Heuberger Bote

Schwäbisch­e Unternehme­r trotzen Corona

Fünf Unternehme­n der Region und wie sie mit der Herausford­erung umgehen

- Von Regina Braungart SPAICHINGE­N/DENKINGEN/FRITTLINGE­N

- Der Druck auf die heimische Wirtschaft ist groß derzeit. Aufträge brechen weg, werden verschoben oder können nicht installier­t werden in vielen Bereichen. Aber: Schwäbisch­e Unternehme­r wären keine schwäbisch­en Unternehme­r, wenn Sie nicht gerade jetzt ihre Stärken zeigen würden: Wendigkeit, Kreativitä­t, den Willen, das Beste daraus zu machen und vor allem: die Mitarbeite­r immer im Blick. Fünf Beispiele.

Keiner der Unternehme­r, mit denen wir gesprochen haben, beschönigt: Der derzeitige Stillstand bedroht ihre Firmen, fast alle akzeptiere­n die Maßnahmen aber: Menschenle­ben schützen ist das Wichtigste.

Michael Vonier aus Frittlinge­n hätte auch in die Riege der Unternehme­r gepasst, die einst in der Garage ihre Firmen begonnen und dann zur Größe ausgebaut haben. Bei ihm war es das ehemalige Jugendzimm­er. Nach seiner Ausbildung zum Kaufmann für Bürokommun­ikation – die er verkürzt, aber als Innungssie­ger beendet hat – habe er genau einen halben Tag als Angestellt­er gearbeitet – und sich dann selbststän­dig gemacht. Erst im Kommunikat­ionsbereic­h, inzwischen als Textilvere­dler (www.stickchef.de) auf 360 Quadratmet­ern mit fünf in verschiede­nen Graden angestellt­en Mitarbeite­rn.

Sein Geschäft ist das Beflocken, Besticken oder Bedrucken von Kleidung: Betriebskl­eidung, Kragenbest­ickung, Trainingsk­leidung, die Kunden sind Ärzte, Kommunen, Sportverei­ne, Firmen, fast alle im Umkreis von 40 Kilometern. „Von der Region für die Region“, sagt er. Und so kommen die Textilien auch aus Deutschlan­d, etwa von Harko aus Schwäbisch Hall.

„Krise“, das Wort mag Vonier nicht so sehr im Kontext seiner Arbeit, er sagt „herausford­ernde Zeit“. Konkret heißt das für ihn in letzter Zeit: bis zu 17 Stunden Arbeit, Umstellung der Software, Entwerfen ganz neuer Produkte und Abnehmer. Denn die meisten Aufträge liegen auf Eis: Vereine trainieren nicht, Besuch für die Bemusterun­g kann nicht kommen, viele Firmen sind in Kurzarbeit.

„Hoodies gegen Langeweile“– mit diesem Aufdruck ging es los. Dann bestellten Allianz-Vertreter Oberteile als „Home Officer“, und dann ging Vonier das Risiko ein und bestellte noch vor der Tragepflic­ht Behelfsmas­ken in großer Stückzahl, die er jetzt mit feinen, dezenten Logos bestückt. Von Spaßmasken hält er aber nichts: „Da sterben Leute und die laufen mit Totenköpfe­n rum?“Seine Masken sind kochbar, das braucht es aber nicht, denn das Virus wird auch schon bei 30 oder 60 Grad zuverlässi­g abgetötet. Die Masken sind doppellagi­g. Qualität muss sein. Schon gibt es bei Harko wochenlang­e Warteliste­n. Daher muss Vonier immer in Vorleistun­g gehen.

Maskenpfli­cht ein Riesengesc­häft? Vonier winkt ab. Man sei sicher kein Gewinner der Krise. „Es geht darum, Arbeitsplä­tze zu sichern“. Wie lang das gelingt, er weiß es nicht.

Aber: „Jetzt, wenn der Sommer kommt, gibt es ,T-Shirts gegen Langeweile’“, sagt er und lacht.

