„Die Leute haben drauf gewartet, dass wir wieder aufmachen“
Viele Einzelhändler haben seit Montag wieder geöffnet – Soforthilfen des Staates haben Kleinunternehmer über Wasser gehalten
- Auch in Spaichingen können seit Montag viele Einzelhandelsgeschäfte mit Verkaufsflächen unter 800 Quadratmetern wieder öffnen. Nicht nur aus finanziellen Erwägungen heraus sind die Inhaber froh, wieder arbeiten zu dürfen.
Vor den verschlossenen Türen des Kaufhauses Maka am Marktplatz sitzen Monika Weigel und Rosamunde Kirschbaum, zwei der drei Inhaberinnen des Kaufhauses, an einem kleinen „Stand“, an dem sie hinter Plexiglas, mit Maske und Handschuhen sitzen und Bestellungen von Kunden annehmen. Ein Paar aus Trossingen hat telefonisch Eierkocher bestellt und lässt sich jetzt draußen am Stand drei verschiedene Modelle vorführen. Beim Blick auf die Namen der Herstellerfirmen fällt dem Kunden sogleich auf: „Das ist ja eine Korona.“- „Ja, aber mit K, nicht mit C“, betont Rosamunde Kirschbaum.
In den Laden dürfen die Kunden nicht, denn das Kaufhaus Maka hat über 800 Quadratmeter Verkaufsfläche und darf daher auch an diesem Montag, 20. April 2020, noch nicht wieder aufmachen. Die technische Möglichkeit, die Verkaufsflächen so abzusperren, dass sie unter 800 Quadratmetern blieben, wäre zwar vorhanden. „Aber in Baden-Württemberg“, so Rosamunde Kirschbaum, „darf man das ja nicht machen.“
In der Tat hat sich die Landesregierung „im Lichte der Beschlussfassung der Regierungschefs von Bund und Ländern“dagegen entschieden, dass Verkaufsflächen durch Abtrennung auf die erlaubten 800 Quadratmeter reduziert werden können, so zitiert das Landeswirtschaftsministerium
Baden-Württemberg auf Anfrage unserer Zeitung Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut. Das Wirtschaftsministerium sehe derzeit keinen Spielraum, durch Auslegung eine Flexibilisierung zu ermöglichen.
Allerdings, so die Ministerin, sei ihr Ziel, „dass nicht rechtlich und unter Aspekten der Gesundheitsprävention fragwürdige und angreifbare Flächenvorgaben, sondern die Einhaltung hygienischer Standards Voraussetzung dafür ist, ob ein Geschäft geöffnet werden kann oder nicht. Hierfür wird das Wirtschaftsministerium Kriterien erarbeiten, um eine alternative Grundlage für die nächste Diskussion der Regierungschefs von Bund und Ländern am 30. April zu schaffen.“
Bis dahin müssen die Maka-Inhaberinnen weiter mit Lieferservice arbeiten: Am Handy, per E-Mail oder persönlich an dem kleinen Stand nehmen sie Bestellungen entgegen und liefern diese aus. Kunden dürfen einzelne Kleidungsstücke zur Auswahl auch mit nach Hause nehmen.
„Wir sind froh, dass wir wieder die Türen geöffnet haben“, kann dagegen Barbara Gengler von Melba Mode gegenüber sagen. „Mehr schlecht als recht“habe der kleine Modeladen am Spaichinger Marktplatz, die Zeit der Schließung überstanden. Wie alle anderen Einzelhändler, die wir befragt haben, hat sie die finanziellen Soforthilfen des Staates beansprucht.
Plexiglasscheiben vor der Kasse, maximal drei Kunden auf der Fläche und einem Desinfektionsmittel-Spender sollen für Hygiene sorgen. In der Umkleidekabine hängt ein Aushang mit der Bitte, die Bekleidung nach Erwerb erstmal zu waschen.
