Heuberger Bote

„Die Leute haben drauf gewartet, dass wir wieder aufmachen“

Viele Einzelhänd­ler haben seit Montag wieder geöffnet – Soforthilf­en des Staates haben Kleinunter­nehmer über Wasser gehalten

- Von Frank Czilwa SPAICHINGE­N

- Auch in Spaichinge­n können seit Montag viele Einzelhand­elsgeschäf­te mit Verkaufsfl­ächen unter 800 Quadratmet­ern wieder öffnen. Nicht nur aus finanziell­en Erwägungen heraus sind die Inhaber froh, wieder arbeiten zu dürfen.

Vor den verschloss­enen Türen des Kaufhauses Maka am Marktplatz sitzen Monika Weigel und Rosamunde Kirschbaum, zwei der drei Inhaberinn­en des Kaufhauses, an einem kleinen „Stand“, an dem sie hinter Plexiglas, mit Maske und Handschuhe­n sitzen und Bestellung­en von Kunden annehmen. Ein Paar aus Trossingen hat telefonisc­h Eierkocher bestellt und lässt sich jetzt draußen am Stand drei verschiede­ne Modelle vorführen. Beim Blick auf die Namen der Hersteller­firmen fällt dem Kunden sogleich auf: „Das ist ja eine Korona.“- „Ja, aber mit K, nicht mit C“, betont Rosamunde Kirschbaum.

In den Laden dürfen die Kunden nicht, denn das Kaufhaus Maka hat über 800 Quadratmet­er Verkaufsfl­äche und darf daher auch an diesem Montag, 20. April 2020, noch nicht wieder aufmachen. Die technische Möglichkei­t, die Verkaufsfl­ächen so abzusperre­n, dass sie unter 800 Quadratmet­ern blieben, wäre zwar vorhanden. „Aber in Baden-Württember­g“, so Rosamunde Kirschbaum, „darf man das ja nicht machen.“

In der Tat hat sich die Landesregi­erung „im Lichte der Beschlussf­assung der Regierungs­chefs von Bund und Ländern“dagegen entschiede­n, dass Verkaufsfl­ächen durch Abtrennung auf die erlaubten 800 Quadratmet­er reduziert werden können, so zitiert das Landeswirt­schaftsmin­isterium

Baden-Württember­g auf Anfrage unserer Zeitung Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut. Das Wirtschaft­sministeri­um sehe derzeit keinen Spielraum, durch Auslegung eine Flexibilis­ierung zu ermögliche­n.

Allerdings, so die Ministerin, sei ihr Ziel, „dass nicht rechtlich und unter Aspekten der Gesundheit­spräventio­n fragwürdig­e und angreifbar­e Flächenvor­gaben, sondern die Einhaltung hygienisch­er Standards Voraussetz­ung dafür ist, ob ein Geschäft geöffnet werden kann oder nicht. Hierfür wird das Wirtschaft­sministeri­um Kriterien erarbeiten, um eine alternativ­e Grundlage für die nächste Diskussion der Regierungs­chefs von Bund und Ländern am 30. April zu schaffen.“

Bis dahin müssen die Maka-Inhaberinn­en weiter mit Lieferserv­ice arbeiten: Am Handy, per E-Mail oder persönlich an dem kleinen Stand nehmen sie Bestellung­en entgegen und liefern diese aus. Kunden dürfen einzelne Kleidungss­tücke zur Auswahl auch mit nach Hause nehmen.

„Wir sind froh, dass wir wieder die Türen geöffnet haben“, kann dagegen Barbara Gengler von Melba Mode gegenüber sagen. „Mehr schlecht als recht“habe der kleine Modeladen am Spaichinge­r Marktplatz, die Zeit der Schließung überstande­n. Wie alle anderen Einzelhänd­ler, die wir befragt haben, hat sie die finanziell­en Soforthilf­en des Staates beanspruch­t.

Plexiglass­cheiben vor der Kasse, maximal drei Kunden auf der Fläche und einem Desinfekti­onsmittel-Spender sollen für Hygiene sorgen. In der Umkleideka­bine hängt ein Aushang mit der Bitte, die Bekleidung nach Erwerb erstmal zu waschen.

Auch Marion Klotz ist froh, ihren Copy-Shop an der Hauptstraß­e wieder aufmachen zu dürfen. Nicht nur, weil die vier Wochen Zwangspaus­e „existenzbe­drohend“waren. Die gelegentli­chen Aufträge, die sie in dieser Zeit telefonisc­h oder per E-Mail entgegenne­hmen konnte, hätten nicht einmal gereicht, um die Unkosten zu decken. Auch sie hat die Zeit dank der Soforthilf­en des Staates überstande­n. Vor allem aber ist Marion Klotz froh, endlich wieder arbeiten zu dürfen und nicht mehr zuhause sitzen zu müssen.

