Die Renaissance des Selberkochens
Eine Krise, so lehrt uns das Kalenderblatt, sei immer auch eine Chance. Das ist natürlich bezogen auf viele Situationen des Lebens blanker Unsinn. Denn wer zum Beispiel in einem handelsüblichen Verkehrsstau die Krise kriegt, kann darin überhaupt keine Chance erkennen. Er hat ja dann meistens nicht mal die Chance, auszusteigen und spontan zu Fuß zu gehen. Bei der uns langsam zermürbenden Corona-Krise ist es schon ein bisschen anders. Zum Beispiel nutzen viele Menschen jetzt die unverhofft zur Verfügung stehende Zeit zu Hause als willkommene Chance, die oftmals verkümmerten Fähigkeiten am Herd wieder aufzupolieren.
Allfällige Kochergebnisse werden dann als Fotos im Internet in Gruppen geteilt, manche Menschen weisen auf die Ästhetik ihrer hübschen Teller hin. Andere, stets zu Scherzen aufgelegte Ironiker, entgegen dem liebevoll Selbstgekochten mit Bildern von Dosenfraß oder selbst geöffneten Fertiggerichten. Die Geschmäcker sind halt auch in der Krise verschieden.
Die Not, so lautet eine alte Weisheit, sei der beste Koch. Bei der Betrachtung
vieler solcher Essenbilder drängt sich allerdings eine erweiterte Erkenntnis auf: Nämlich dass selbst die ausgezeichnete Versorgungslage – und über selbige dürfen wir uns nach Kräften freuen – nicht immer automatisch gutes Essen hervorbringt. Einziger Trost, der natürlich einen sehr bitteren Beigeschmack hat: Es bleibt uns voraussichtlich noch viel, viel Zeit zum Üben. Mehr, als uns lieb sein kann. Und mehr, als es selbst robusten Mägen gut tut. (nyf )