Auch Marion Klotz ist froh, ihren Copy-Shop an der Hauptstraße wieder aufmachen zu dürfen. Nicht nur, weil die vier Wochen Zwangspause „existenzbedrohend“waren. Die gelegentlichen Aufträge, die sie in dieser Zeit telefonisch oder per E-Mail entgegennehmen konnte, hätten nicht einmal gereicht, um die Unkosten zu decken. Auch sie hat die Zeit dank der Soforthilfen des Staates überstanden. Vor allem aber ist Marion Klotz froh, endlich wieder arbeiten zu dürfen und nicht mehr zuhause sitzen zu müssen.
Optiker Klaus Teufel hat ab dem heutigen Dienstag wieder auf. Zu gewissen Kernöffnungszeiten öffnet er sein Ladengeschäft für den Service. Augenglasberatungen macht er aber derzeit nur nach Terminabsprache. Bei der vom Land vorgeschriebenen Richtgröße von 20 Quadratmetern Verkaufsfläche pro Person (einschließlich der Beschäftigten) wäre der Laden schnell „voll“.
Dabei ist es unvermeidlich, den empfohlenen Sicherheitsabstand zu unterschreiten. „Wie will man eine Augenglasberatung auf zwei Meter Abstand machen?“Deshalb hält sich Klaus Teufel bei solchen Beratungen auch an die strengen Hygienestandards, die eine große Optik-Kette gemeinsam mit Prof. Dr. Martin Exner, dem Universitätsklinikum Bonn, der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene und weiteren wissenschaftlichen Partnern erarbeitet hat. „Es geht ja auch um mich selbst“, so Klaus Teufel, „wenn ich mir die Seuche hole, kann ich hier abschließen“.
Sein Berufskollege Rudolf Eisenreich, OptikUhren-Schmuck am Marktplatz, hat ein ganzes Wochenende lang selbst Masken genäht, da auch er bei den unvermeidbaren engen Kundenkontakten stets Handschuhe und Gesichtsmaske trägt. Die Nähanleitung hat er sich von der Homepage des Landes runtergeladen. Da er oft beim Polieren eine Schutzmaske trägt, ist er das gewohnt.
„Die Leute haben darauf gewartet, das wir wieder aufmachen“, sagt auch Isabella Kustermann. Während der Schließung hat auch „Isabella K.“auf Lieferservice gesetzt und Kunden gefunden, die den Laden so unterstützen wollten. „Aber das ist natürlich kein Vergleich gewesen gegenüber sonst“, so ihr Mann Albin Kustermann, „das waren vielleicht fünf Prozent vom üblichen Umsatz“. Dank der schnellen Soforthilfen
habe man sich einigermaßen über Wasser gehalten.
Mit getrennten Ein- und Ausgängen und aufgestellten Desinfektionsmitteln achtet man im Laden auf Hygiene. Auch die Plexiglaswände für den Kassenbereich sind bereits bestellt. Im Verkauf ziehen die Kustermanns Masken auf, stellen es aber ihren Kunden frei, ob sie auch Masken tragen wollen.
„Das ganze Ostergeschäft können wir gerade einpacken für nächstes Jahr“, so Albin Kustermann. Die Frühjahrsartikel würden gewöhnlich im Herbst davor bestellt und dann auch geliefert und abgerechnet.
Walter Schmid vom Küchenhaus Schmid hat in der Zeit, in der sein Ladengeschäft zu war, per EMail und Whatsapp Kontakt zu den Kunden gehalten, ihnen Fotos von Küchen geschickt und sich Grundrisse schicken lassen.
Doch all das konnte kein Ersatz sein für die Besichtigung der Küchen im Laden. „Denn eine Küche ist doch etwas, das man anfassen und direkt anschauen möchte; so wie ein Kleidungsstück, das möchte man auch anprobieren.“
Abstandslinien auf dem Boden machen für sein Küchenhaus wenig Sinn, da ohnehin meist nur ein oder zwei Kunden im Laden sind und sich keine Schlangen bilden. Dafür hat er seinen Schreibtisch so umgestellt, dass der Abstand zwischen ihm und den Kunden bei Gesprächen mindestens 1,80 Meter beträgt.
„Eine Küche ist etwas, das man anfassen möchte“, sagt Walter Schmid vom gleichnamigen Küchenhaus zu den Misslichkeiten der Schließungszeit