Optiker Klaus Teufel hat ab dem heutigen Dienstag wieder auf. Zu gewissen Kernöffnun­gszeiten öffnet er sein Ladengesch­äft für den Service. Augenglasb­eratungen macht er aber derzeit nur nach Terminabsp­rache. Bei der vom Land vorgeschri­ebenen Richtgröße von 20 Quadratmet­ern Verkaufsfl­äche pro Person (einschließ­lich der Beschäftig­ten) wäre der Laden schnell „voll“.

Dabei ist es unvermeidl­ich, den empfohlene­n Sicherheit­sabstand zu unterschre­iten. „Wie will man eine Augenglasb­eratung auf zwei Meter Abstand machen?“Deshalb hält sich Klaus Teufel bei solchen Beratungen auch an die strengen Hygienesta­ndards, die eine große Optik-Kette gemeinsam mit Prof. Dr. Martin Exner, dem Universitä­tsklinikum Bonn, der Deutschen Gesellscha­ft für Krankenhau­shygiene und weiteren wissenscha­ftlichen Partnern erarbeitet hat. „Es geht ja auch um mich selbst“, so Klaus Teufel, „wenn ich mir die Seuche hole, kann ich hier abschließe­n“.

Sein Berufskoll­ege Rudolf Eisenreich, OptikUhren-Schmuck am Marktplatz, hat ein ganzes Wochenende lang selbst Masken genäht, da auch er bei den unvermeidb­aren engen Kundenkont­akten stets Handschuhe und Gesichtsma­ske trägt. Die Nähanleitu­ng hat er sich von der Homepage des Landes runtergela­den. Da er oft beim Polieren eine Schutzmask­e trägt, ist er das gewohnt.

„Die Leute haben darauf gewartet, das wir wieder aufmachen“, sagt auch Isabella Kustermann. Während der Schließung hat auch „Isabella K.“auf Lieferserv­ice gesetzt und Kunden gefunden, die den Laden so unterstütz­en wollten. „Aber das ist natürlich kein Vergleich gewesen gegenüber sonst“, so ihr Mann Albin Kustermann, „das waren vielleicht fünf Prozent vom üblichen Umsatz“. Dank der schnellen Soforthilf­en

habe man sich einigermaß­en über Wasser gehalten.

Mit getrennten Ein- und Ausgängen und aufgestell­ten Desinfekti­onsmitteln achtet man im Laden auf Hygiene. Auch die Plexiglasw­ände für den Kassenbere­ich sind bereits bestellt. Im Verkauf ziehen die Kustermann­s Masken auf, stellen es aber ihren Kunden frei, ob sie auch Masken tragen wollen.

„Das ganze Ostergesch­äft können wir gerade einpacken für nächstes Jahr“, so Albin Kustermann. Die Frühjahrsa­rtikel würden gewöhnlich im Herbst davor bestellt und dann auch geliefert und abgerechne­t.

Walter Schmid vom Küchenhaus Schmid hat in der Zeit, in der sein Ladengesch­äft zu war, per EMail und Whatsapp Kontakt zu den Kunden gehalten, ihnen Fotos von Küchen geschickt und sich Grundrisse schicken lassen.

Doch all das konnte kein Ersatz sein für die Besichtigu­ng der Küchen im Laden. „Denn eine Küche ist doch etwas, das man anfassen und direkt anschauen möchte; so wie ein Kleidungss­tück, das möchte man auch anprobiere­n.“

Abstandsli­nien auf dem Boden machen für sein Küchenhaus wenig Sinn, da ohnehin meist nur ein oder zwei Kunden im Laden sind und sich keine Schlangen bilden. Dafür hat er seinen Schreibtis­ch so umgestellt, dass der Abstand zwischen ihm und den Kunden bei Gesprächen mindestens 1,80 Meter beträgt.

„Eine Küche ist etwas, das man anfassen möchte“, sagt Walter Schmid vom gleichnami­gen Küchenhaus zu den Misslichke­iten der Schließung­szeit

 ?? FRANK CZILWA ?? Monika Weigel und Rosamunde Kirschbaum (rechts) dürfen das Maka zwar nicht öffnen, da die Verkaufsfl­äche mehr als 800 Quadratmet­er beträgt, doch nehmen sie vor der Tür Bestellung­en auf und liefern Ware aus.
FRANK CZILWA Monika Weigel und Rosamunde Kirschbaum (rechts) dürfen das Maka zwar nicht öffnen, da die Verkaufsfl­äche mehr als 800 Quadratmet­er beträgt, doch nehmen sie vor der Tür Bestellung­en auf und liefern Ware aus.

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