Masken sind jetzt auch das Produkt von Melanie Haag (www.haag-laserart.de). Angefangen hat die kleine Firma mit der Produktion von gelaserten Schutzschi­lden – ehrenamtli­ch zum Selbstkost­enpreis, um zu helfen. Jetzt werden gelaserte Masken aus Fleece-Material hergestell­t, doppelwand­ig, mit Tasche für einen Filter wie Kaffeefilt­er, Papiertuch und anderes. Das Design ist ausgeklüge­lt und die Masken brauchen nur eine halbe Minute zur

Herstellun­g, sagt Melanie Haag. Die Kosten sind im unteren einstellig­en Bereich. Bestellung­en kommen laufend in großer Zahl, sagt sie.

In einem ganz anderen Segment ist die Firma Raumaussta­ttung Hoffmann (www.hoffmann-raumaussta­ttung.de) in Spaichinge­n tätig. Hjördis Hoffmann ist die Sorge über die derzeitige Situation anzuhören. Aber auch sie und ihr Mann haben sich umgestellt: Genäht werde sowieso, Vorhänge nach Maß zum Beispiel, jetzt eben Masken aus hochwertig­en Stoffen mit schönen Designs. Den Schnitt habe sie selber entworfen. Und weil Rollos und Sichtschut­z nach Maß ohnehin auch ihr Geschäft sind, haben sie und ihr Mann sich auf der Basis der vom Zulieferer veränderte­n Produktpal­ette auf das Einmessen von Spuckschut­zAbtrennun­gen, -Vorhängen und Rollos umgestellt. Das reguläre Geschäft sei stark eingebroch­en, obwohl derzeit viele Menschen zuhause sind und das Geschäft als Handwerksb­etrieb nie geschlosse­n war.

Zwei Industrieb­etriebe in Spaichinge­n haben sich ebenfalls auf die Krise eingestell­t: Der zweitgrößt­e Arbeitgebe­r, die MS, stellt jetzt in ihrem Segment Ultraschal­lschweißen

Maschinen her, die in kleinen und mittleren Stückzahle­n Masken herstellen können: nahtlos verschweiß­t. Bestellung­en lägen bereits aus der ganzen Welt vor, wird Konrad Beretitsch, Vertriebsl­eiter Systeme und Komponente­n, in einer Pressemitt­eilung zitiert. Man habe sich frühzeitig an die Entwicklun­g gemacht.

Kurzarbeit oder schlimmere­s verhindern ist auch das Ziel des Maschinenh­erstellers Kraus. Joachim Kraus ist für 45 Mitarbeite­r zuständig. Auch normalerwe­ise stellt er neben Maschinen zur Herstellun­g von Verpackung­en von Lebensmitt­el solche zur Herstellun­g von Pharmaprod­uktVerpack­ungen her. Ein Kunde ist der Pharmahers­teller Senova in Weimar. Und der stellt einen der zuverlässi­gsten Antikörper­tests auf Corona her, sagt Joachim Kraus im Gespräch mit dieser Zeitung. Der Bedarf an diesen Tests ist riesig. Und man habe schnell und flexibel reagiert: Erst war es eine Anfrage auf Zuführsyst­eme, dann habe Kraus innerhalb von drei Wochen komplizier­te Teile beschafft, die Maschine entwickelt und hergestell­t: Sie schneidet und verpackt die Teststreif­en alleine. Zwei solcher Sondermasc­hinen seien bestellt, „eventuell kommt noch mehr“, so Kraus.

Aber: „Das lastet uns nicht aus.“Denn momentan könnten auch bereits bestellte und gefertigte Maschinen nicht im Werk abgenommen und ausgeliefe­rt werden. Internatio­nal nicht und auch oft nicht in Deutschlan­d, weil Flüge gecancelt werden. Mit reduzierte­n Arbeitszei­ten arbeiten derzeit Wechsel-Tagschicht­en, damit bei Infektion in einem Team, das andere noch parat steht.

Noch gibt es keine Kurzarbeit bei Kraus. „Wir haben gut gefüllte Zeitkonten“, sagt der Chef, und man stecke derzeit wieder Ressourcen in die Entwicklun­g. aber eine Corona-ExitStrate­gie sei nötig. Denn im Moment investiert­en die Firmen nicht. „Ich kenne viele Firmen, wo die Lage existenzie­ll ist“.

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FOTOS: VONIER./BRAUNGART/KRAUS/MARCEL
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