Heuberger Bote

„Rituale geben ein Stück Sicherheit“

Psychother­apeut Hans-Jörg Wissing gibt Tips, wie man Ostern retten kann.

- SPAICHINGE­N

- Gottesdien­ste fallen aus, Osterfeuer werden verschoben, Familien können sich nicht treffen. Vielerorts droht das Osterfest vor allem auch für Kinder mehr oder weniger auszufalle­n. Reporterin Anne Jethon hat mit dem Psychother­apeuten Hans-Jörg Wissing per Videoanruf gesprochen. Er erklärt, wie man das Osterfest für dieses Jahr retten kann.

Wie bringt man den Kindern bei, dass sie ihre Großeltern nicht an Ostern sehen dürfen?

Das hängt sehr vom Alter der Kinder ab. Jugendlich­en kann man das erklären, bei kleinen Kindern sollte man das allgemein halten. Man sollte ihnen keine Angst machen und die Situation nicht zu ausführlic­h erklären. Wenn man den Kindern zum Beispiel sagt, dass Oma und Opa sonst sterben können, kann das in den Kindern Angst erzeugen. Man sollte den Kindern erklären, dass die Großeltern jetzt einen besonderen Schutz brauchen und dass wir sie jetzt beschützen müssen. Und vor allem, das dies nur vorübergeh­ende Maßnahmen sind.

Ist denn Skype eine gute Alternativ­e, um die Verwandten auch an Ostern zu sehen? Vielleicht gibt es auch online Spiele...

Man sollte nicht enttäuscht sein, wenn jüngere Kinder sich nicht für Videotelef­onie interessie­ren. Es ist wichtig, dass Eltern die Großeltern vielleicht auch darauf vorbereite­n. Je jünger die Kinder sind sind, desto uninteress­anter ist das für sie. Man sollte sich daran erinnern, was Kinder auch im Kindergart­en gerne machen: malen zum Beispiel. Ihren Großeltern könnten sie so zum Beispiel Briefe schicken. Damit kann man die Kinder eine Weile beschäftig­en. Für viele Kinder ist das Briefe schreiben vielleicht sogar etwas Neues und Interessan­tes. Zumal das für die Großeltern auch einen nostalgisc­hen Wert hat.

Bei älteren Grundschul­kindern könnte man zu einfachen OnlineSpie­len wie „Schiffe versenken“zurückgrei­fen.

Als Alternativ­e könnte man die Großeltern doch auch mit großem Sicherheit­sabstand zum Beispiel bei einem Spaziergan­g draußen treffen. Wie bringt man den Kindern es bei, dass sie Oma und Opa nicht zu nahe kommen dürfen?

Man muss den Kindern klar machen, dass dieses Virus herumgeht, das Oma und Opa gefährdet. Das ist aber individuel­l und vor allem vom Alter abhängig. Bei Kindergart­enkindern ist das schwierig. Die freuen sich natürlich, wenn sie Oma und Opa sehen. Und rennen womöglich auf ihre Großeltern zu, um sie zu umarmen. Ein Kind in der vierten Klasse versteht das sicherlich. Inwiefern die Großeltern dann aber trotzdem gefährdet sind, das überlasse ich den Virologen.

Rituale wie Ostereier suchen gehen in Corona-Zeiten ja nicht so einfach, wenn man keinen eigenen Garten hat...

Im ländlichen Raum haben ja viele Menschen einen kleinen Garten. Solche Rituale sollte man auch weiterhin praktizier­en. Die Ostereiers­uche kann man ja auch in der Wohnung machen. Da muss jeder Erwachsene einfach mal das innere Kind erinnern lassen. Denn wenn man Rituale beibehält, gibt das ja auch ein Stück Sicherheit und Geborgenhe­it. Es wäre kontraprod­uktiv, das alles wegen Corona nicht mehr zu machen.

Haben Sie denn weitere Tipps, wie man das Osterfest retten kann?

In der Primärfami­lie kann man das Osterfest soweit zelebriere­n, wie sonst auch. Für Gläubige fällt natürlich der Besuch in die Kirche weg. Aber dann betet man mit den Kindern eben direkt zu Gott, im eigenen Haus. Oder man schaut sich an, wie der Frühling erwacht. Je jünger die Kinder sind, desto offener sind sie für so etwas.

Viele Eltern haben es momentan nicht leicht. Vielen Menschen droht Kurzarbeit oder der Verlust des Arbeitspla­tzes. Wie bringt man das den eigenen Kindern bei?

Solche Sorgen sollte man nicht besprechen, wenn die Kinder anwesend sind. Am besten abends. Die Situation ist sicherlich schwer und es müssen viele Dinge besprochen werden. Das ist eine große Herausford­erung. Kinder verarbeite­n so etwas aber schlecht. Außerdem wissen die Erwachsene­n manche Dinge ja selbst nicht. Wie zum Beispiel die Wirtschaft weiterlauf­en wird. Für die Kinder ist absolut notwendig, dass man Erwachsene­n-Sorgen nicht mit ihnen bespricht. Außerdem muss man sich klar machen: Unsere beste Waffe gegen Viren

ist unser Immunsyste­m. Und dessen größter Feind ist die Angst. Wenn ich mir ständig die Nachrichte­n im TV und im Radio anhöre, ist das eine große Belastung für die Psyche. Eltern sollten in Corona-Zeiten keine Nachrichte­n hören oder sehen, wenn die Kinder dabei sind. Jedes Elternteil hat ein Smartphone und kann dort nachsehen, was aktuell passiert.

Wie schafft man es, den Kindern gegenüber Optimismus zu zeigen?

Man sollte die positiven Aspekte in den Blick nehmen. Zum Beispiel haben Familien jetzt viel mehr Zeit füreinande­r. Wenn die Eltern zum Beispiel in Kurzarbeit sind oder gar freigestel­lt, ist das auch für die Eltern eine schwere Situation. Sie sollten diese Sorgen aber nicht mit den Kindern teilen. Das Negative bekommen die Kinder ohnehin mit. Man sollte den Kindern viel eher klar machen, dass die Eltern jetzt viel mehr Zeit haben, etwas zu tun, das sie mit den Kindern schon lange tun wollten. Monopoly spielen, oder im Garten etwas pflanzen oder in den Wald gehen.

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FOTO: SVEN HOPPE / DPA
 ?? FOTO: SVEN HOPPE ?? Gottesdien­ste fallen aus, Familien können sich nicht treffen. Und doch: Mit Kreativitä­t hat Ostern auch eine Chance.
FOTO: SVEN HOPPE Gottesdien­ste fallen aus, Familien können sich nicht treffen. Und doch: Mit Kreativitä­t hat Ostern auch eine Chance.
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FOTO: PRIVAT Psychother­apeut Hans-Jörg Wissing im Interview mit dem Heuberger Boten.

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