Treppe (als Symbol) stoße? Und diese Bremsklötze gibt es zu Haufen in meinem Leben Ich suche einen anderen Weg und limitiere mich nicht, indem ich über die Ungerechtigkeit der Welt jammere. Wenn wir uns auf Machbares konzentrieren, ist der Geist frei - und es entsteht einen Zustand, den ich leidende Inspiration nenne. Wir sind inspiriert und leiden. Gleichzeitig.
Sie sind selbstständig in einer Branche, die nicht zur Grundversorgung zählt. Vorträge vor Publikum können Sie nicht halten. Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf Ihr Unternehmen? Wie motivieren Sie sich selbst in dieser Zeit?
Ich befolge meinen eigenen Rat und konzentriere mich auf das, was ich beeinflussen kann. Darauf, was ich jetzt tun kann - und das tue ich dann. Auch wir müssen uns jetzt mit Einsparungen beschäftigen. Noch bevor der Puffer aufgebraucht ist. Und uns neu ausrichten: Am Wochenende stand ich zwei Tage lang vor der Kamera und wir haben das Onlinetraining „Stark durch die Krise“produziert. Der Onlinekurs geht ab sofort in den Vertrieb, dazu bieten wir Telefonbegleitung.
Haben Sie nie einen Moment, in dem Sie denken: Gerade läuft es richtig schlecht?
Natürlich. Aber ich kann gleichzeitig leiden und ein Bild der Zukunft haben, das mich inspiriert. Ich versuche, das Leid zu kanalisieren und etwas Produktives zu tun.
Sie coachen Firmen im Bereich Leadership. In vielen Unternehmen ist die Stimmung derzeit äußerst schlecht. Wie können die Unternehmer da gegensteuern?
Stimmungen kommen und gehen. Sie sind flüchtig. Mental starke Menschen sind da anders. Sie lassen sich weder von übermäßigen schlechten Gefühlen, noch von übermäßigen guten Gefühlen anstecken. Deswegen lautet mein Rat: Nicht gegen irgendetwas zu kämpfen! Schon gar nicht gegen eine Stimmung. Wichtig ist, dass möglichst viele die CoronaKrise mental voll annehmen können.
Um denen eine mentale Stütze zu sein, die es noch nicht können. Das ist Leadership, das ist Menschenführung. Das können Sie, das kann jetzt jeder tun. Und alle Taten, die daraus erwachsen, werden wichtig sein. Jeder kann einen Unterschied ausmachen. Jeder! Unternehmer und jeder im Unternehmen können die Situation annehmen, nicht drumherum reden, keinen Schuldigen suchen und transparent Lösungen erarbeiten. Jetzt werden zwei Fragen beantwortet: 1. Wie kommen wir dadurch? Und 2. Wie bereiten wir uns gleichzeitig vor, dass wir zu den Gewinnern nach der Krise gehören. Oder anders: Was ist unsere Daseinsberechtigung in zehn Jahren?
Haben Sie generell Tipps für alle, die in dieser Zeit eine Führungsrolle – jedweder Art - übernehmen?
Verzichtet auf die Worte positiv und negativ. Die Unterscheidung positiver oder negativer Umgang ist zu oberflächlich. Zu wenig differenziert. Erkennt, und anerkennt auch eure destruktiven mentalen Zustände. Die gehören dazu. Wir sind Menschen. Doch bitte versteht, es sind nur mentale Zustände. Sie können eine Sekunde, eine Minute, eine Stunde, einen Tag, ein Jahr oder ein ganzes Leben dauern. Bringt den Menschen bei, das zu verstehen. Kommt ein destruktiver Zustand, nimmt ihn an, lass ihn los, und wechsle in einen konstruktiven Zustand. Das kann man lernen. Das nennt sich Transformation. Genau das ist z.B. die Daseinsberechtigung unseres Institutes in zehn Jahren.
Sie kennen sich mit Kommunikation bestens aus. Viele müssen jetzt von persönlichen Gesprächen auf Telefon und E-Mail umsteigen. Wie schafft man es, so genauso effektiv zu kommunizieren wie persönlich? Ist das überhaupt möglich?
Stellen Sie sich vor, sie sitzen in einem Boot, das am Abgrund paddelt. Alle sind nur darauf konzentriert, vom Abgrund wegzukommen. In Nicht-Krisenzeiten hingegen wird über die Farbe der Segel diskutiert, die Länge der Paddel, oft Nichtigkeiten. Doch in einer Krise geht es zuerst um das Notwendige. Also werdet euch über eure Ziele glasklar. Dann setzt verbindliche Umsetzungszeiträume. Und jetzt wird im Kern nur darüber gesprochen. Diese Klarheit hilft in enorm. Und sie entlarvt auch die unnötigen Eitelkeiten, die sonst so oft eine Rolle spielen.
Wie interne Machtspiele und informelle Gruppeninteressen.
Was meinen Sie: Können wir aus dieser Krise gestärkt hervorgehen?
Im Moment denken Menschen, Unternehmen, die ganze Gesellschaft nach. Sie werden auf sich zurückgeworfen. Stellen sich selbst infrage, nicht andere. Das ist das positive Wesen einer Krise. Sie suchen nach neuen, frischen Antworten. Doch sobald es vorbei ist, fallen einige wieder in ihr altes Muster zurück. Nur der Druck hat sie wacher gemacht. Meine Hoffnung ist, dass wir als Gesellschaft in Summe wachsen. Schauen Sie sich doch die große Solidarität an, die dieser externe Druck auch mit sich bringt. Eine Krise ist nicht automatisch eine Chance, aber sie wird zur Chance, wenn wir sie annehmen und unsere Lehren daraus ziehen. Jetzt ist die Zeit, zu wachsen.